# taz.de -- Kunst und Prekariat: Keine Lust auf schlechte Bezahlung | |
> Künstler reden vermehrt über ein tabuisiertes Thema: die Gelder im | |
> Kunstbetrieb. Und sie arbeiten an gerechteren Modellen für alle | |
> Beteiligten. | |
Bild: „FÜR DAS FEUILLETON 1“ von Götz Sophie Schramm | |
Gerade verkündete der amerikanische Farbentrendprophet Pantone: „Viva | |
Magenta“ ist die Farbe des Jahres 2023! In der Kunsthalle Darmstadt legt | |
ein verführerisch schimmernder Gruß ans Feuilleton schon einmal vor. Das A | |
der Arbeitsagentur hat sich in ein magentafarbenes Kleid gehüllt und | |
verliert trotzdem nichts von seinem potenziellen Schrecken, den es | |
insbesondere auch für künstlerisch oder allgemein soloselbstständig | |
arbeitende Menschen in der BRD entwickeln kann. | |
„Für das Feuilleton (1)“ heißt die Arbeit aus Acryllack auf Holz, die jet… | |
in einer kleinen Schau zu sehen ist. [1][Götz Sophie Schramms] | |
Arbeitsagentur-Letter kommt als glamouröser Fetisch daher, wie als einzig | |
gangbare Form, in der ökonomische Abgehängtheit im Ausstellungsraum und | |
später im über ihn schreibenden Kulturteil überhaupt nurmehr in Erscheinung | |
treten kann. Lena Schramm steuert pastose Bilder ausgedachter happy pills | |
bei, die eine prickelnde Champagnerlaune heraufbeschwören: Art Basel, MoMa, | |
van Goghs Ohr. | |
„No Income Double Kids“ haben Götz Sophie und Lena Schramm ihre | |
lustvoll-krawallige Ansage an den Betrieb genannt, in Anlehnung an die | |
eigene Biografie. Das Geschwisterpaar will in den White Cube rücken, was | |
dort einerseits ständig subkutan und andererseits selten explizit vorkommt: | |
das Prekariat. | |
Geradezu Klischee ist der Clash zwischen sehr viel und sehr wenig Geld in | |
der Kunst, aber viel spannender natürlich eine Betrachtung der | |
festangestellten oder von Haus aus gut situierten Schicht, die das Gros des | |
Publikums stellt, das über Kunst schreibt, sie anschaut, im | |
institutionellen Rahmen ausstellt und über Förderanträge entscheidet, | |
derweil sie für sozioökonomische Belange bisweilen erstaunlich wenig Gespür | |
zeigt. Als visuelle Disziplin scheint sich die Kunst besonders schwerzutun | |
mit den Dimensionen, die nicht unmittelbar sichtbar werden. | |
Künstlerinnen und Künstler haben, wie viele Menschen ohne prächtiges | |
Auskommen, keine Lust mehr. Auf schlechte Bezahlung, ein Leben am | |
Existenzminimum und Klassenclowndasein. So auch [2][Marianna Simnett, die | |
in renommierten Häusern] wie MMK oder MoMa zu Einzelausstellungen geladen | |
war, in großen Galerien verkauft und 2022 trotzdem verlautbarte, „kurz vor | |
dem Bankrott“ gestanden zu haben. | |
## Gerechte Verwertungsmodelle im Ausstellungsbetrieb | |
Schweigen über Geld war bisher auch in der Kunst Gold. Ein | |
halbironisch-süffisanter Kommentar hat es manchmal zum lustigen Werk | |
gebracht, aber grundlegender sollte es eher nicht werden. Das ändert sich | |
gerade punktuell, aber merklich. [3][Sung Tieu], die 2021 für den Preis der | |
Deutschen Nationalgalerie nominiert war, erarbeitet gerechte | |
Verwertungsmodelle im Ausstellungsbetrieb, in dem alle Beteiligten | |
profitieren sollen. | |
Und Marianna Simnett etabliert ihren eigenen Vertriebsweg, der | |
kaufkräftigeren Sammlerinnen und Sammlern nicht in die Quere kommen soll. | |
Über ihre Website vertreibt die Wahlberlinerin Editionen der eigenen Arbeit | |
– Setfotografien ihrer fantastischen Kunstfilme oder Zeichnungen, für 90 | |
bis 175 Euro. Weniger, als man für die meisten Jahresgaben im Kunstverein | |
oder Arbeiten von HobbykünstlerInnen zahlt. | |
Die vielen eher als uncool geltende Onlineplattform Patreon hat sich | |
Simnett ebenfalls zunutze gemacht: Für eine kleine monatliche Unterstützung | |
gibt es exklusive Einblicke ins künstlerische Schaffen und kleine Goodies. | |
Ein doppelter Gewinn, nicht nur für die Künstlerin. Wo sonst kann man schon | |
Mäzenatin, Mäzenat werden, sogar als Teil des sogenannten Prekariats? | |
7 Jan 2023 | |
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[1] /Ausstellungsempfehlung-fuer-Berlin/!5664340 | |
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[3] /Ausstellungsempfehlungen-fuer-Berlin/!5598207 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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