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# taz.de -- Streit um Mediengesetz in Polen: Regierungskoalition zerbrochen
> Polens Premier Morawiecki hat den Chef des Juniorpartners gefeuert. Doch
> die Regierungspartei PiS wird die Stimmenmehrheit im Sejm wohl behalten.
Bild: In Krakau vor Sejm-Abstimmung am Mittwoch: Regierungspartei PiS will Medi…
Warschau taz | Jaroslaw Gowin, bisher Wirtschaftsminister und
stellvertretender Premier Polens, erfährt es aus dem Fernsehen: Er ist
gefeuert. Kurz nach 18 Uhr, als am Dienstagabend im ganzen Land
[1][Solidaritätsdemonstrationen für den Privatsender TVN] beginnen,
verkündet Polens Regierungssprecher den Rauswurf. Premier Mateusz
Morawiecki von der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS)
habe den Chef der Klein-Partei „Porozumienie“ (Verständigung) und
Juniorpartner der Koalition entlassen. Am Mittwoch gab die Partei offiziell
ihren Austritt aus der Regierung bekannt.
Unmittelbarer Anlass ist das Mediengesetz, das am Mittwoch im Sejm, dem
polnischen Abgeordnetenhaus, beschlossen werden soll. Gowin weigerte sich
in den letzten Tagen, die sogenannte „Lex TVN“ zu unterstützen, da die
Neuregelung der Eigentumsverhältnisse bei ausländischen Investoren den
amerikanischen Konzern Discovery dazu zwingen würde, sich entweder von 51
Prozent seiner Anteile an TVN zu trennen oder aber Polen ganz zu verlassen.
Dies würde den polnisch-amerikanischen Beziehungen enormen Schaden zufügen,
so Gowin.
Offiziell hieß es allerdings, dass Gowin und sein Ministerium die neuen
Gesetzesvorlagen und Anordnungen für den Corona-Wiederaufbauplan „Polnische
Ordnung“ zu langsam vorbereiteten. Mit der gleichen Begründung hatte
Morawiecki drei Tage zuvor bereits Gowins Stellvertreterin im Ministerium
für Entwicklung, Arbeit und Technologie entlassen.
Sie hatte öffentlich Kritik am Corona-Wiederaufbauprogramm geübt. Auch wenn
GeringverdienerInnen von der „Polnischen Ordnung“ profitierten, so Anna
Kornecka, bürde es doch denjenigen Polen und Polinnen, die über 2.500 Euro
monatlich verdienen würden, sowie den kleinen und mittelgroßen Unternehmen
in Polen sehr große Steuerlasten auf.
Nach ihrer Entlassung setzte Kornecka allerdings ihre Arbeit fort, da Gowin
sie umgehend zu seiner Bevollmächtigten im Wirtschaftsministerium ernannte.
In der PiS wurde das als offener Affront wahrgenommen. Noch am
Dienstagabend kündigte Gowin an, dass seine Partei die Koalition „Vereinte
Rechte“ wahrscheinlich schon am Mittwoch verlassen werde.
## PiS beschafft sich Mehrheit im Sejm
Damit zerbricht zwar die bisherige Regierung in Polen, doch die absolute
Stimmenmehrheit im Sejm – 231 von 460 – wird die PiS wohl behalten. Dies
zumindest deutet Jacek Sasin, Minister für Staatsbeteiligungen, im
Staatsfernsehen TVP Info an. Die meisten der neun von einst 18
Abgeordneten, mit denen Gowin 2019 auf der PiS-Wahlliste in den Sejm
eingezogen war, würden nun auch noch zur PiS wechseln, so Sasin.
Darüber hinaus, so rechneten bereits politische Beobachter nach, gebe es
noch mindestens drei Abgeordnete der ehemaligen Kukiz15-Fraktion rund um
den ehemaligen Rocksänger Pawel Kukiz sowie einige der rechtsradikalen
Gruppierung „Konföderation“, die zur PiS wechseln könnten. Anreize gibt es
genug. Unlängst hatte die PiS einen abtrünnigen Abgeordneten mit einem
lukrativen Bankposten zurück in ihre Reihen geholt.
Problematisch für die [2][PiS-geführte Regierung] könnte es allerdings
werden, wenn auch der zweite Koalitionspartner, die Minipartei des
Justizministers und Generalstaatsanwalts Zbigniew Ziobro „Solidarisches
Polen“, die Reißleine zieht und ebenfalls die Koalition verlässt. Ziobro
gilt als Vater der [3][umstrittenen Justizreformen in Polen]. Nach einem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg sollen die
Reformen zumindest [4][im Fall der Disziplinarkammer] für Richter
zurückgefahren werden.
Das Ultimatum der Europäischen Kommission läuft am Montag, dem 16. August,
aus. Danach könnte die Kommission Strafzahlungen beantragen, sollte Polen
das EuGH-Urteil nicht umsetzen. Ziobro ist strikt dagegen und erklärte in
einem Interview ganz offen, dass Polen „nicht um jeden Pres“ in der EU
bleiben müsse.
Die erste Probe muss die geschrumpfte Koalition bereits an diesem Mittwoch
bei der Sejm-Abstimmung über die „Lex TVN“ bestehen. Gelingt es der PiS,
auch ohne den Juniorpartner eine absolute Stimmenmehrheit zu bekommen, wird
der letzte noch freie Fernsehsender über kurz oder lang aus Polen
verschwinden.
11 Aug 2021
## LINKS
[1] /Pressefreiheit-in-Polen/!5786010
[2] /PiS-Partei-und-ihre-Skandale/!5772617
[3] /Angriffe-auf-unabhaengige-Justiz-in-Polen/!5655156
[4] /Polnische-Verfassung-und-EU-Recht/!5789375
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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