# taz.de -- Mutmaßliche Staatsfolter in Syrien: Prozess gegen Alaa M. gestartet | |
> Der Arzt Alaa M. soll in Syrien Regimegegner schwer misshandelt und einen | |
> von ihnen getötet haben. Nun begann der Prozess gegen den 36-Jährigen. | |
Bild: Der Angeklagte Alaa M. vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main am … | |
FRANKFURT AM MAIN afp | Mit der Verlesung der Anklage hat am Mittwoch vor | |
dem Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main der Prozess gegen einen | |
syrischen Arzt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begonnen. Zum | |
Auftakt sagte der Angeklagte zu seinem Leben aus. Die Bundesanwaltschaft | |
[1][wirft Alaa M. Folter und die vorsätzliche Tötung eines Gefangenen vor.] | |
Der 36-Jährige soll in den Jahren 2011 und 2012 als Assistenzarzt in einem | |
Armeekrankenhaus und einem Gefängnis des Militärgeheimdiensts im syrischen | |
Homs Gefangene „gefoltert und ihnen schwere körperliche sowie seelische | |
Schäden zugefügt“ haben, wie Oberstaatsanwältin Anna Zabeck sagte. Konkret | |
wirft ihm die Anklage unter anderem Mord, Folter in 18 Fällen, schwere und | |
gefährliche Körperverletzung, schwere Freiheitsberaubung sowie | |
Freiheitsberaubung mit Todesfolge vor. | |
Die Opfer sollen laut Zabeck der gegen die Staatsführung von Machthaber | |
Baschar al-Assad aufbegehrenden Opposition zugerechnet worden sein. Bei | |
seinen Handlungen soll es sich um „systematische Angriffe gegen die | |
Zivilbevölkerung“ gehandelt haben. Sie seien eingebettet gewesen in das | |
Bestreben der syrischen Regierung, die oppositionelle Bewegung im Land | |
niederzuschlagen. | |
Teilweise soll M. medizinische Instrumente oder Plastikrohre benutzt haben, | |
um Gefangene zu schlagen. Anderen habe er gegen den Kopf oder in den Bauch | |
getreten. Auch gegen bereits bestehende Wunden habe er getreten, teilweise | |
habe er sie angezündet. | |
## Stolz auf neue Foltermethoden | |
In einem Fall soll er einen Gefangenen mittels einer Injektion „vorsätzlich | |
getötet haben, um damit seine Macht zu demonstrieren und zugleich das | |
Aufbegehren eines Teils der syrischen Bevölkerung zu unterdrücken“, sagte | |
Zabeck. Einem misshandelten Gefangenen, dessen Zustand sich durch einen | |
epileptischen Anfall verschlechterte, soll er im Oktober 2011 eine Tablette | |
gegeben haben. Der Mann zeigte daraufhin keine Reaktion mehr und starb. | |
Zudem soll er im Sommer 2011 die Genitalien eines 14 oder 15 Jahre alten | |
Jungen mit Alkohol übergossen und angezündet haben. „Damit nahm M. den | |
Verlust der Zeugungsfähigkeit billigend in Kauf“, hieß es in der Anklage. | |
„Im Anschluss prahlte er damit, eine neue Foltermethode erfunden zu haben.“ | |
Auch die Hand eines Gefangenen soll M. mit brennbarer Flüssigkeit | |
übergossen und angezündet haben. | |
Nach Verlesung der Anklage ließ sich der 36-Jährige zu seiner Person ein. | |
Nach eigenen Angaben kam der zu christlichen Minderheit gehörende M. 2015 | |
mit einem offiziellen Visum nach Deutschland. Seit 2009 habe er in Syrien | |
mit Privatlehrern Deutsch gelernt, weil er in Deutschland habe leben | |
wollen. Ab September 2015 habe er als Arzt in Deutschland arbeiten dürfen. | |
Fragen der Nebenklage ließ er unbeantwortet. | |
In zehn Fällen hatte der Senat die Anklageschrift aus Rechtsgründen | |
zunächst abgelehnt, weil die Tatvorwürfe nicht hinreichend umgrenzt und | |
nicht konkret genug gefasst seien. Der Bundesgerichtshof ließ am Dienstag | |
jedoch alle Anklagepunkte zu. Der Generalbundesanwalt hatte Beschwerde | |
gegen die Entscheidung des OLG eingelegt. Bis Ende März sind zunächst 15 | |
Verhandlungstage angesetzt. | |
M.s Verteidigung kündigte am Mittwoch eine Aussage zu den Tatvorwürfen für | |
den nächsten Prozesstag am kommenden Dienstag an. Diese soll zwei | |
Verhandlungstage dauern. | |
Erst am letzten Donnerstag ging vor dem OLG im reinland-pfälzischen Koblenz | |
der weltweit erste Prozess um Staatsfolter gegen einen früheren Mitarbeiter | |
eines syrischen Geheimdiensts zu Ende. Das Gericht [2][verurteilte Anwar R. | |
wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft.] | |
19 Jan 2022 | |
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