Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Oppositionsdemo in Polen: Protest vor leeren Rängen
> In Warschau versammelten sich Zehntausende Anhänger der oppositionellen
> PiS-Partei. Doch kurz vor Demobeginn gingen ihnen die Argumente aus.
Bild: Jaroslaw Kaczynski (PIS) spricht am 11. Januar 2024 in Warschau zu Anhän…
Warschau taz | Jaroslaw Kaczynski, der Parteichef der
nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS), war wütend. Denn kurz
vor der PiS-Großdemo am Donnerstagabend in Warschau hatten sich die
Protestgründe weitgehend in Luft aufgelöst. Das Parlament, vor dem sich
Zehntausende PiS-Anhänger versammelt hatten, war fast leer. Der
Sejm-Marschall Szymon Holownia, der seit gut einem Monat die Sitzungen des
polnischen Abgeordnetenhauses leitet, hatte kurz vor der Demo die
Sejm-Sitzung um drei Tage verschoben.
So wetterte Kaczynski zwar gegen die neue Mehrheit im Parlament, [1][die
angeblich zwei PiS-Abgeordnete als „politische Gefangene“ genommen habe],
doch selbst die PiS-Anhänger auf der Demo wirkten enttäuscht. Auch
Kaczynskis flammende Verschwörungsrede gegen die neue
Mitte-Links-Regierung, die angeblich [2][im Auftrag der EU Polens
Souveränität liquidieren will], zündete nicht richtig.
Ein dick eingemummter Demonstrant brachte es auf den Punkt: „Ich bin extra
aus Ostpolen angereist, weil ich gegen die neue Macht anschreien wollte.
Aber wer soll mich denn jetzt hören? Da ist ja niemand im Parlament!“
Immerhin – auf Zuruf von der Bühne skandierten die Demonstranten mehrfach
und sehr laut „Zwyciezymy“ –„Wir werden siegen!“, aber schon der Satz…
ist Polen, nicht Belarus“, klang etwas dünn. Kaczynski hatte in seiner Rede
mit keinem Wort erwähnt, dass Polens Präsident Andrzej Duda nun doch zwei
rechtskräftig wegen Amtsmissbrauch verurteilte und seit zwei Tagen hinter
Gitter sitzende PiS-Politiker begnadigen wolle. Aber wie die meisten Polen
verfolgen auch die PiS-Anhänger das aktuelle politische Geschehen in
sozialen Medien wie TikTok, Youtube oder X im Internet.
## Verurteilte Minister werden begnadigt
Die Nachricht von der Kehrtwende Dudas verbreitete sich wie ein Lauffeuer:
bislang hatte Duda behauptet, dass seine erste Begnadigung der
PiS-Politiker Mariusz Kaminski und Maciej Wasik, die 2015 als Chefs der
zentralen Antikorruptionsbehörde (CBA) wegen Dokumentenfälschung und
Amtsmissbrauchs verurteilt worden waren, nach wie vor gültig sei. Doch die
meisten Juristen hatten ihm widersprochen.
Dudas damalige Begnadigung sei nicht rechtswirksam geworden, da das
Berufungsverfahren in zweiter Instanz noch ausstand, so dass die
Angeklagten formal noch „unschuldig“ waren. Unschuldige aber könne der
Präsident nicht begnadigen. So klang die PiS-Propaganda von den
„politischen Gefangenen“, die die neue Mitte-Links-Regierung unter dem
liberalkonservativen Premier Donald Tusk hinter Gittern gebracht habe,
selbst in den Ohren der Pis-Anhänger wenig überzeugend. Duda war
umgeschwenkt, als ihn die Ehefrauen von Kaminski und Wasik um eine erneute
Begnadigung ihrer Männer baten.
## Abgeschaltete TV-Sender senden wieder
Auch ein weiterer Grund für die PiS-Großdemo „Freie Polen verteidigen freie
Medien“ hatte sich kurz vor der Demo in Luft aufgelöst. Denn die von der
PiS in Parteipropagandaschleudern verwandelten Sender TVP, TVP Info und
Polskie Radio [3][waren zwar von der neuen Regierung abgeschaltet worden],
sendeten aber längst wieder – zum Teil noch etwas provisorisch, aber
erkennbar im Sinne eines in der polnischen Verfassung verankerten
Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Statt Anti-EU-Hetze und Deutschen-Bashing
sowie der ständigen Wiederholung von Uralt-Konserven mit Donald Tusk,
Angela Merkel und Wladimir Putin gibt es nun wieder tagesaktuelle
Nachrichten.
## Millionengehälter für PiS-Propagandisten
Wenige Tage vor der Demo war dann auch noch herausgekommen, dass die
schärfsten PiS-Propagandisten in den Sendern astronomische Gehälter in zum
Teil Millionen-Zloty-Höhe eingestrichen hatten.
Die PiS-Parteiführung änderte daher am Donnerstagabend die Demo-Strecke ab:
statt zum TVP-Sender am Platz der Aufständischen marschierten die
Demonstranten zum Sitz [4][des neuen Premierministers Donald Tusk.] Doch
auch da hatten alle schon Feierabend gemacht und das Gebäude verlassen. Die
Fenster blieben dunkel.
Bislang hat die neue Regierung aus liberalkonservativer Bürgerkoalition
(KO), christlich-agrarischem Dritten Weg und der Neuen Linken, [5][die die
Parlamentswahlen am 15. Oktober 2023 mit überwältigender Mehrheit gewonnen
hat], die vielen Schwierigkeiten gut bewältigt. Aber das muss nicht so
bleiben.
## PiS als schlagkräftige Opposition
Sie hat mit der PiS eine schlagkräftige Oppositionspartei gegen sich, die
in den letzten acht Jahren, als sie selbst an der Macht war, alle
Schlüsselpositionen im Lande mit eigenen Leuten besetzt hat. Zudem prägt
sie noch immer den öffentlichen Diskurs. So hetzt die PiS (Abkürzung für
Prawo i Sprawiedliwość, was wie zum Hohn „Recht und Gerechtigkeit“ heißt…
ununterbrochen gegen die neue Regierung und unterstellt ihr, einen
„Staatsstreich“ verübt zu haben, „Rechtsanarchie“ zu verbreiten, „in
Interesse der Deutschen gegen Polen“ zu handeln und „von Rache getrieben“
gegen die „wahren Polen“ zu agieren.
Ohne eine bessere Kommunikation der neuen Regierung kann das Projekt
„Wiederaufbau der Demokratie in Polen“ noch scheitern.
12 Jan 2024
## LINKS
[1] /Opposition-in-Polen/!5984887
[2] /Opposition-in-Polen/!5984887
[3] /Medien-in-Polen/!5978059
[4] /Polen-nach-dem-Regierungswechsel/!5977467
[5] /Garton-Ash-ueber-die-Wahl-in-Polen/!5967311
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
PiS
Andrzej Duda
Jarosław Kaczyński
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verfassungsexpertin über Polen: „Reparaturarbeiten sind schwierig“
Zurück zum Rechtsstaat, das ist das Ziel von Polens neuer Regierung. Die
Verfassungsrechtlerin Ewa Łętowska erklärt, warum das so kompliziert ist.
Verurteilte PiS-Politiker in Polen: Präsident auf Konfrontationskurs
Polens Staatschef Andrzej Duda begnadigt zwei verurteilte frühere
PiS-Politiker zum zweiten Mal. Sie sind damit frei und wollen wieder ins
Parlament.
Justiz in Polen: Richterspruch im Geiste der PiS
Das weiter von der Ex-Regierungspartei PiS kontrollierte höchste Gericht
stuft den Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien als verfassungswidrig
ein.
Opposition demonstriert in Polen: Hass und Hetze in Warschau
Anhänger der nationalpopulistischen Ex-Regierungspartei PiS demonstrieren
in der Hauptstadt. Parteichef Jarosław Kaczyński ist wieder in Hochform.
Öffentlich-Rechtliche in Polen: Kampf um Polens Medien
Polens Präsident wollte mit einem Veto die Medienpolitik der neuen
Regierung durchkreuzen. Doch er machte den Weg frei für das Ende der
PiS-Propaganda.
Nach Amtsmissbrauch in Polen: Knast für zwei PiS-Politiker
Die beiden Politiker hatte Präsident Andrzej Duda schon rechtswidrig
begnadigt. Ihre Partei will das neue Hafturteil jetzt nicht anerkennen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.