| # taz.de -- Mentoren zum Karriereanschub: Die Kunst im Gespräch | |
| > Das Berlin Program for Artists unterstützt junge Künstler beim Übergang | |
| > von der Akademie in die Professionalisierung. | |
| Bild: Haben das Programm gestartet: die Künstler Angela Bulloch, Willem de Roo… | |
| „In Berlin, Artists Find a Home“. So titelte die New York Times im | |
| vergangenen April einen Artikel, in dem erfolgreiche Künstler wie Trevor | |
| Paglen und Sean Scully erzählen, was sie in Berlin suchten und fanden: | |
| Platz zum Arbeiten wie zum Wohnen, kreativen Geist und eine Gemeinschaft | |
| von Künstler*innen. | |
| Wenn Berlin aus der Ferne zum Sehnsuchtsort für Kunstschaffende | |
| hochstilisiert wird, klingt das fast paradiesisch. Dabei ist der Tenor vor | |
| Ort längst ein anderer, auch wenn es fraglos diese Momente gibt, an denen | |
| sich der alte Mythos ziemlich wahr anfühlt. Kürzlich etwa, als an einem | |
| Freitagabend eine Gruppe junger und jung gebliebener Leute zum Dinner im | |
| Kunstraum Fragile zusammensaß. Die Kunst-Pop-up-Bar Babes Bar hatte den | |
| Abend organisiert. Vier Gänge zum Thema „Verbotene Frucht“. Auf den | |
| Servietten standen Zeilen der Schriftstellerin Inger Wold Lund, zwischen | |
| den Gängen trugen weitere Autor*innen ihre Texte vor. Von Schuld und Scham | |
| erzählten diese, was weitaus vergnüglicher war als es sich anhören mag, | |
| auch wegen der vielen Begegnungen und Wiedersehen. Darum geht es ja sowieso | |
| immer auch, wenn die Kunstszene zusammenkommt: um den direkten Austausch | |
| untereinander, aus dem sich womöglich etwas ergeben kann, ein gutes | |
| Gespräch oder ein gemeinsames Projekt. | |
| Künstler*in sein kann ein einsamer Beruf sein. Und ein beschwerlicher, erst | |
| recht, seitdem die Mieten überall in der Stadt in die Höhe schießen. Mieten | |
| für Wohnungen, Mieten für Ateliers. Der Berufsverband Berliner | |
| Künstler*innen spricht von einem Ateliernotstand; am selben Tag, an dem die | |
| New York Times die Künstlerstadt Berlin in den Himmel hob, veröffentlichte | |
| das Institut für Strategieentwicklung die Ergebnisse einer Studie über die | |
| Situation von Künstler*innen in Berlin. Die Zahlen, die dabei zu Tage | |
| traten, sind wenig überraschend und umso besorgniserregender. Nur jede*r | |
| zehnte Künstler*in könne demnach von der eigenen Kunst leben, 90 Prozent | |
| steuerten auf Altersarmut zu und für Frauen sei die Lage noch um einiges | |
| prekärer. Paradiesisch sind die Zustände für Künstler*innen in Berlin – | |
| falls sie das je waren – längst nicht mehr. | |
| ## Zustrom der Talente | |
| Davon unberührt erscheint der Zustrom junger Talente, die es spätestens | |
| nach Abschluss des Kunststudiums nach Berlin zieht – und die nach | |
| Orientierung suchen. „Viele junge Künstler*innen merken erst vor Ort, wie | |
| schwierig es sein kann, sich zurechtzufinden “, sagt Simon Denny. | |
| Denny ist selbst Künstler, einer der erfolgreichen. Gemeinsam mit seinen | |
| Kolleg*innen Angela Bulloch und Willem de Rooij hat er vor drei Jahren ein | |
| Förderprogramm gestartet, das genau in jener Phase ansetzt, die für die | |
| weitere Karriere so entscheidend sein kann. „Berlin Program for Artists“ | |
| (BPA) nennt es sich. Denny erzählt davon drei Tage nach jenem Abendessen im | |
| erwähnten Kunstraum Fragile. Am kommenden Montag wird unter anderem dort | |
| die Abschlussausstellung des 2018er-Jahrgangs des BPA eröffnen, deshalb | |
| haben Bulloch, Denny und de Rooij diesen Treffpunkt vorgeschlagen. „Wir | |
| haben eine Lücke gesehen, die Akademien und etablierte Residenzprogramme | |
| nicht füllen können, und wollten Leuten, die gerade erst zugezogen sind, | |
| den Start erleichtern“, so Denny. | |
| Die drei wissen, wovon sie sprechen, auch sie sind Wahlberliner*innen. | |
| Denny, der aus Neuseeland stammt, kam vor zehn Jahren nach Berlin, nachdem | |
| er sein Studium an der Städelschule in Frankfurt abgeschlossen hatte. De | |
| Rooij führte 2006 ein DAAD-Stipendium von den Niederlanden nach Berlin. Er | |
| blieb, wie so viele. Bulloch, die Britin, zog schon 1999 her. Es ergab sich | |
| so, ihre Berliner Galerie, Esther Schipper, hatte sie damals bereits, die | |
| Stadt gefiel ihr, einen günstigen Arbeitsraum fand sie schnell. | |
| ## Zehn werden im Jahr vernetzt | |
| Das BPA ist ein Mentoringprogramm. Es vernetzt pro Jahr zehn | |
| Nachwuchskünstler*innen mit bereits etablierten. Außerdem bekommen die | |
| Teilnehmer*innen einen Zuschuss zu Produktionskosten, nach dem Jahr wird | |
| eine Gruppenausstellung organisiert. Bis 2019 wurde das BPA von der | |
| Kulturstiftung des Bundes gefördert. Das läuft nun aus. Bulloch, Denny und | |
| de Rooij müssen neue Gelder beschaffen. | |
| In Berlin füllt das Programm tatsächlich eine Lücke. Es gibt natürlich die | |
| Career Center der beiden Kunsthochschulen, für Künstlerinnen außerdem seit | |
| 1989 das Goldrausch Künstlerinnenprojekt, in dem jedes Jahr 15 | |
| Künstlerinnen teilnehmen. Den Fokus auf den Dialog zwischen Künstler*innen | |
| hat nur das BPA. Gerade der sei aber entscheidend, glauben die drei: „An | |
| der Kunsthochschule arbeiten Studierende in der Regel jahrelang nur mit | |
| einem Professor oder einer Professorin. Im BPA hören die Teilnehmer*innen | |
| in einem Jahr von mindestens 18 sehr unterschiedlichen Menschen, was diese | |
| von ihrer Arbeit denken,“ sagt de Rooij. | |
| Alle zwei Wochen treffen sich während des BPA-Jahres je ein Mentee und | |
| ein*e Mentor*in im Atelier des Mentees unter vier Augen. Abends folgt ein | |
| Gruppentreffen bei einem der Mentor*innen. „Wir haben keine Räume für das | |
| BPA, wir benutzen die Räume von uns allen. Wir teilen das, was jeder hat“, | |
| sagt Bulloch. Das ist Teil der Idee, es geht im BPA schließlich darum, in | |
| der Realsituation klarzukommen – im Unterschied etwa zu den zahlreichen | |
| Künstlerresidenzen, die es auch in Berlin gibt – mit den realen | |
| Gegebenheiten und Widrigkeiten, denen sich jeder auf andere Weise stellt. | |
| „Unsere Meinung nach ist es sinnvoller, mit Künstler*innen zu arbeiten, die | |
| bereits hier leben, diese zu unterstützen und die Infrastruktur, die es | |
| bereits gibt, zu erweitern, als junge Künstler*innen für eine bestimmte | |
| Zeit an einen bestimmten Ort mit perfekten Konditionen zu bringen, den sie | |
| danach wieder verlassen müssen“, ergänzt Denny. Klar, die schönste | |
| Künstlerresidenz nutzt auf lange Sicht wenig, wenn man hinterher wieder in | |
| der Heimatstadt ohne Atelier und Netzwerk dasteht. | |
| ## Der Kreis der Alumni | |
| Ein Netzwerk stellt inzwischen auch der Kreis der Alumni dar. Darunter | |
| finden sich einige, die sich mittlerweile recht erfolgreich behaupten, | |
| Richard Frater etwa, Teilnehmer des Pilotjahrgangs, stellt momentan in der | |
| Galerie Barbara Weiss aus. Die Abschlussausstellung, die jeweils ein paar | |
| Monate nach Ende des Programms stattfindet, kann ein erster Schritt dahin | |
| sein. | |
| Im vergangenen Jahr noch war diese in Wolfgang Tillmans Projektraum Between | |
| Bridges zu sehen. Dieser plant nun den Raum in eine Stiftung umzuwandeln, | |
| und ohnehin ist Between Bridges derzeit mit einer anderen Schau belegt. Die | |
| drei neuen Räume, Fragile, Beach Office und Italic, die sich allesamt an | |
| der Leipziger Straße befinden, passen vielleicht sogar noch ein bisschen | |
| besser, nicht nur weil in drei Räumen mehr Platz ist, die insgesamt neun | |
| Positionen zu präsentieren, sondern weil sie sich alle besonders junger | |
| Kunst verpflichtet fühlen. | |
| Fragile, der Raum, den Maurin Dietrich, die auch die BPA-Ausstellung | |
| kuratiert, gemeinsam mit dem Künstler Jonas Wendelin direkt neben einer | |
| Reihe Ateliers erst Ende Januar eröffnete, hat es sich primär zur Aufgabe | |
| gemacht, jungen Künstler*innen ein Podium zu geben, die zum ersten Mal eine | |
| Einzelausstellung haben. Auch die anderen beiden Orte sind so speziell wie | |
| man es sich nur wünschen könnte: Beach Office befindet sich im Tresorraum | |
| einer ehemaligen Bank, Italic, die Galerie des gleichnamigen Musiklabels, | |
| in einem schmalen gefliesten Schaufensterraum. Alles in Laufnähe, alles | |
| keine teuren Orte. Das Netzwerk wirkt, auch hier. | |
| Bleibt zu hoffen, dass das auch für das BPA zutrifft und es mit neuer | |
| Förderung im kommenden Jahr wie geplant weitergehen kann. Der Kunst und den | |
| Künstler*innen und Berlin wäre es zu wünschen. | |
| Ausstellung 25. Februar bis 11. März, Info: | |
| [1][berlinprogramforartists.org] | |
| 24 Feb 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://berlinprogramforartists.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
| ## TAGS | |
| Projekträume Berlin | |
| Förderprogramm | |
| Bildende Künstler | |
| Berliner KünstlerInnen | |
| Bildende Künstler | |
| Bildende Künstler | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Weiterbildungsprojekt für Künstlerinnen: Weltumspannende Gedanken | |
| Das Weiterbildungsprojekt Goldrausch feiert 30-jähriges Bestehen. Im | |
| November kann man Gesprächen mit den Künstlerinnen online folgen. | |
| Der Sänger der Pop-Band Talk Talk ist tot: Graue Jahre, schwarze Tage | |
| Die Platten seiner Band Talk Talk sind Schätze, die sich immer wieder heben | |
| lassen. Nun ist Mark Hollis, Sänger der britischen Pop-Band, gestorben. | |
| Künstler*innen in Berlin: „Es gibt einen Ateliernotstand“ | |
| Der Berliner Atelierbeauftragte Martin Schwegmann über steigende Mieten für | |
| Ateliers in Berlin, die Langsamkeit der Bürokratie beim Geldausgeben und | |
| sich politisierende KünstlerInnen. | |
| Prekäre Lebenslage von Künstler*innen: Überleben ist auch Kunst | |
| Für die meisten bildenden KünstlerInnen ist ihre Arbeit ein | |
| Zuschussgeschäft, ergibt eine Studie. Besonders prekär ist die Lage für | |
| Frauen. |