| # taz.de -- Rückgabe von kolonialem Raubgut: Reisefreiheit für die Bronzen | |
| > Ein Spitzentreffen deutscher Museen und Kulturpolitiker beschließt | |
| > „substanzielle“ Rückgaben von Benin-Bronzen. Historiker äußert sich | |
| > enttäuscht. | |
| Bild: Raubkunst-Bronzen sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) a… | |
| Berlin taz | Nach einer 60 Jahre währenden Debatte sind Deutschlands Museen | |
| bereit, die geraubten Benin-Bronzen an Nigeria zurückzugeben. Erste | |
| Kunststücke sollen bereits im kommenden Jahr restituiert werden. Das | |
| beschloss am Donnerstagabend eine Gesprächsrunde mit Vertretern jener | |
| Museen, die solche umstrittenen Objekte in ihren Sammlungen haben, sowie | |
| ihrer Träger von Bundesländern oder Kommunen, des Auswärtigen Amtes sowie | |
| der Staatssekretärin für Kultur, Monika Grütters (CDU). „Wir stellen uns | |
| der historischen und moralischen Verantwortung, Deutschlands koloniale | |
| Vergangenheit ans Licht zu holen und aufzuarbeiten“, betonte Grütters, die | |
| zu der digitalen Konferenz eingeladen hatte. „Der Umgang mit den | |
| Benin-Bronzen ist dafür ein Prüfstein.“ | |
| [1][Die Benin-Bronzen] sind ein mehrere tausend Objekte umfassendes | |
| Konvolut aus Reliefs und Skulpturen, die meisten aus Bronze. Die technisch | |
| und künstlerisch anspruchvollen Werke aus dem 16.-19. Jahrhundert sind | |
| Ausweis der westafrikanischen Hochkultur im historischen Königreich Benin | |
| und zugleich Symbol für Zerstörung und Kulturraub im Kolonialismus. 1897 | |
| eroberten, plünderten und zerstörten englische Soldaten die alte | |
| Königsstadt, infolgedessen gelangten tausende Bronzen über Handel und | |
| Kunstauktionen in „westliche“ Museen. | |
| Berlin hat weltweit die zweitgrößte Sammlung mit 505 Objekten, davon rund | |
| 415 aus Bronze. Die größte soll sich im British Museum in London befinden. | |
| Andere deutsche Museen mit größeren Benin-Beständen sind in Hamburg, | |
| Stuttgart, Dresden, Leipzig und Köln. | |
| In einer nach dem Treffen veröffentlichten [2][gemeinsamen Erklärung] heißt | |
| es, „die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekräftigen ihre grundsätzliche | |
| Bereitschaft zu substanziellen Rückgaben von Benin-Bronzen.“ Sie würden | |
| „umfassende Transparenz“ über ihre Bestände herstellen und „zeitnah und | |
| koordiniert“ weitere Gespräche mit Nigeria führen. | |
| ## Umfassende Dokumentation | |
| Grütters kündigte an, dass bis zum 15. Juni kurzfristig eine Aufstellung | |
| aller im Besitz der deutschen Museen befindlichen Benin-Bronzen im Internet | |
| veröffentlicht wird. Die Daten sollen auf der Webseite [3][www.cp3c.de] der | |
| von Bund und Ländern gemeinsam finanzierten „Kontaktstelle für Sammlungsgut | |
| aus kolonialen Kontexten“ zugänglich gemacht werden. Zudem würden die | |
| Museen bis Ende des Jahres die Herkunft dieser Kunstobjekte umfassend | |
| dokumentieren und die Daten dazu ebenfalls auf der Webseite der | |
| Kontaktstelle öffentlich zugänglich machen. | |
| Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Hermann | |
| Parzinger, der für Berlin an dem Treffen teilnahm, sagte am Freitag der | |
| taz: „Es war ein historisches Treffen. Wir haben eine deutschlandweite | |
| Haltung im Umgang mit den Benin-Bronzen erreicht.“ Es werde zu | |
| „substanziellen Rückgaben“ kommen, so Parzinger: „Gleichzeitig war man s… | |
| einig, dass mit der nigerianischen Seite auch besprochen werden soll, wie | |
| Benin-Bronzen als Teil des künstlerischen Erbes der Menschheit auch künftig | |
| in Deutschland gezeigt werden können.“ | |
| Dagegen zeigte sich der Hamburger Historiker und Experte für | |
| Restitutionsfragen, Jürgen Zimmerer, enttäuscht. Der taz sagte er: „Statt | |
| bedingungsloser Verpflichtung zur Rückgabe von Raubkunst, ist nur vage von | |
| einem substantiellen Teil die Rede. Wer bestimmt diesen? Man male sich nur | |
| mal aus, man hätte verkündet, alle Bronzen bis Jahresende zurückzugeben, | |
| und bittet dann das nigerianische Volk darum, einige Bronzen in Deutschland | |
| ausstellen zu dürfen“, sagte Zimmerer. Das wäre „eine totale Verkehrung | |
| kolonialer Herrschafts- und Besitzverhältnisse“ gewesen. Jeden Anschein | |
| eines „Kuhhandels“ hätte man so vermieden. | |
| Zimmerer sagte: „Die Geste wäre grandios, eines wahrhaft dekolonialen | |
| Humboldt Forums mit Weltgeltung würdig.“ So bleibe man aber „bei der | |
| Kabinettspolitik eines Preußenschlosses. Und um die Rettung dieses | |
| preußischen Disneylands geht es im Grunde. Zugestanden wird nur, was man | |
| nicht mehr verweigern kann.“ | |
| [4][Seit der Unabhängigkeit Nigerias] 1960 fordert das Land – wie andere | |
| ehemals kolonisierte Länder – seine Kulturschätze zurück, bislang | |
| vergeblich. Zuletzt war im Zuge der Debatte um das Humboldt Forum erneut | |
| Bewegung in die Sache gekommen. Im rekonstruierten Berliner Schloss sollen | |
| ab September auch Benin-Bronzen zu sehen sein. Diese – zumindest ein Teil | |
| von ihnen – werden wohl bald zurückgehen in ihre Heimat. In Benin-City wird | |
| in Kooperation mit deutschen und europäischen Museen derzeit ein Museum für | |
| die Bronzen gebaut. 2022 sollen erste Gebäude fertig gestellt sein. | |
| Kürzlich hatte es auch in anderen Ländern erste Ankündigungen von Rückgaben | |
| gegeben, etwa von der Universität von Aberdeen in Schottland, dem | |
| Smithonian National Museum of African Art in Washington D.C. sowie der | |
| Anglikanischen Kirche. Vollzogen ist bislang keine. | |
| 30 Apr 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Debatte-um-Benin-Bronzen/!5762936 | |
| [2] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/973862/1902050/38d01f18cd1a3c1… | |
| [3] http://www.cp3c.de | |
| [4] /Debatte-um-Benin-Bronzen/!5764818 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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