# taz.de -- Militärputsch in Niger: Deutschlands Sahel-Scherbenhaufen | |
> Europa investiert in Militärapparate, die moderner agieren als die | |
> Staaten, denen sie dienen. Und dann wundert man sich, wenn diese Militärs | |
> putschen. | |
Bild: Anhänger der Putschisten in Niger vor dem brennenden Hauptquartier der R… | |
Sieben Putsche in fünf Ländern in drei Jahren – was der westafrikanische | |
Staatengürtel von Guinea über Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad seit | |
Sommer 2020 erlebt hat, ist beispiellos. Mit [1][dem Sturz von Mohamed | |
Bazoum in Niger] durch das eigene Militär verliert Westafrikas Sahelzone | |
nun ihren letzten gewählten zivilen Präsidenten. Das einzige Land ohne | |
Putsch ist Mauretanien, aber dessen 2019 gewählter Präsident war zuvor | |
Generalstabschef unter seinem aus einem Putsch hervorgegangenen | |
Vorgänger; das Land ist also einfach den anderen einige Jahre voraus. | |
Das [2][erschüttert auch Deutschlands Außenpolitik]. Hat nicht Deutschland | |
gerade erst eine neue Sahel-Strategie beschlossen, wonach sich die | |
Bundesregierung „für die demokratische Verfasstheit der Sahel-Staaten | |
einsetzen“, „legitime Staatlichkeit weiter stärken“ und „zum Aufbau ei… | |
zusätzlichen Stabilitätsbogens beitragen“ wird? | |
Wurde nicht mit viel Getöse ein Zusammendenken von Sicherheits- und | |
Entwicklungspolitik verkündet? Stattdessen wird jetzt mit Niamey auch die | |
letzte verbliebene Sahel-Hauptstadt ungemütlich, und die Bundeswehr in Mali | |
bräuchte jetzt wohl eine Weltraumkapsel, um ihren bisher über Niger | |
laufenden Abzug zu vollenden. | |
Ja, in der Sahelzone steht die deutsche Politik vor einem Scherbenhaufen. | |
Aber in Wahrheit ergaben auch die zusammengefügten Scherben wenig Sinn, und | |
das liegt nicht an den Putschisten. Ein Militäreinsatz kann nur | |
militärische Ziele verfolgen, keine entwicklungspolitischen. | |
Entwicklungspolitik braucht entwicklungspolitische Instrumente, keine | |
militärischen. Aber Deutschland hat in der Sahelzone keine militärischen | |
Ziele, und seine entwicklungspolitischen Instrumente sind eingerostet. | |
Das reiche Europa investiert in den ärmsten Ländern der Welt Unsummen in | |
immer größere Militärapparate, die moderner und effektiver agieren als die | |
Staaten, denen sie dienen sollen. Und dann wundert man sich, wenn die | |
Militärs sich selbst für modern und effektiv halten und ihre Regierungen | |
beseitigen. Die Putsche in der Sahelzone sind kein Scheitern der | |
internationalen Sahel-Strategien, sondern ihre lokale Entsprechung. Wer | |
Militär für politische Zwecke einsetzt, bekommt Militär in der Politik. | |
Dabei gibt es überall in der Region eine [3][starke zivile politische | |
Kultur], die selbstbewusst und pluralistisch über ihre jeweiligen Länder | |
spricht und mögliche Lösungsansätze viel besser kennt als jeder | |
ausländische Partner. Sahel-Strategien müssten, wenn überhaupt, mit diesen | |
Kräften gemeinsam entwickelt werden und auf ihren Impulsen aufbauen. Aber | |
ihre Stimmen verhallen meist ungehört. Und kaum jemand unterstützt sie, | |
wenn sie Opfer von Repressalien werden. | |
28 Jul 2023 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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