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# taz.de -- Justiz in Polen: Richterspruch im Geiste der PiS
> Das weiter von der Ex-Regierungspartei PiS kontrollierte höchste Gericht
> stuft den Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien als verfassungswidrig
> ein.
Bild: Politiker und PiS-Anhänger besetzen die Redaktion des Senders TVP in War…
Warschau taz | Die Frage, ob [1][Polens neue Mitte-links-Regierung unter
Premier Donald Tusk] die Staatssender TVP, TVP Info und Polskie Radio
abstellen durfte, um wieder einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk
aufzubauen, sorgt bis heute für heftige Diskussionen. Nun gießt auch noch
Polens Verfassungsgericht Öl ins Feuer.
Auf Antrag einiger Abgeordneter der nationalpopulistischen Partei Recht und
Gerechtigkeit (PiS), die bei der Parlamentswahl am 15. Oktober 2023 zwar
stärkste Kraft geworden war, aber ihre Mehrheit verloren hatte, urteilten
die Richter in einem Schnellverfahren, dass das Vorgehen der neuen
Regierung verfassungswidrig gewesen sei.
Polens neuer Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz hatte [2][die
„Abschaltung“ der PiS-Staatssender angeordnet], nachdem der PiS-nahe
Staatspräsident Andrzej Duda sein Veto gegen ein Gesetz zur Finanzierung
des öffentlichen Dienstes eingelegt hatte. Dort war auch ein Staatszuschuss
in Höhe von drei Milliarden Złoty (circa 700 Millionen Euro) zur
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgesehen. Das mit
„Abschaltung“ überschriebene Gesetz, auf das er sich berief, regelt in
Wirklichkeit die umfassende Restrukturierung eines angeschlagenen
Unternehmens.
Das vollständig von der PiS kontrollierte Verfassungsgericht verwies auf
den Nationalen Medienrat – eine Institution, die die PiS-Regierung 2015
gegründet hatte, um die bisherigen Entscheidungskompetenzen zu verlagern.
## Verfassungswidriges Gesetz
Nach dem Willen der PiS, die 2015 die Wahlen gewonnen hatte, sollten
künftig nicht mehr Polens Kulturminister und der in der Verfassung
vorgesehene Landesrat für Rundfunk und Fernsehen die Entscheidungen über
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk treffen, sondern nur noch der neu
gegründete und von der PiS abhängige Nationale Medienrat.
Das damals noch funktionierende Verfassungsgericht urteilte aber bereits
2016, dass die Verlagerung der Entscheidungskompetenzen verfassungswidrig
sei. Doch das kümmerte weder den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, in
dem die PiS die absolute Mehrheit stellte, noch Präsident Andrzej Duda. Er
war früher selbst PiS-Mitglied gewesen. Und so galt das verfassungswidrige
Gesetz bis zur Abwahl der PiS Ende 2023.
Sienkiewicz, der rein rechtlich Eigentümer der Aktiengesellschaft des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, entschied als
Ein-Personen-Aktionärsversammlung über die Umstrukturierung des
Unternehmens. Das aktuelle Urteil des „Julia-Przyłębska-Tribunals“, wie d…
Volksmund in Polen das PiS-parteiische Verfassungstribunal nach seiner
Vorsitzenden getauft hat, habe keine Rechtskraft und sei ungültig,
kommentierte Sienkiewicz am Donnerstagnachmittag die gerade erst ergangene
Entscheidung. Zudem habe der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in
Straßburg das polnische Verfassungsgericht als „nicht unabhängig“
qualifiziert.
## Ein neues Gesetz soll endgültige Rechtssicherheit bringen
Freitagfrüh bestätigte Jerzy Stępień, der von 2006 bis 2008 Präsident des
damals noch unabhängigen Verfassungsgerichts war, diese Auffassung im
Radio: „Das Urteil ist ungültig, da die Zusammensetzung des Gerichts
illegal ist. Die Regierung muss es nicht berücksichtigen.“
Endgültige Rechtssicherheit kann aber erst ein neues Gesetz bringen, das
die Entscheidungskompetenzen neu regelt. Doch das kann dauern. Denn
Präsident Duda hat bereits angekündigt, dass er mit seinem Veto jede
Rückabwicklung von PiS-Gesetzen verhindern werde. Seine Amtszeit endet in
anderthalb Jahren. Dann stehen Wahlen an. Bis dahin muss Polens
Gesellschaft viel Geduld aufbringen.
19 Jan 2024
## LINKS
[1] /Polen-nach-dem-Regierungswechsel/!5977467
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## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
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