| # taz.de -- Kunst und Monster: Sich leibhaftig verschlingen lassen | |
| > Akustische Traumreisen und meterhohe Tierskulpturen: Zwei Ausstellungen | |
| > in Frankfurt am Main ergänzen sich für eine Reise in die Fantasie. | |
| Bild: Ohne Titel: Ausschnitt aus der Serie „Niemandsland“, Tusche und Aquar… | |
| Träume, Märchen und Kunst haben bekanntlich ihre Anknüpfungspunkte als | |
| Portale in eine Welt des Möglichen und Spekulativen, oftmals | |
| Unzugänglichen. So wie im Werk Franz von Saalfelds, der gemeinsam mit | |
| seinen Kolleg:innen vom Atelier Goldstein sowie dem britischen Britto | |
| Art Trust zu den sehr erfreulichen Begegnungen auf der 15. documenta zählte | |
| (das gesamte hier ausgestellte Konvolut wurde im Anschluss von der Stadt | |
| angekauft). | |
| Mit präzisem, klarem Strich und feiner Aquarellierung bringt von Saalfeld | |
| traumwandlerische Szenarien hervor, in denen man sich rasch fragt, wie das | |
| in Träumen so ist, ob es sich eigentlich um einen guten oder um einen | |
| Albtraum handelt, in dem man sich gerade befindet. | |
| Man findet auf seinen Bildern unter anderem: Männer, die Delfine oder Wale | |
| aufschlitzen; Menschen, die vor der Bäckerei mit herrlich bunten Auslagen | |
| Schlange stehen und in groteske, wenngleich sehr konkrete Unterhaltungen | |
| geraten; mannshohe Hasen oder Igel, die Passanten besteigen, auf und über | |
| sie kriechen, woraufhin ihnen einer davon wie zum Protest „NO“ zuruft. | |
| Fiebertraum wäre wohl nicht die schlechteste Verortung für diese Szenarien. | |
| Passend hierzu veranstaltet seine Galerie Goldstein in Frankfurt am Main, | |
| angeschlossen ans gleichnamige Atelier, gerade eine Themenreihe über das | |
| Träumen. Angekündigt sind akustische Traumreisen, Gastkünstler:innen | |
| wie die Hamburger Comiczeichnerin Jul Gordon oder der Kölner Künstler | |
| Merten Fellmann sowie Plakate zum Thema träumerische Zustände, die in | |
| kleiner Auflage verkauft und unter anderem von Franz von Saalfeld gestaltet | |
| werden. | |
| ## Monster Chetwynd | |
| Den Wunsch, sich von den Bildern leibhaftig verschlingen zu lassen, lässt | |
| Monster Chetwynd in Erfüllung gehen. Oder müsste es umgekehrt heißen: den | |
| Wunsch, die Bilder selbst erobern zu können wie auf einem | |
| Abenteuerspielplatz? Die meterhohen Tier- und Ungeheuerskulpturen der | |
| schottischen Künstlerin sind jedenfalls zum Betreten, Durchschauen und | |
| Durchschreiten explizit gedacht. | |
| Ein flaschengrünes Monster ist dabei, das seine weichen Zähne fletscht, ein | |
| fünf Meter hoher Katzenkopf, samt Schnurrbarthaaren und einem Schlund, der | |
| sein Publikum in sein Inneres leitet, und ein weiteres, bunt geschecktes | |
| Monster mit einer Eule auf dem Kopf, die bis in die erste Etage reicht. | |
| Chetwynd hat in Frankfurt ihre drei „Heads“ mit den hungrig-freundlichen | |
| Mäulern in der Schirn-Rotunde aufgebaut, nicht wie üblich in den oberen | |
| Etagen, sondern direkt im öffentlich zugänglichen Durchgangsbereich, | |
| seinerseits also einer Art Portal zwischen der einen und der anderen Seite | |
| des Hügels. | |
| Mal sehen, wie lange sie halten werden – nachbessern und retuschieren ist | |
| allerdings kein Problem: Die 50-Jährige nutzt ganz gewöhnliche Materialien, | |
| die günstig und im besten Falle sogar gebraucht zu haben sind. Darunter | |
| jede Menge Kartonreste, Sperrholz, Klebetape, Jutesack und sogar | |
| Küchenrolle, deren Prägemuster man hier und da unter den dicken | |
| Farbschichten hindurchschimmern sieht. | |
| Sie hoffe, sagt die Künstlerin, dass ihr Publikum die offensichtlich | |
| händische, imperfekte Arbeit zu schätzen wisse. Während die ersten | |
| Besuchergruppen älterer Generation mit einem eher abschätzig-wissenden „Ist | |
| halt Kunst“ murmelnd ins Ausstellungshaus verschwinden, platzieren sich zur | |
| Pressekonferenz schon die ersten Passantinnen angetan zum Selfie vor | |
| Monster Chetwynds Monstern. | |
| 8 Mar 2023 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina J. Cichosch | |
| Katharina Cichosch | |
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