# taz.de -- Ateliernot in Berlin: Kunst im Verdrängungsprozess | |
> Im Atelierhaus in der Treptower Mörikestraße fürchten die Künstler | |
> Verdrängung: Der Besitzer will das Haus neu gestalten. | |
Bild: Der Künstler Lorcan O'Byrne in seinem Atelier | |
Vier Künstler sitzen in der Teeküche mit Terrassentür zum Hinterhof im | |
Atelierhaus in der Treptower Mörikestraße und sind durchaus besorgt. „Er | |
hat uns gesagt, wir könnten uns auf eine Warteliste eintragen lassen, aber | |
das könnten wir ja überall“, sagt Lydia Paasche, die hier ein Atelier hat. | |
„Er meinte, er meldet sich im Frühjahr 2021, wenn er mehr weiß“, fügt der | |
Fotograf Burkhard Peter an. | |
Gemeint ist der Münchner Architekt Peter Ottmann, dem das 2.000 | |
Quadratmeter große, zweigeschossige Gebäude, das mal eine Berufsschule war, | |
seit 2011 gehört. Seit 2013 vermietet er es laut eigener Aussage für | |
durchschnittlich 5,40 Euro kalt pro Quadratmeter an Künstler. Er möchte das | |
Haus abreißen lassen – oder mindestens aufstocken. Es sollen Wohnungen und | |
eine Kita entstehen, aber auch neue Ateliers. Allen 35 Künstlern, die | |
derzeit hier arbeiten, hat er vergangenen Herbst gekündigt, sie müssen zum | |
1. September 2019 raus. | |
Damit würde wahrscheinlich wieder bezahlbarer Raum für Künstler in der | |
attraktiven Kunststadt Berlin verschwinden, in der geschätzt 8.000 | |
KünstlerInnen leben, in die jährlich Hunderte neue KünstlerInnen aus aller | |
Welt strömen, wo aber auch jährlich 350 Ateliers verlorengehen. Tendenz | |
steigend. Die Stadt bräuchte bis 2020 mindestens 2.000 neue Ateliers, um | |
nur einem Drittel der Künstler einen Arbeitsraum zur Verfügung stellen zu | |
können. | |
Es sind schöne Ateliers, in denen Lydia Paasche an ihren Gipsskulpturen und | |
Bildern arbeitet, der Fotograf Burkhard Peter sein analoges Archiv | |
auswerten und der Maler Lorcan O’Byrne seine großen Ölbilder lagern und | |
auch hängen kann: So, dass er mal einen Schritt zurückzutreten oder zwei | |
Bilder nebeneinander zu vergleichen in der Lage ist. Seine Bilder, so | |
O’Byrne, seien in letzter Zeit immer einfacher geworden, seit zwei Jahren | |
malt er vor allem „Bubbles“, wie er sagt, zarte, lichtdurchflutete Blasen, | |
mal nebeneinander, mal ineinander übergehend. | |
## Zunehmend kleinformatig | |
Wenn einer wie O’Byrne sich nur noch ein kleineres Atelier mit weniger | |
Tageslicht leisten könnte, was würde das mit seinen Arbeiten anstellen? „In | |
New York entsteht zunehmend kleinformatige Kunst“, lächelt er auf eine Art, | |
die gleichermaßen belustigt wirkt wie besorgt. | |
Das Besondere am Atelierhaus in der Mörikestraße ist, dass Besitzer Peter | |
Ottmann ein Buch geschrieben hat, in dem es um Bauen mit Künstlern geht und | |
in dessen Selbstbeschreibung es heißt, er sei bestrebt, die Künstler | |
möglichst vom Beginn der Planung in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. | |
Auch wenn die Abgeordnete Katalin Gennburg, im Berliner Abgeordnetenhaus | |
für die Linken, gesagt hat, dass sie die Aufwertung als klaren Fall von | |
Gentrifizierung bewertet: Ottmann will hier ein gemischt genutztes Projekt | |
mit Mietwohnungen, einer Kita und nachhaltigen Ateliers realisieren. | |
Am Telefon sagt der Architekt der taz, das Haus sei „in einem | |
beklagenswerten Zustand“, man habe letzten Herbst beispielsweise nur noch | |
mit Mühe die Heizung anbekommen. Und: „Mir ist völlig bewusst, dass die | |
Bauzeit, bis die neuen Ateliers geschaffen sind, für die Künstler einen | |
gravierenden Einschnitt darstellt.“ Berlin habe allgemein ein ernstes | |
Problem mit der Atelierraumversorgung. Ottmann betont, er werde sich | |
bemühen, die Mieten für die neuen Ateliers durch günstiges und | |
energieeffizientes Bauen so niedrig wie möglich zu halten. | |
Für die Ernsthaftigkeit von Ottmanns Bemühen spricht, dass im Herbst noch | |
von einem Abriss des Hauses die Rede war und er Ende Februar einen Brief an | |
die Künstler geschrieben hat (der der taz vorliegt), in dem Untersuchungen | |
angekündigt sind im Hinblick auf die „alternative Planung mit einer | |
Aufstockung auf das Bestandsgebäude, die durch neue statische Erkenntnisse | |
als nun doch möglich erscheint“. So könne die Kostenstruktur der Mieten | |
gegenüber einer kompletten Neubebauung verbessert werden. | |
## Knackpunkt Miethöhe | |
Für Ottmann spricht auch, dass er die Einladung von Berlins | |
Atelierbeauftragtem Martin Schwegmann zu einem Gespräch mit den ansässigen | |
KünstlerInnen angenommen hat, das am 22. März stattfinden wird. „Herr | |
Schwegmann hat angedeutet, dass er bei der Suche nach Ausweichstandorten | |
für die Dauer der Bauarbeiten behilflich sein könnte“, so Ottmann. | |
Und was sagen dazu die Künstler? „Ich finde es schon toll, dass Herr | |
Ottmann so gar nichts zur Suche nach Ausweichstandorten beitragen kann“, so | |
Lydia Paasche. Der Knackpunkt bleibe aber vor allem die Miete, die Ottmann | |
für die Ateliers, die hier entstehen sollen, verlangen wird. „Die Mieten | |
sollen in einem für Ateliers adäquaten Rahmen bleiben“, sagt Ottmann selbst | |
und lässt durchblicken, dass er auch auf Subventionierung durch die Stadt | |
hofft. | |
Tatsächlich verfügt das Berliner Atelierprogramm vom Berufsverband | |
Bildender Künstler und dem Berliner Senat zurzeit über 870 geförderte, | |
mietpreis- und belegungsgebundene Ateliers und Atelierwohnungen. „Wir sind | |
neugierig auf das Gespräch“, sagen die Künstler. „Mal sehen, was ein | |
Architekt aus München unter einer Ateliermiete versteht, die im Rahmen | |
ist.“ | |
Ach, übrigens: Wer sich selbst ein Bild von der Arbeit machen will, die in | |
der Mörikestraße entsteht, der kann am Samstag eine Gruppenausstellung | |
besuchen. Derzeit hängen überall goldene Rettungsfolien aus den Fenstern | |
und rascheln im Wind, man kann das Haus also nicht verfehlen. „Kunst ist | |
Gold wert“, wollen die Künstler damit sagen. | |
Ausstellung in der Treptower Mörikestraße 4–12, Samstag, 9. März, 18–22 … | |
7 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
## TAGS | |
Gentrifizierung | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Kunst Berlin | |
Bildende Künstler | |
DDR | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gentrifizierung in Berlin: Flacher wohnen, enger arbeiten | |
Maximilian Klinge macht seit Jahrzehnten Kunst in Kreuzberg. Doch nun soll | |
er raus aus seinem Atelier. Die Besitzerin will ihn verdrängen. | |
Demo-Vorbereitungen in Berlin: Mieter gehen auf die Straße | |
Am Samstag finden bundesweit Demonstrationen gegen steigende Mieten statt. | |
In Berlin unterstützen über 260 Initiativen den Demo-Aufruf. | |
Zwischennutzung in Berlin-Kreuzberg: Wenn sich Investoren anrobben | |
Bevor er dort neu baut, lässt ein Investor das ehemalige Gelände von Robben | |
& Wientjes als Kunstraum nutzen. Doch die Zwischennutzung stößt auf Kritik. | |
Künstler*innen in Berlin: „Es gibt einen Ateliernotstand“ | |
Der Berliner Atelierbeauftragte Martin Schwegmann über steigende Mieten für | |
Ateliers in Berlin, die Langsamkeit der Bürokratie beim Geldausgeben und | |
sich politisierende KünstlerInnen. | |
Strukturwandel in Ostdeutschland: Auferstehung mit Ruinen | |
In Zeitz, der Stadt des Maschinenbaus, der Kinderwagen und Klaviere, hat | |
die Deindustrialisierung gewütet. Doch es gibt erste Zeichen der Erholung. |