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# taz.de -- Semesterticket in Berlin: Studi-Ticket auf dem Abstellgleis
> Nach der Ankündigung des Senats, kommendes Jahr das 29-Euro-Ticket wieder
> einzuführen, schauen Berlins Studierende möglicherweise bald in die
> Röhre.
Bild: Alle wollen mitfahren – aber können es sich bald noch alle leisten?
Berlin taz | Viel deutet darauf hin, dass [1][das solidarische
Semesterticket in Berlin] bald Geschichte sein könnte: Angesichts mehrerer
neuer Angebote für ÖPNV und Regionalverkehr – dem sogenannten
Deutschlandticket für aktuell 49 Euro im Monat, dem voraussichtlich ab Juli
2024 gültigen 29-Euro-Ticket für den Tarifbeeich AB und dem Sozialticket
für 9 Euro – droht das Ticket, das zweimal im Jahr von den
Studierendenschaften mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)
ausgehandelt wird, rechtlich brüchig zu werden. Einige
Studierendenvertretungen haben darum schon für das gerade beginnende
Wintersemester Abschied davon genommen, ab dem Sommersemester 2024 könnte
es die meisten der rund 50 Berliner Hochschulen betreffen.
Dahingehend hatte sich in der vergangenen Woche auch Wissenschaftssenatorin
Ina Czyborra (SPD) gegenüber dem RBB geäußert. In einer gemeinsamen
Mitteilung bezeichneten das nun die Studierendenvertretungen an der Freien
Universität (FU), der Hochschule für Schauspiel Ernst Busch, der
Kunsthochschule Weißensee, der Hochschule für Wirtschaft und Recht und der
Berliner Hochschule für Technik sowie des Referent*innenrats der HU
Berlin als „absolut unverständlich“, sie seien „bestürzt über diese
Aussichten“.
Eine Abschaffung des Semestertickets – das zurzeit rund 388 Euro im Jahr
kostet – würde „hunderttausende Studierende in eine finanzielle Notlage
versetzen“, so die Studierenden. Sie bezeichneten es als „zudem
klimaschädlich, unsolidarisch und verkehrspolitisch unsinnig“ und forderten
darum, dass das Semesterticket erhalten bleibt.
## Nicht mit dem Fahrrad kombinierbar
Insbesondere den Verweis auf das von der SPD kürzlich durchgesetzte
29-Euro-Ticket als kostengünstige Alternative lassen sie nicht gelten: Da
es lediglich den Tarifbereich Berlin AB abdecke, sei es für viele
Studierende „aufgrund der Mietenkrise keine sinnvolle Lösung“. Immer mehr
wohnten im Tarifbereich C, wo sie sich noch eine Wohnung leisten könnten,
und pendelten nach Berlin. Die Kombination mit dem Fahrrad sei keine
Alternative, weil das geplante 29-Euro-Ticket im Gegensatz zum
Semesterticket keine Fahrradmitnahme beinhalte. Ebensowenig lasse sich das
Kostenproblem durch den Verzicht auf ein ÖPNV-Ticket in den Sommermonaten
und den Umstieg aufs Fahrrad lösen: Das 29-Euro-Ticket wird nur im
Jahresabo erhältlich sein.
Die Kritik richtet sich auch dagegen, dass das Semesterticket als
Solidarmodell aufgegeben würde, in das alle einzahlen – „eine zentrale
Errungenschaft der verfassten Studierendenschaften“, so die VertreterInnen.
Sie verweisen auf die Sozialfonds, die die Studierendenschaften betreiben
und über die bei sozialen Härten die Kosten für das Semesterticket
erstattet oder teilerstattet werden können: „Viele Studierende mit geringem
Einkommen sind darauf angewiesen. Diese einzigartige Möglichkeit fiele bei
frei verkäuflichen Tickets weg.“
Mit dem 29-Euro-Ticket hatte die SPD unter Franziska Giffey Wahlkampf
gemacht. Die Partei verhandelte es in die Koalitionsvereinbarung mit der
CDU hinein, im September gelang es dem Senat schließlich, es gegen die
Kritik der Opposition sowie aus Brandenburg beim VBB durchzusetzen. Die
StudierendenvertreterInnen weisen darauf hin, dass dieses Ticket keine
wirkliche Bestandsgarantie hat – es könne ja „auch bloß eine Art
Pilotprojekt der Großen Koalition“ sein.
## „Schwer zu sagen, wie es weitergeht“
Auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Senats am Dienstag unterstrich
die Wissenschaftssenatorin allerdings noch einmal, dass die
Senatsverwaltung beim Semesterticket „nicht drinhängt“. Die Hochschulen
fungierten lediglich als „Inkassounternehmen“, die die von den Studierenden
mit dem VBB vereinbarten Ticketgebühren einzögen. Czyborra betonte, das
solidarische Ticket sein eine „großartige Errungenschaft“ gewesen und immer
noch ein „gutes Modell“. Da sich das Angebot bei den Tickets allerdings
„dynamisch entwickle“, sei es „schwierig zu sagen, wie es weitergeht“.
Trotzdem geht die Kritik der Studierenden vor allem an die Adresse des
Senats: „Die Senatsverwaltung ist so eng in das Semesterticket involviert
und bezuschusst dieses mit 16,50 Euro pro Studi pro Semester, dass der
Politik durchaus bewusst gewesen sein muss, dass mit der Einführung des
29-Euro-Tickets die Existenzberechtigung für das Semesterticket wegfällt“,
sagt Referentin Eske vom Referent*innenrat der HU. „Die
Senatsverwaltung weiß, dass die Existenz des Semestertickets zu großen
Teilen an ihrer Bezuschussung hängt.“
„Hätte die Politik bei ihren Plänen, günstigen ÖPNV in Berlin zu schaffen,
auch an die Studierenden gedacht, wäre eine stärkere Bezuschussung des
Semestertickets die offensichtliche Wahl gewesen“, so Eske zur taz. „Eine
stärkere Bezuschussung des Semestertickets durch die Senatsverwaltung, um
das Semesterticket auf einen Preis von 29 Euro pro Studi abzusenken, ist
eine durchaus realistische Forderung.“
Die Studierendenschaften an den verschiedenen Hochschulen gehen derzeit
noch unterschiedlich mit der Situation um. An der Technischen Universtität
(TU) gibt es schon im aktuellen Wintersemester kein Semesterticket mehr,
weil, wie der ASta auf seiner Website schreibt, „diverse Rechtsgutachten zu
dem Schluss kamen, dass ein Semesterticket mindestens einen Spareffekt von
40 Prozent auf ein vergleichbares Ticket benötigt und die Verkehrsverbünde
keinen Finger gerührt haben, um diese Quote beizubehalten“.
An der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) hingegen gibt es noch ein
Ticket, aber das Studierendenparlament hat den ASta nach dessen Darstellung
damit beauftragt, „den Semesterticketvertrag für das Wintersemester
2023/2024 zum Zeitpunkt der Wiedereinführung des 29-Euro-Berlintickets zu
kündigen“ – aus denselben Gründen der Rechtsunsicherheit, denn schon die
Klage einer einzelnen Person könnte den Vertrag kippen. „Langfristig“ habe
man beschlossen, so der ASta HWR, sich für ein „freiverkäufliches
Semesterticket für 19 Euro im Monat zu den Tarifbedingungen des
Deutschlandtickets sowie die Möglichkeit des Upgrades zur Fahrradmitnahme
für 1 Euro im Monat einzusetzen“.
18 Oct 2023
## LINKS
[1] /Antrag-der-Linksfraktion/!5933475
## AUTOREN
Claudius Prößer
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