| # taz.de -- Prekäre Lebenslage von Künstler*innen: Überleben ist auch Kunst | |
| > Für die meisten bildenden KünstlerInnen ist ihre Arbeit ein | |
| > Zuschussgeschäft, ergibt eine Studie. Besonders prekär ist die Lage für | |
| > Frauen. | |
| Bild: Die Kunst bleibt, dem Künstler bleibt die Armut: Ausstellung auf dem Gal… | |
| Die wirtschaftliche Lage von bildenden Künstler*innen in Berlin ist prekär. | |
| Für Kenner*innen der Szene ist das nichts Neues. Doch jetzt hat man es | |
| endlich Schwarz auf Weiß. Die Studie des Instituts für Strategieentwicklung | |
| (IFSE), die Mitte der Woche in Kooperation mit dem Berufsverband bildender | |
| Künstler*innen (bbk) veröffentlicht wurde, liefert besorgniserregende | |
| Zahlen. Männer verdienen danach im Durchschnitt knapp 11.600 Euro brutto im | |
| Jahr, Frauen erhalten gerade mal 8.300 Euro für ihre Arbeit. „Der | |
| sogenannte Gender Pay Gap liegt in der Berliner Kunstwelt bei 28 Prozent“, | |
| heißt es dazu von der IFSE. | |
| Ein Großteil aller Künstler*innen könne also nicht von ihrer Kunst leben, | |
| betonte der Leiter der Studie, Hergen Wöbken, „Kunst ist für viele ein | |
| Zuschussgeschäft“. Besonders im Hinblick auf die Rente hätte ihn die | |
| Situation schockiert, sagte er: „Die Kunstszene steuert zu 90 Prozent in | |
| die Altersarmut.“ Damit sprach er aus, was Künstler*innen schon lange | |
| befürchtet – und einige von ihnen auch bereits erlebt haben. | |
| An der Erhebung haben 1.745 von geschätzt rund 8.000 bildenden | |
| Kunstschaffenden in Berlin teilgenommen. Die Studie sei eine | |
| „Herkulesaufgabe“ gewesen, sagte Cornelia Renz, Sprecherin des bkk, bei | |
| deren Vorstellung. Ein Fokus lag auf der geschlechtsspezifisch | |
| ungleichmäßigen Bezahlung und Behandlung der Künstler und Künstlerinnen. | |
| Denn Frauen seien diejenigen, die unter der ohnehin schon prekären | |
| Situation besonders zu leiden hätten. „Es geht dann um die Frage: Kind oder | |
| Karriere? Und beides ist oft nicht unter einen Hut zu bringen“, sagte | |
| Hergen Wöbken. „Frauen müssen entsprechend ausreichend entlohnt werden, | |
| damit Männer und Frauen zusammen die Familienplanung durchführen können“, | |
| forderte auch Cornelia Renz. | |
| Doch nicht nur beim Gehalt gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. | |
| Auch in Ausstellungen würden Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen | |
| benachteiligt, so ein Ergebnis der Untersuchung. Die Anzahl von | |
| Einzelausstellungen sei bei Männern um 22 Prozent höher als bei Frauen – | |
| obwohl es mehr bildende Künstlerinnen als bildende Künstler gibt. Die | |
| Studie positioniert sich dazu klar: Die Kunst müsse diesem | |
| gesellschaftlichen Missstand entgegenwirken anstatt ihn zu reproduzieren. | |
| Auf die ungleiche Machtverteilung geht die Studie auch in Punkto #MeToo | |
| ein. „Für mich war es absolut erschreckend, welche Normalität der | |
| Missbrauch von Machtstrukturen hat“, sagte Wöbken, als er die | |
| entsprechenden Ergebnisse vorstellte. 31 Prozent der Künstlerinnen (und | |
| neun Prozent der Männer) hätten Erfahrung mit sexuell orientiertem | |
| Machtmissbrauch; in drei Fällen werde explizit von einer Vergewaltigung | |
| gesprochen. Die Übergriffe gingen zu 95 Prozent von Männern aus. | |
| Dieses Thema möchte auch Gabriele Kämper, Leiterin der Geschäftsstelle | |
| Gleichstellung des Berliner Senats, mehr in den Fokus rücken: „Um Frauen in | |
| allen Bereichen der Gesellschaft eine angemessene Rolle zu ermöglichen, | |
| müssen die Gewaltstrukturen benannt und aufgehoben werden.“ | |
| ## Ein Gefühl wird Gewissheit | |
| Nach all den Erkenntnissen stellt sich jetzt die Frage, was damit | |
| anzufangen ist. Eine Zuschauerin merkte an, dass Künstler*innen endlich auf | |
| etwas zurückgreifen könnten, was bisher nur ein Gefühl gewesen wäre. Doch | |
| was sind die politischen Forderungen? | |
| Hergen Wöbken hat da zumindest einen Vorschlag: „Wie wäre es, wenn | |
| Kulturpolitik, Freie Szene und andere Akteure sich zusammensetzen und | |
| längerfristige Entwürfe gemeinsam besprechen?“ Einen sogenannten | |
| Kunstentwicklungsplan gäbe es in New York bereits, daran könne man sich | |
| orientieren. Eine Aufforderung in Richtung Berliner Kulturpolitik – die | |
| jetzt an der Reihe ist, entsprechend der Faktenlage zu handeln. | |
| 26 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Mirjam Ratmann | |
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