# taz.de -- Proteste gegen Putin in der Theaterwelt: „Wir haben wieder versag… | |
> Putins Krieg spaltet die Theaterschaffenden in Russland. Das kann man | |
> einem Kriegstagebuch einer Theaterzeitschrift entnehmen. | |
Bild: Lev Dodin während einer Generalprobe im Mai 2021 | |
Auf der Webseite der Moskauer Theaterzeitschrift Teatr gibt es seit dem | |
Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine ein Kriegstagebuch, das die | |
Reaktionen der russischen Theaterschaffenden darauf dokumentiert. Der | |
Redaktion liegt ein offener Brief des weltbekannten Regisseurs Lev Dodin | |
(in den 90er Jahren gab es umjubelte Gastspiele unter anderem an der | |
Berliner Volksbühne) an Wladimir Putin vor. Dodin ist Jahrgang 1944 und | |
schreibt: „Mir, einem Kind des Großen Vaterländischen Krieges, wäre in | |
meinen schlimmsten Albträumen nicht in den Sinn gekommen, dass russische | |
Raketen auf ukrainische Dörfer und Städte abgefeuert werden.“ | |
Dodin, auch Intendant des Petersburger Maly Theaters, schreibt dem | |
Leningrader Arbeiterkind Wladimir Putin, Jahrgang 1952: „Haben wir nicht | |
alle unsere Kindheit in den Ruinen von Stalingrad, Leningrad und Kiew | |
verbracht …“. Gefühle sind nicht beherrschbar durch Herrscher, informiert | |
er den Mann im Kreml. Über die Kunst aber sollte der Mensch befähigt | |
werden, den fremden Schmerz als den eigenen wahrzunehmen. Keine Idee ist es | |
wert, mit Menschenopfern bezahlt zu werden, das muss nach den schrecklichen | |
Verwerfungen des 20. Jahrhunderts die Botschaft der Kunst sein, schreibt | |
er, um sich dann einzugestehen: „Wir haben wieder versagt.“ | |
Inzwischen sind fünf TheaterleiterInnen staatlicher Häuser von ihren Posten | |
zurückgetreten aus Protest gegen Putin. Die Moskauer Kulturverwaltung legt | |
daraufhin zwei Theater zusammen. Auch verschiedene Festival-Leitungen und | |
Künstlerverbände haben sich gegen den Krieg positioniert. Studierende und | |
Lehrende der russischen Universitäten haben eine Petition ins Netz | |
gestellt, die unterzeichnet werden kann. | |
Grigorij Saslawskij, der Leiter der angesehenen Moskauer Theaterhochschule | |
Gitis, aber hat eine Deklaration unterschrieben, die sich für die | |
Anerkennung der Separatistengebiete ausspricht. Darauf hin tritt die | |
Theaterkritikerin Aljona Karas als Professorin für russische | |
Theatergeschichte zurück. | |
## Strafen folgen den Protesten | |
In Moskau findet – wie geplant – das renommierte Theaterfestival „Goldene | |
Maske“ statt. Auf der Bühne des Moskauer Taganka-Theaters, Gastgeber des | |
Festivals, steht am Abend des 27. Februar der Regisseur Maxim Isajew und | |
fordert Wladimir Putin zur Beendigung des Krieges auf. Daraufhin wurde die | |
zweite Aufführung durch das gastgebende Theater abgesagt. | |
Ähnlich erging es dem Dirigenten Iwan Welikanow, der von seinem Dirigat im | |
Rahmen des Festivals entbunden wurde, nachdem er gegen den Krieg Position | |
bezogen hat. Und der Regisseur Jurij Schechwatow ist in Twer, einer | |
mittelgroßen Stadt 80 Kilometer westlich von Moskau, wegen Störung der | |
öffentlichen Ordnung zu 30 Tagen Arrest verurteilt worden. Das | |
Teatr-Tagebuch veröffentlicht das Beweis-Foto seines Verbrechens: Er steht | |
vor einem Laden und hält ein DIN-A4-Blatt mit der Aufschrift „Nein zum | |
Krieg“ vor seiner Brust. | |
5 Mar 2022 | |
## AUTOREN | |
Katja Kollmann | |
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