| # taz.de -- Solarausbau in Berlin: Rechtsbruch auf dem Dach | |
| > Entgegen gesetzlicher Vorgaben ist nur ein kleiner Teil der Schuldächer | |
| > mit Photovoltaik bestückt. Selbst bei Neubauten wird häufig darauf | |
| > verzichtet. | |
| Bild: Die Module spielen verrückt – sobald der politische Wille da ist | |
| Berlin taz | Die Sache ist eigentlich klar. Spätestens bis Ende des Jahres | |
| sollen auf den Dächern aller öffentlichen Gebäude Solaranlagen errichtet | |
| sein. So steht es im 2021 noch [1][von der rot-rot-grünen | |
| Vorgängerkoalition novellierten Berliner Klimaschutz- und | |
| Energiewendegesetz]. Und in dem Fall handelt es sich nicht um eine Kann-, | |
| sondern eine eindeutige Muss-Bestimmung. Sie interessiert nur vielfach | |
| nicht, zumindest in den Bezirken. | |
| Die SPD-Abgeordnete Linda Vierecke sagt, da müsse man sich nichts | |
| vormachen: „Berlin wird sein eigenes Gesetz brechen, und zwar massiv.“ Die | |
| umwelt- und klimapolitische Sprecherin der SPD-Fraktion hat sich beim Senat | |
| nach dem Stand der Dinge bei den Dächern der vor allem in die Zuständigkeit | |
| der Bezirke fallenden Schul- und Sportgebäude erkundigt. | |
| Das Resultat ihrer jetzt veröffentlichten parlamentarischen Anfrage: „Note | |
| mangelhaft“, sagt Vierecke. Nur ein geringer Teil der landeseigenen | |
| Schulbauten ist mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. In Pankow etwa sind | |
| es 27 Prozent, in Tempelhof-Schöneberg sogar nur 2 Prozent. „Aber wo sollen | |
| wir denn anfangen mit dem Solarausbau, wenn nicht auf den landeseigenen | |
| Gebäuden?“, so Vierecke zur taz. „Die Klimakrise drängt, hier sollten wir | |
| endlich vorankommen.“ | |
| Selbst mit Blick auf Schulneubauten werden die gesetzlichen Vorgaben in | |
| zahlreichen Bezirken nicht eingehalten. Fast alle in der Senatsantwort | |
| zitierten Bezirksämter geben an, in den vergangenen beiden Jahren auch neue | |
| Gebäude einfach nur „PV-Ready“ gemacht, also „für die Errichtung einer | |
| Photovoltaikanlage vorgerüstet“ zu haben. | |
| Die „Trendwende beim Solarausbau in Berlin“, [2][die Wirtschafts- und | |
| Energiesenatorin Franziska Giffey (SPD) bereits im Dezember 2023 ausgerufen | |
| hatte] – zumindest beim Milliardenprojekt Schulbauoffensive ist sie nicht | |
| zu erkennen. | |
| ## Teils irritierende Begründungen | |
| Die Begründungen, warum auf die Module selbst verzichtet wird, sind | |
| vielfältig. In Marzahn-Hellersdorf verweist das Bezirksamt auf | |
| „Lieferengpässe“ und ungeklärte Finanzierungsfragen. Treptow-Köpenick | |
| beruft sich auf einen Passus im Energiewendegesetz, wonach Anlagen auch | |
| erst „ein Jahr nach Bauabnahme“ errichtet werden können. | |
| Reinickendorf interessiert das Gesetz überhaupt nicht, sondern sieht sich | |
| nur an die 2019 von der Bildungsverwaltung veröffentlichten „Vorgaben zur | |
| Errichtung neuer Schulgebäude“ gebunden. Dort gehe es schließlich nur um | |
| „PV-Ready“ und nicht um die Installation einer Anlage. | |
| „Solche Antworten gehen mir nicht in den Kopf“, sagt Linda Vierecke. Sie | |
| habe Verständnis dafür, wenn [3][im Rahmen der Schulbauoffensive bei erst | |
| noch anstehenden Sanierungen] die Installation zeitlich bis zum Start der | |
| Maßnahmen verschoben wird. „Aber wie wenig das Energiewendegesetz ansonsten | |
| umgesetzt wird, das erschreckt mich schon“, so die SPD-Politikerin. | |
| Ähnlich reagiert Daniel Buchholz, Leiter des Kompetenzzentrums | |
| Klimaneutrale Schulen des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen. Er nennt | |
| die Untätigkeit in den Bezirken „ein absolutes Armutszeugnis“. Als | |
| ehemaliger klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus | |
| war er an der Novelle des Gesetzes 2021 „nicht unbeteiligt“, wie er sagt. | |
| „Das Ziel, möglichst alle öffentlichen Dächer mit Solaranlagen zu | |
| bestücken, war ambitioniert, das war auch allen klar“, so Buchholz zur taz. | |
| Aber es wäre machbar gewesen, wenn man es wirklich gewollt hätte. „Da | |
| braucht es den politischen Willen“, sagt der Energieexperte. | |
| ## Es geht auch anders | |
| Immerhin drei Bezirke ragen aus der allgemeinen Lethargie heraus. Sowohl im | |
| CDU-geführten Spandau als auch in den Grünen-dominierten Bezirken | |
| Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf sind ausnahmslos | |
| alle 2023 und 2024 neu errichteten Schul- und Sportgebäude mit einer | |
| Solaranlage ausgestattet. „Das hat weniger etwas mit Parteifarben zu tun, | |
| sondern damit, wie stark sich die zuständigen Stadträte für Facility | |
| Management und Schule wirklich darum kümmern“, sagt Daniel Buchholz. | |
| Im Haus von Wirtschafts- und Energiesenatorin Franziska Giffey übt man sich | |
| trotz der ernüchternden Befunde aus den Bezirken in Zweckoptimismus. „Die | |
| Bezirke bauen den Anteil von Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden | |
| kontinuierlich aus“, heißt es auf die Frage, wie der Senat die Aktivitäten | |
| vor Ort bewertet. | |
| Kleiner Schönheitsfehler: Zu den tatsächlichen Fortschritten beim Ausbau | |
| „fehlen noch valide Daten“. Die Erhebung befinde sich, so die | |
| Senatsverwaltung, „aktuell in Bearbeitung“. | |
| 25 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Rainer Rutz | |
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