| # taz.de -- Nach dem Urteil im Syrien-Folterprozess: Die Täter sind noch an de… | |
| > Es war mutig, den Koblenzer Folterprozess zu führen – anderswo ist das | |
| > keineswegs selbstverständlich. Doch wo bleiben die politischen | |
| > Konsequenzen? | |
| Bild: Der wahre Täter: Baschar al-Assad, verantwortlich für die Gräueltaten … | |
| Die Verurteilung des syrischen Geheimdienstoffiziers Anwar R. im Koblenzer | |
| Folterprozess war unumgänglich. Syrien ist ein [1][Folterstaat]. Umso | |
| deutlicher wird damit auch, wie wichtig und mutig es war, diesen Prozess zu | |
| führen. Der Schuldspruch war zu erwarten – und ist dennoch historisch. | |
| Das Gericht wertete vor einem Jahr die Staatsfolter in Syrien als | |
| „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und sprach von einem „systematischen | |
| Angriff auf die Bevölkerung“. Nun hat es den Hauptangeklagten entsprechend | |
| verurteilt. | |
| Zugleich ist es beschämend, dass es bis zum Jahr 2022 dauert, die | |
| internationale Straffreiheit für Syriens staatlichen Mordapparat zu | |
| brechen. Das Urteil fällt fast auf den Tag genau zehn Jahre, nachdem ein | |
| algerischer Gesandter der Arabischen Liga Syriens Regime „eine Serie von | |
| Verbrechen gegen sein Volk“ zum Vorwurf machte. | |
| Damals, im Januar 2012, demonstrierten jeden Freitag Zehntausende immer | |
| noch friedlich gegen Assad, und Armeedeserteure begannen gerade damit, | |
| „befreite Zonen“ einzurichten, die Keimzellen des späteren Bürgerkriegs. | |
| Über das Vorgehen des Staats berichtete der Algerier damals: „Überall sind | |
| Scharfschützen, die auf Zivilisten schießen. Menschen werden gekidnappt. | |
| Gefangene werden gefoltert, und niemand kommt frei.“ Seitdem sind | |
| Hunderttausende getötet worden, Millionen geflohen, Syrien ist zerstört – | |
| und dennoch regt sich weltweit kaum ein Finger gegen die in Damaskus | |
| herrschenden Mörder. | |
| All das verleiht dem Koblenzer Urteil politische Relevanz, ähnlich wie | |
| schon beim Berliner Tiergartenmord-Prozess, als die Richter russischen | |
| Staatsterrorismus konstatierten. Es geht um vergangene Taten, aber nicht um | |
| Vergangenheitsbewältigung. Die Täter sind noch an der Macht. | |
| ## Politische Schlüsse ziehen | |
| Sich mit ihnen anzulegen ist mutig. Einerseits ist dies selbstverständlich; | |
| Deutschland kann nicht Millionen Flüchtlinge aufnehmen und zugleich | |
| ignorieren, wovor die Menschen fliehen. Sobald Assads Opfer in Deutschland | |
| Zuflucht finden, werden Assads Gräueltaten zu einer deutschen | |
| Angelegenheit. Und zugleich ist dies keine Selbstverständlichkeit. [2][In | |
| vielen Ländern verzichten Justizapparate aus politischen Gründen darauf.] | |
| Die deutsche Politik muss aus solchen Urteilen politische Schlüsse ziehen | |
| und die gebrandmarkten Machthaber ächten, auf allen Ebenen. | |
| Nicht zuletzt: [3][Den Überlebenden und Hinterbliebenen, die den Mut | |
| hatten, vor Gericht als Zeugen und Nebenkläger auszusagen, gebührt Ehre] – | |
| und Schutz. Ebenso allen, die Prozesse gegen Folterer und Mörder im | |
| Staatsauftrag ermöglichen und führen. Eine konsequente Völkerstrafjustiz | |
| kennt keine Grenzen. Verbrecher an der Macht auch nicht. | |
| 13 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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