# taz.de -- Pressefreiheit in Polen: Der letzte Schritt | |
> Die allein regierenden Nationalpopulisten wollen nun auch noch die | |
> wenigen von ihnen nicht gegängelten Medien unter Kontrolle bringen. | |
Bild: Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) glaubt, sie habe einen Auftrag d… | |
Warschau taz | Im privaten Fernsehsender TVN24 jagt eine Krisensitzung die | |
andere. Völlig überraschend droht die Nichtverlängerung der Sendelizenz. | |
Sehr zum Missfallen der regierenden Nationalpopulisten von der Partei Recht | |
und Gerechtigkeit (PiS) deckt der Nachrichtensender TVN24 immer wieder | |
politische Skandale auf: Korruption und Vetternwirtschaft, Missbrauch der | |
Geheimdienste, Verschwendung von Steuergeldern, die Kontrolle über Gerichte | |
und Medien. Doch obwohl die PiS immer wieder mit einer „Repolonisierung“ | |
und „Restrukturierung“ der Medien in Polen drohte, fühlten sich die | |
TVN-Manager:innen und -Journalist:innen bislang sicher. Der | |
Mutterkonzern Discovery in den USA schien TVN unantastbar zu machen. | |
Doch vor gut zehn Tagen preschte ein PiS-Abgeordneter mit einem | |
Gesetzesprojekt vor. Vorgeblich soll es dem Schutz polnischer Sender vor | |
einem Ausverkauf ans Ausland dienen. Es könnte dem bei der Partei so | |
verhassten Sender den Garaus machen. Auf dem Spiel stehen Hunderte von | |
Arbeitsplätzen und eine Investition von über einer Milliarde Dollar. | |
Discovery hatte 2015 den 2005 gegründeten polnischen Sender über eine | |
Holding in den Niederlanden gekauft. „Wir haben in den letzten Jahren die | |
Sendelizenzen unserer Programmkanäle immer problemlos verlängern können“, | |
versichert Katarzyna Issat, die TVN-Pressesprecherin. Die | |
Eigentumskonstruktion über eine Firma am Amsterdamer Flughafen sei vor dem | |
Kauf 2015 von allen Seiten akzeptiert worden. | |
„In Polen, Ungarn und auch Slowenien sterben die freien Medien“, sagt | |
Bartosz Węglarczyk, der Chefredakteur des führenden polnischen | |
Online-Portals Onet. Seit Jahren müssen sich Węglarczyk und seine | |
Journalist:innen gegen Drohungen einer „Repolonisierung“ und | |
permanenten Druck vonseiten der Regierung wie auch der PiS-Anhänger | |
behaupten. Onet gehört dem deutsch-schweizerisch-amerikanischen | |
RingierAxelSpringer Polska-Verlag, in dessen Portfolio sich Medien wie | |
Newsweek Polska, Forbes oder Fakt – die polnische Bild-Zeitung – befinden. | |
Nach der politischen Wende 1989 brach die in den letzten Jahren des | |
Kommunismus krisengeschüttelte Wirtschaft Polens in sich zusammen. Die | |
demokratisch gewählten Regierung versuchten möglichst viel aus dem | |
Staatsbesitz zu verkaufen, darunter auch zahlreiche Zeitungen. Die bislang | |
wichtigsten Zeitungen wurden den führenden politischen Parteien übereignet. | |
Der Reichtum der PiS gründet sich auf den Immobilienbesitz des Express | |
Wieczorny (Abend-Express). Die populäre Zeitung verlor allerdings unter dem | |
neuen Chefredakteur und späteren Ministerpräsidenten Jarosław Kaczyński den | |
Großteil ihrer Leser:innen und musste eingestellt werden. | |
Als sich ausländische Verlage meldeten – mit journalistischem Know-how und | |
genügend Kapital, um moderne Druckereien zu bauen – wurden ihnen kurz vor | |
der Pleite stehende Medien verkauft. Andere Verlage wie Springer oder Burda | |
gründeten neue Titel oder transferierten bewährte Konzepte nach Polen. | |
Anders als von der PiS behauptet, wird Polens Medienmarkt jedoch keineswegs | |
von ausländischen Verlagen dominiert. Die meisten Publikationen und | |
Unternehmen gehören Polen. | |
Auch Bartosz Wieliński, stellvertretender Chefredakteur der linksliberalen | |
Tageszeitung Gazeta Wyborcza, sieht schwarz für Polens freie Medien. | |
„Nachdem es der PiS nicht gelungen ist, uns finanziell auszuhungern, werden | |
wir jetzt mit Prozessen nur so überzogen“, berichtet er. „Noch halten wir | |
durch, aber wer weiß, was der PiS noch einfällt. Die Partei ist | |
unberechenbar.“ | |
Das Instrumentarium der PiS gegen die Pressefreiheit ist klein, aber | |
effektiv: Gesetzgebung, finanzieller Druck, Klagen. Alle drei Mittel können | |
je nach Bedarf hintereinander, parallel oder auch gezielt gegen nur ein | |
einzelnes Medium eingesetzt werden. Vorbilder für Polens Nationalpopulisten | |
sind Russland und Ungarn, wo die Regierungen Medien schon weitgehend unter | |
Kontrolle gebracht haben. | |
Gegenwehr ist meist nervenaufreibend, zeitintensiv und teuer. Selbst bei | |
einem Sieg vor Gericht droht schon morgen oder übermorgen der nächste | |
Prozess, die nächste Zwangsabgabe oder das nächste Gesetz, das den | |
Medienmarkt in Polen angeblich einer „Korrektur“ unterziehen oder an | |
„europäische Standards“ anpassen soll. Das Programm, der Nationalpopulisten | |
heißt: „guter Wandel“. Für regierungskritische Medien führt dieser „gu… | |
Wandel“ an den Rand des Ruins, für PiS-loyale zu gut gefüllten Kassen. | |
Das Ausland bekommt vom verzweifelten Überlebenskampf der freien Medien in | |
Polen meist nur einmal im Jahr etwas mit: wenn Reporter ohne Grenzen das | |
Ranking der Pressefreiheit für rund 160 Staaten weltweit bekanntgibt. Von | |
2015 bis 2021 rutschte Polen im Ranking der Pressefreiheit von Platz 18 auf | |
heute Platz 64. | |
Der Niedergang von Freiheit und Demokratie in Polen begann im Herbst 2015. | |
Damals gewann die PiS mit knapp 38 Prozent der Stimmen die Parlamentswahlen | |
und zog – bedingt durch das d’Hondt-Verfahren, das die Stimmen der | |
Verliererparteien proportional den Gewinnern zuweist – mit 235 von 460 | |
Sitzen in den Sejm, das polnischen Abgeordnetenhaus, ein. Damit besaß die | |
PiS die absolute Mehrheit im Sejm und kann seither zum ersten Mal in der | |
Geschichte der jungen polnischen Demokratie allein regieren. Die PiS | |
behauptet, vom „Volk“ den Auftrag zu einem grundlegenden Umbau des Staats | |
erhalten zu haben. | |
Mit einem ihrer ersten Gesetze löste die PiS den Öffentlich-Rechtlichen | |
Rundfunk auf und gründete ihn gleich wieder neu – allerdings unter ihrer | |
Kontrolle als „Nationale Medien“. Mit einem Schlag wurden alle | |
Arbeitsverträge ungültig, zig Journalist:innen verloren ihren Job. Der | |
neue TVP-Intendant Jacek Kurski, der sich in seiner Zeit als PiS-Politiker | |
gern als „Bullterrier Kaczyńskis“ bezeichnete, baute den Sender radikal um. | |
Heute ist an die Stelle des einstigen Qualitätsjournalismus Propaganda für | |
die PiS getreten. | |
So widmet TVP zurzeit einen großen Teil seiner Hauptnachrichten Donald | |
Tusk. Jeden Tag wird der ehemalige Premier Polens und EU-Ratspräsident, der | |
Anfang Juli nach Polen zurückkehrte und den Vorsitz der | |
liberalkonservativen Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) übernahm, in | |
Szenen gezeigt, in denen er auf Deutsch sagt: „Danke Deutschland“ oder „F… | |
Deutschland“. Jeden Tag auf Neue wird er lachend mit Angela Merkel oder | |
Wladimir Putin gezeigt, als sei dies ein nationaler Verrat. | |
Die Hetze gegen Flüchtlinge und Muslime, Deutsche und Russen, einzelne | |
soziale Gruppen wie LGBT+, unabhängige Richter, demonstrierende Frauen und | |
allgemein Oppositionelle jeder Couleur wollen viele Pol:innen allerdings | |
gar nicht sehen: Einer im Juni publizierten weltweiten Vertrauensumfrage | |
des britischen Reuters-Instituts zufolge bildet TVP das Schlusslicht unter | |
polnischen Radio- und Fernsehsendern. Gerade mal 36 Prozent der Befragten | |
hält die Nachrichtensendungen des polnischen Staatsfernsehens noch für | |
glaubwürdig. An oberster Stelle stehen – wenn es um die Glaubwürdigkeit | |
geht – die Nachrichtensendungen der Privatsender Radio RMF FM mit 68 | |
Prozent Zustimmung sowie die von TVN24 und PolSat News mit jeweils 64 | |
Prozent Zustimmung. | |
TVPiS, wie der Sender von Kritikern verächtlich genannt wird, bleibt für | |
die Regierungspartei ein wichtiges Propagandainstrument, da die Sendungen | |
kostenlos zu empfangen sind und insbesondere von der Landbevölkerung und | |
ärmeren Menschen gesehen werden, die sich weder Satelliten- noch | |
Kabelfernsehen leisten können. Theoretisch ist zwar ein TVP-Abonnement zu | |
zahlen, doch in der Praxis macht das kaum jemand, so dass der Staat | |
jährlich 2 Milliarden Złoty (knapp 500.000 Euro) aus dem Haushalt | |
zuschießt. Hinzu kommen üppige Werbeaufträge von den Staatskonzernen. | |
## Bisherige Gesetzesvorhaben verstießen gegen EU-Recht | |
Die lang angekündigte „Repolonisierung“ oder „Restrukturierung“ von | |
Privatmedien, deren Mutterhäuser sich im Ausland befinden, konnte die PiS | |
zunächst nicht durchführen. Die Gesetzesinitiativen, die auf eine | |
Enteignung oder Teilenteignung ausländischen Medienkapitals hinausliefen, | |
verstießen zu klar gegen EU-Recht und landeten allesamt im Papierkorb. | |
Dies hinderte die bereits auf PiS-Linie gebrachten Medien nicht daran, ihre | |
Kampagne gegen unabhängige Medien fortzusetzen, die angeblich den | |
Interessen Berlins oder Washingtons verpflichtet seien. Auch | |
Korrespondent:innen in Polen mussten und müssen sich immer sagen | |
lassen, dass sie „nicht objektiv“, sprich PiS-loyal, berichten, sondern | |
sich „Instruktionen“ aus dem Kanzleramt in Berlin oder einem anderen | |
Regierungssitz in der Europäischen Union abholen würden. | |
Dass in der aufgeheizten Atmosphäre Präsident Andrzej Duda die antideutsche | |
Karte zückte, um im Wahlkampf 2020 gegen seinen Herausforderer aus dem | |
liberalen Lager zu punkten, war nicht ungewöhnlich. Dass er aber mehrfach | |
gegen „Herrn Fritz“ wetterte, den Korrespondenten Philipp Fritz der Welt in | |
Polen, und auch das Boulevardblatt Fakt aus dem Hause RingierAxelSpringer | |
Polska angriff, bediente das in Polen populäre Stereotyp von den Deutschen, | |
die wie auch die Nazis Hans und Fritz heißen. „Sollen wir uns etwa von den | |
Deutschen den Präsidenten auswählen lassen?“, rief er seinen | |
Wähler:innen zu. Und antwortete sich gleich selbst: „Das ist eine | |
Niedertracht! Damit bin ich nicht einverstanden!“ Dabei hatten die beiden | |
Blätter, Fakt in Polen und die Welt in Deutschland, eine ganz normale | |
Wahlkampfberichterstattung gemacht. Aber sie gehörten zu ein und dem | |
gleichen Verlag – RingierAxelSpringer. | |
Nur Insider wussten damals, dass tatsächlich ein großer Player auf dem | |
polnischen Medienmarkt die Segeln streichen wollte. Polska Press, die | |
polnische Tochter der Verlagsgruppe Passau, stand zum Verkauf. Vor Jahren | |
hatte deren Flaggschiff Polska. The Times für Furore gesorgt, auch die | |
verlagseigene Agentur mit regionalen Nachrichten und Reportagen und der | |
solide Lokaljournalismus brachte Polska Press große Anerkennung ein. Doch | |
trotz der angekündigten „Repolonisierung der Medien“ wollte keines der | |
PiS-nahen Verlagshäuser ins Geschäft mit der polnischen Regionalpresse | |
einsteigen. Die Angst vor einem möglichen Scheitern war zu groß. | |
Am Ende meldete sich bei den Passauern Daniel Obajtek, ein guter Bekannter | |
Kaczyńskis, PiS-Mitglied, Chef des Mineralölkonzerns Orlen und | |
Tankstellenbetreiber in Polen. Für rund 120 Millionen Złoty (knapp 30 | |
Millionen Euro), wie die Fachpresse berichtete, erwarb Obajtek rund 140 | |
Lokal- und Regionalzeitungen sowie knapp 500 Internetportale. Als im | |
Februar 2021 Polens Kartellamt grünes Licht gab, begann die neue Chefin von | |
Polska Press mit einer Säuberung. Fast alle bisherigen Chefredakteure, die | |
ihre „Instruktionen“ angeblich aus Berlin bekommen hatten, mussten gehen. | |
PiS-loyale Chefredakteure übernahmen ihre Stellen. | |
Stärkerem finanziellen Druck als Polska Press waren in den letzten Jahren | |
zwei polnische Zeitungen ausgesetzt, die nicht unter dem Vorwand der | |
Repolonisierung angegriffen werden konnten: die linksliberale Gazeta | |
Wyborcza und die konservative Rzeczpospolita. „Das fing 2015 an“, sagt | |
Bartosz Wieliński am Telefon, der stellvertretende Chefredakteur der Gazeta | |
Wyborcza. „Kaum war die erste PiS-Regierung vereidigt, kündigte sie uns | |
sämtliche Abonnements, die bislang Ministerien bei uns hatten, Gerichte, | |
die Zentral- wie die Regionalverwaltung, alle möglichen Institutionen | |
und dann auch die Staatskonzerne. Auch die Werbeeinnahmen brachen völlig | |
zusammen. Das war ein harter Schlag. Ein Jahr später mussten wir uns selbst | |
Sparmaßnahmen auferlegen und die Zeitung restrukturieren. Das tat alles | |
sehr weh. Und das sollte es ja auch.“ | |
Später kam es zum sogenannten Lotos-Skandal, als in den Tankstellenläden | |
des Staatskonzerns die Gazeta Wyborcza und andere unabhängige Medien kaum | |
noch zum Verkauf angeboten wurden, sondern zumeist als Remittenden | |
zurückgingen. Die Aktion sollte die freien Medien einschüchtern und ihnen | |
zeigen, dass die PiS über die Staatskonzerne auch die Kontrolle über den | |
Vertrieb übernehmen konnte. | |
## Ein großer Verleger gibt auf | |
Im Falle der Rzeczpospolita, der zweitgrößten seriösen Tageszeitung Polens, | |
kam es so weit, dass eines Tages der Gerichtsvollzieher Konten des Verlags | |
blockierte, weil angeblich anders eine strittige Summe in Höhe von 5,4 | |
Millionen Złoty (rund 1,2 Millionen Euro) nicht gesichert werden konnte. In | |
einem Interview bekannte der Verleger Grzegorz Hajdarowicz unlängst, dass | |
er die jahrelangen Querelen und Prozesse satt habe. Zwar hänge sein Herz an | |
der Rzeczpospolita, aber er biete ab sofort seinen Zeitungsverlag mit der | |
Rzeczpospolita und Parkiet zum Verkauf an. | |
„Genau darum geht es der PiS“, sagt der Chefredakteur des Portals Onet, | |
Bartosz Węglarczyk. „Es geht den PiS-Funktionären um die Kontrolle der | |
Medien durch die Partei. Und da haben sie es bei polnischen Verlegern viel | |
leichter als bei ausländischen wie etwa Discovery in den USA.“ Kein | |
polnischer Verleger habe das Kapital, um sich mit dem PiS-Staat anzulegen. | |
Das sei der wahre Hintergrund für die geforderte Repolonisierung möglichst | |
vieler Medien. „Die Gefahr ist groß, dass ein Staatskonzern – so wie im | |
Falle der Passauer – die Rzeczpospolita übernimmt. Damit verschwindet | |
wieder ein Stück Pressefreiheit in unserem Land, und aus Journalismus wird | |
Propaganda.“ | |
„Die vielen Prozesse sind zurzeit unser größtes Problem“, sagt Wieliński | |
von der Gazeta Wyborcza. „Dabei sind wir in der Branche wohl Spitzenreiter | |
mit insgesamt 77 Verfahren seit 2015. Als ich vor ein paar Tagen in Urlaub | |
fuhr, waren es noch 75 Prozesse. Doch es sind schon wieder zwei | |
dazugekommen.“ Bei den meisten handele es sich um völlig sinnlose | |
Slapp-Prozesse, wobei das Kürzel Slapp für Strategic Lawsuits against | |
Public Participation steht und Prozesse meint, in denen das Recht | |
missbraucht wird, um Kritiker:innen mundtot zu machen, die in der | |
Öffentlichkeit auftreten. „Wir gewinnen die meisten dieser Prozesse, aber | |
sie sind sehr zeitaufwendig, nervig und binden die Arbeitszeit unserer | |
Journalist:innen. Statt an neuen Texten zu arbeiten, müssen sie ihre | |
Verteidigung vor Gericht vorbereiten.“ | |
Doch es könnte noch schlimmer kommen. „Wenn die polnischen Gerichte in | |
Zukunft gleichgeschaltet sind und unter Kontrolle der PiS stehen“, sagt | |
Wieliński, „werden wir die Prozesse wohl nicht mehr gewinnen. Dann reichen | |
ein paar Strafen in Millionenhöhe gegen die Gazeta Wyborcza, und es wird | |
bedrohlich.“ | |
Derweil kreist über dem Fernsehsender TVN eine Kameradrohne und zeigt | |
Bilder des Gebäudes mit dem großzügig geschwungenen Glasdach. Seit ein paar | |
Tagen berichtet TVN in seinen Hauptnachrichten „Fakty“ auch in eigener | |
Sache. „Noch 61 Tage bis zum Auslaufen der Sendelizenz“, heißt es. Und: | |
„Vor 17 Monaten hat TVN die Verlängerung der Lizenz beim Rundfunk- und | |
Fernsehrat beantragt.“ Jeden Tag kommen andere Gäste zu Wort – von der | |
einen wie der anderen Seite. | |
So bekennt Marek Suski, PiS-Abgeordnete und Initiator der „Lex TVN“, ganz | |
offen, dass nicht etwa die offiziell verkündete Verhinderung von | |
„russischer, chinesischer oder arabischer Propaganda“ in Polen das Ziel der | |
Gesetzesinitiative war, sondern – wie fast immer – die Übernahme von | |
Kontrolle durch die PiS: „Wenn es gelingt, das Gesetz durchzubringen, und | |
ein Teil der Anteile vielleicht von polnischen Unternehmern gekauft wird, | |
werden wir einen gewissen Einfluss darauf haben, was in diesem Sender | |
passiert.“ Zwar zog Suski später diesen Satz zurück, doch da war er schon | |
in der Welt. | |
Immer öfter äußern auch amerikanische Diplomat:innen ihre Besorgnis, so | |
die Handelsministerin Gina Raimondo, die nach ihrem Telefonat mit dem | |
stellvertretenden Premier Jarosław Gowin davor warnte, dass „Versuche, eine | |
US-amerikanische Investition in Polen zurückzufahren, der amerikanischen | |
und polnischen Wirtschaft schaden und unseren gemeinsamen Beitrag zur | |
Medienfreiheit untergraben“. | |
Derek Chollet, Berater des amerikanischen Außenministers Antony Blinken, | |
kam persönlich nach Warschau. Nach Gesprächen mit etlichen PiS-Politikern | |
sagte er, dass die Biden-Administration davon ausgehe, dass die Lizenzen | |
für die Sender TVN und TVN24 um weitere zehn Jahre verlängert würden. Auch | |
wenn die Amerikaner in den letzten Jahren selbst Probleme mit der | |
Pressefreiheit gehabt hätten, bleibe es doch dabei: „Die Pressefreiheit ist | |
das Fundament der Demokratie.“ | |
Fast alle wichtigen Medien in den USA berichteten über den Versuch der PiS, | |
Discovery in Polen auszubremsen. Chollet versicherte in einem Interview mit | |
der Rzeczpospolita: „Präsident Joe Biden persönlich verfolgt den ‚Fall TV… | |
in Polen.“ | |
30 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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