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# taz.de -- Künstler*innen in Berlin: „Es gibt einen Ateliernotstand“
> Der Berliner Atelierbeauftragte Martin Schwegmann über steigende Mieten
> für Ateliers in Berlin, die Langsamkeit der Bürokratie beim Geldausgeben
> und sich politisierende KünstlerInnen.
Bild: Kein Atelier? Draußen malen ist nur bedingt eine Alternative
taz: Herr Schwegmann, Sie sind jetzt seit einem Jahr Berlins
Atelierbeauftragter. Wie geht es den Berliner KünstlerInnen?
Martin Schwegmann: Es ist gibt einen Ateliernotstand. Die Preise entwickeln
sich nicht nur beim Wohnraum dramatisch, sondern auch bei Gewerbeflächen,
gerade in der Innenstadt. Im Gegensatz dazu ist aber das Einkommen der
Künstlerinnen und Künstler nicht gestiegen. Laut einer aktuellen Studie des
Instituts für Strategieentwicklung mit dem Berufsverband Bildender Künstler
Berlin steuern 90 Prozent der bildenden Künstlerinnen und Künstler in
Berlin auf die Altersarmut zu.
Was unternehmen Sie?
Zusammen mit Bezirken, Senatsverwaltungen, Genossenschaften und anderen
Bauträgern versuchen wir unter Hochdruck, Flächen zu entwickeln, anzumieten
und auch neu zu bauen. Die Senatsverwaltung für Kultur möchte das in erster
Linie mit landeseigenen Liegenschaften machen, was ich natürlich
unterstütze. Es ist ja sinnvoll, wenn man langfristig öffentliches Geld in
landeseigene Liegenschaften investiert. Zwar hat das Abgeordnetenhaus
Millionen für ein sogenanntes Arbeitsraumprogramm zur Verfügung gestellt,
aber die Kulturverwaltung schafft es nicht, diese Mittel schnell
einzusetzen. Aktuell ist dieses Programm gegen den wachsenden
Ateliernotstand deshalb faktisch nahezu wirkungslos. Bis Ende 2019 ist
maximal mit 100 neuen Ateliers im Rahmen des Programms zu rechnen, wobei
jährlich mindestens 350 bezahlbare Ateliers in der Stadt wegfallen, Tendenz
steigend.
Das man sich jetzt um Liegenschaften kümmert, kommt reichlich spät, nicht?
Es ist noch nicht alles weg, aber die Liegenschaften, die noch da sind,
sind tatsächlich gefangen in relativ langwierigen bürokratischen Prozessen.
Da ist oft von drei bis fünf Jahren die Rede. Das ist natürlich viel zu
langsam.
Im Atelierhaus in der Prenzlauer Promenade soll es schneller gehen.
Das stimmt. Dort können schon innerhalb von ein bis zwei Jahren Räume für
verschiedene Kunstsparten in beachtlichen Größenordnungen entstehen. Auch
handeln wir gerade eine Rahmenvereinbarung aus, wie die etwa 50 bereits
dort ansässigen Künstler langfristig gesichert werden können. Das ist ein
Erfolg …
… aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Das Hauptproblem ist, dass in dieser Stadt Wohnraum gegen Arbeitsräume
ausgespielt wird. Das ist ein Konflikt, den man nicht grundsätzlich lösen
kann. Man kann nur gucken, wo man welche Prioritäten setzt. Ich weise oft
darauf hin, dass es keinen Sinn hat, mit relativ wenigen Wohnungen ganz
viel Gewerbe kaputtzumachen. In Pankow basierten in den letzten Jahren 50
Prozent aller Bauanträge auf der Umwidmung von Gewerbe zu Wohnen.
Sie bieten vom Berufsverband Bildender Künstler vom Land subventionierte,
also preisgünstige Ateliers an.
Ja, allerdings suchen derzeit knapp die Hälfte der in Berlin lebenden
bildenden Künstler und Künstlerinnen in Berlin neue Atelierräume. Die
Atelierförderung verfügt aber nur über knapp 1.000 geförderte Ateliers.
Derzeit dürfen die Glücklichen, die einen Raum ergattert haben, acht Jahre
in den geförderten Ateliers bleiben.
Auch das ist ein Problem. Denn nach acht Jahren hat sich eine Künstlerin
oder ein Künstler nicht zwangsläufig etabliert. Auch bedeutet es nicht,
dass es sich auf das Einkommen niederschlägt, wenn man sich etabliert hat.
Gerade für Ältere ist es umso wichtiger, Sicherheiten zu haben und nicht
noch 27 Mal umziehen zu müssen. Da muss dringend eine Infrastruktur her, wo
Künstler langfristig klarkommen können.
Was kann man denn in einem Fall wie den Uferhallen noch ausrichten, die
kürzlich verkauft wurden?
Die neuen Besitzer behaupten, dass dort ein verträgliches Konzept behutsam
umgesetzt und keiner vertrieben werden soll. Es wurde guter Wille
signalisiert. Aber das sind bislang nur Lippenbekenntnisse. Wie das genau
funktionieren soll, weiß noch keiner genau.
Was tun Sie?
Ich biete immer wieder an, als Vermittler aufzutreten. Dass man eine
Querfinanzierung organisiert bekommt. Wenn man 27 Millionen für einen
Standort bezahlt hat, dann hat man auch eine gewisse Renditeerwartung, die
befriedigt werden muss. Allerdings wurde mir übermittelt, dass für den Kauf
der Uferhallen keine Kredite aufgenommen wurden, sodass der Zeitdruck nicht
so groß sein dürfte wie in anderen Fällen.
Es gibt ein Tool, das der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner
erfunden hat. Das soll ermöglichen, dass Berlin Bürgschaften für
KünstlerInnen übernimmt, die ihre Atelierhäuser kaufen wollen.
Das Tool ist in der Prüfung. Es wurde bisher noch nie angewandt. Aber es
ist spannend, genauso wie andere wenig erprobte Tools in Berlin: vom
Erbbaurecht bis zum Konzeptverfahren. Seit letztem Jahr gibt es die erste
Atelierhausgenossenschaft in Charlottenburg. Die haben sich ihr Haus
einfach auf dem freien Markt gekauft …
… was man sich erst einmal leisten können muss.
Das stimmt. Die wenigsten können 20.000 Euro für eine Einlage bei einer
Genossenschaft auf den Tisch legen.
Manchmal müssen Künstler auch eigenbrötlerisch bleiben dürfen.
Natürlich! Aber ich beobachte schon, dass sich Berlins KünstlerInnen
zunehmend professionalisieren und politisieren – und sich immer mehr
verbünden.
Mehr über den Ateliermangel in der Hauptstadt lesen Sie in der gedruckten
taz.berlin am Wochenende.
19 May 2018
## AUTOREN
Susanne Messmer
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Bildende Künstler
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