Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nigers neuer Militärmachthaber Tchiani: Putschführer mit UN-Erfah…
> Nigers neuer Staatschef heißt Abdourahamane Tchiani. Der General hat vor
> seinem Putsch zwölf Jahre lang die nigrische Präsidentengarde befehligt.
Bild: Anhänger des Putsches mit einem Bild von General Abdourahmane Tchiani am…
Berlin taz | General Abdourahamane Tchiani, der sich am 28. Juli zum
Präsidenten von Niger ausrief, ist einer der erfahrensten und mächtigsten
Generäle der nigrischen Armee. Seit 2011 kommandiert er Nigers
Präsidialgarde, eine je nach Bericht 700 bis 2000 Mann starke Eliteeinheit,
die eigentlich den Staatspräsidenten schützen und nicht stürzen soll.
Tchiani, auch Tiani geschrieben, kommt aus der Region Filingué, die 180
Kilometer nördlich der Hauptstadt Niamey in der Wüste nahe der Grenze zu
Mali liegt. Es ist eine Region, die unter den bewaffneten Konflikten Nigers
mit grenzüberschreitend, zumeist aus Mali heraus agierenden islamistischen
Terrorgruppen besonders leidet – seit Anfang 2020 befindet sich Filingué
unter Ausnahmezustand, nach einer Reihe „gezielter Mordanschläge“ auf
lokale Behördenvertreter. Auch Kriegsflüchtlinge aus Mali sind in der Stadt
untergebracht.
Zuletzt hat die Unsicherheit in der Region erneut zugenommen, die Zahl der
Binnenvertriebenen stieg. Mit dem „Versagen“ der bisherigen Regierung in
der Terrorbekämpfung begründete Tchiani am Freitag in seiner ersten
Erklärung den Putsch.
Seinem offiziellen Lebenslauf zufolge wurde er 1964 im Dorf Toukounous
geboren, 25 Kilometer außerhalb der Kreisstadt Filingué. Seit den 1960er
Jahren befindet sich in Toukounous eine von der deutschen Entwicklungshilfe
eingerichtete große Viehzuchtstation, weswegen dort nicht nur die lokale
Haussa-Bevölkerung lebte, sondern Zugezogene aus allen Landesteilen, und es
gab in der Gegend Schulen und Krankenhäuser. Nach dem Abitur 1984 trat
Tchiani zum 1. Januar 1985 in die Armee ein, in Tondibiah außerhalb der
Hauptstadt.
## Berichte über einstige Tätigkeit als Militärattaché in Berlin
Er durchlief eine Militärausbildung in Senegal, Frankreich, Marokko, Mali
und den USA, unter anderem an der Militärakademie Koulikoro in Mali, wo
jahrelang zuletzt die Bundeswehr ausbildend tätig war, sowie an der
Sicherheitsakademie von Fort McNair, die alte Marinebasis der US-Hauptstadt
Washington. Dort absolvierte er einen Antiterrorkurs.
Die in mehreren französischen Berichten zitierte Information, Tchiani sei
einst Verteidigungsattaché an der nigrischen Botschaft in Berlin gewesen,
findet sich im offiziellen Lebenslauf nicht. Dafür aber Entsendungen in
mehrere UN-Missionen, etwa in der Elfenbeinküste, der Demokratischen
Republik Kongo – dort leitete er 2006 die Demobilisierungsabteilung in der
Bürgerkriegsprovinz Ituri – und in Sudans Kriegsregion Darfur.
Zu einem ungenannten Zeitpunkt kommandierte er auch Nigers Kontingent in
der multinationalen Antiterrortruppe MNJTF, die seit 2012 unter Nigerias
Kommando rund um den Tschadsee gegen die nigerianische Terrorgruppe Boko
Haram kämpft. Der nigrische Ort N'Guigmi am Tschadsee war ab 1996 eine
wichtige Station in Tchianis Karriere gewesen, ebenso ab 2003 die
südnigrische Stadt Zinder und 2006 die Wüstenstadt Agadez. Dort kooperiert
Nigers Armee eng mit Frankreich und den USA gegen Waffen-, Drogen- und
Menschenschmuggelnetzwerke.
In den Generalstab Nigers stieg Tchiani 2008 auf. Als 2011 Niger nach einer
Reihe von Militärputschen zur Demokratie zurückkehrte, machte ihn der
neugewählte Präsident Mahamadou Issoufou zum Chef seiner Garde und
beförderte ihn 2018 zum General. Die beiden gelten bis heute als eng
befreundet.
## Früher vereitelte er zwei Putschversuche
Es zirkulieren deswegen Gerüchte, Issoufou selbst stecke hinter dem Putsch
gegen seinen Nachfolger [1][Mohamed Bazoum], obwohl Issoufou und Bazoum
derselben politischen Partei angehören, der sozialdemokratischen
PNDS-Tarayya (Nigrische Partei für Demokratie und Sozialismus). Deren Sitz
in Niamey wurde am Donnerstag angezündet.
Als Chef der Präsidialgarde hat Tchiani 2021 und 2022 zwei Putschversuche
gegen Präsident Bazoum niedergeschlagen – nun geht er aus dem dritten als
Gewinner hervor. Angeblich hatte Bazoum ihn entlassen wollen als Teil einer
Militärreform, die auch andere Unzufriedene in hohen militärischen
Dienstgraden produziert hat.
Die Reform hängt mit dem gescheiterten Putschversuch von 2021 zusammen. Der
sollte damals Bazoums Amtseinführung vereiteln. Die Urheber wurden im
Februar dieses Jahres zu hohen Haftstrafen verurteilt.
Tchiani ist nicht der erste Gardechef, der in Niger putscht. General Baré
Mainassara, der 1996 Nigers erster kurzlebiger demokratischer Phase
gewaltsam ein Ende setzte, war auch ein früherer Gardechef. Er wurde 1999
von seinem eigenen Gardechef Daouda Malam Wanké getötet, der selbst nur
wenige Monate im Amt blieb. Diese wirre Zeit wollte Niger zuletzt
eigentlich endgültig hinter sich gelassen haben. Sie droht jetzt
zurückzukehren.
30 Jul 2023
## LINKS
[1] /Nigers-Praesident-im-taz-Interview-2021/!5782261
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Niger
Putsch
Niger
Niger
Niger
Niger
Niger
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Staatsstreich in Niger: Putschisten wollen nicht aufgeben
Nigers herrschende Militärs verbreiten Behauptungen über Angriffe aus
Frankreich und verhaften Gegner. Westafrika hatte ihnen ein Ultimatum
gestellt.
Sondergipfel zum Putsch in Niger: Westafrika droht mit Gewalt
Regionalgemeinschaft Ecowas fordert Wiedereinsetzung des legitimen
Präsidenten Bazoum binnen einer Woche. Sonst droht eine
Militärintervention.
Militärputsch in Niger: Deutschlands Sahel-Scherbenhaufen
Europa investiert in Militärapparate, die moderner agieren als die Staaten,
denen sie dienen. Und dann wundert man sich, wenn diese Militärs putschen.
Nach dem Putsch in Niger: Die Junta richtet sich ein
Der bisherige Chef der Präsidialgarde präsentiert sich als neuer starker
Mann in Niger. In einer TV-Ansprache begründet er den Militärputsch.
Putsch in Niger: Die Machtprobe
Nigers Militär verkündet den Sturz von Präsident Bazoum, die Lage im Land
bleibt aber unklar. International wird die Freilassung Bazoums gefordert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.