Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Amna Elhassan in der Schirn Frankfurt: Zeitgenössisches Schlachten…
> Sie bespielt die Rotunde der Schirn mit überzeichneten Frauenkörpern. So
> holt Elhassan die Ereignisse ihres Heimatlandes nach Frankfurt.
Bild: Amna Elhassan, „Deconstructed Bodies – In Search of Home“, Installa…
Die Handschrift der Architektin meint man zu erkennen in diesen üppigen
Figurationen. Ausgesprochen grafisch sind ihre Protagonistinnen (und wenige
Protagonisten), oft mit scharfen Konturen, satten Farben, die allerdings im
Druck stellenweise fleckiger werden können, sich gegenseitig überfärben,
geradezu miteinander in Konkurrenz treten. Es sind Zustände der
Transformation, die die Künstlerin interessieren. Gesellschaftliche
Umbrüche, aber auch psychologische, individuelle, spirituelle, heißt es im
Ausstellungstext dazu.
Die Frankfurter Schirn zeigt „Deconstructed Bodies – In Search of Home“ v…
Amna Elhassan in ihrem kleinsten, architektonisch aber auch spannendsten
Ausstellungsraum – der Rotunde. Frei zugänglich, mit 360-Grad-Glaspanorama
an der Außenseite des Museumskomplexes. Die sudanesische Künstlerin
bespielt sie in einer für diesen Ort eher ungewöhnlichen Form. Mit einer
fast schon klassischen Kabinettausstellung im Rundgang und einer
großflächigen Glasbemalung an der Außenfassade, durch die man nun von innen
durchblicken kann.
Elhassan wurde 1988 in Khartum geboren und ließ sich als Architektin im
Sudan und in Italien ausbilden. Die prodemokratischen Aufstände im Land und
deren brutale Niederschlagung im Jahr 2019 haben sie zur Kunst geführt.
Klein- bis mittelformatige Malereien und Drucke, gefertigt aus Stempeln auf
Papier, zeigen Menschen und oftmals komische Alltagsbeobachtungen.
Und kaum überraschend sind es wieder die Frauen, die im Fokus stehen, die
Akteurinnen sind: Die Künstlerin zeigt sie in schillernden Porträts, beim
gegenseitigen Haaremachen, mit gezwungenem Zahnpastalächeln bei der
Hochzeit. Gliedmaßen und Körperpartien überzeichnet sie bisweilen, mit
extragroßen Hintern, Brüsten, Mündern und Händen.
Die Figurenkonstellation hat etwas von einem Bechdel-Test in reverse:
Männer sind hier fast ausnahmslos Staffage. Wenn sie überhaupt vorkommen.
Amna Elhassan lässt sie eine Sängerin anhimmeln, einen gesichtslosen
Ehemann mimen, einmal zeigt sie uns einen Protagonisten aus der Rückansicht
beim Fahren.
## Demokratiebewegung im Subtext
Die [1][Demokratiebewegung im Sudan] ist Subtext zur Ausstellung: Nach
monatelangen Protesten hatte sie zwar [2][den Diktator Omar al-Bashir] im
April 2019 zu Fall gebracht, doch dieser wurde zugleich von einem
Militärrat ersetzt, der Freiheitskampf wurde von den Putschisten brutal
unterdrückt. Die Künstlerin rückt politische Ereignisse in den (westlichen)
Ausstellungsraum, die dort sonst nicht vorkommen. Ohne Vorwissen sind sie
aber nur durch eine entsprechende Erklärung als solche auszumachen.
In diesem Sinne erscheinen auch Elhassans handgeschriebene arabische Texte,
die Glasfronten und Ausstellungswände überziehen, dem nichtkundigen Auge
wie Kalligrafien, ohne Hilfsmittel nicht entschlüsselbar. Der Clash aus
Sujet und Ort, an dem jenes seine Öffentlichkeit erfährt, wird sinnhaft
fortgeführt. Wer nicht lesen und entziffern kann, Bild und Text, muss bei
Interesse selbst weiter recherchieren.
Wobei man dabei gar nicht unbedingt auf Übersetzungen, wohl aber auf
aktuelle politische Entwicklungen im Sudan stoßen kann (gerade noch
beschlossen die regierenden Generäle, [3][das Land in eine Demokratie zu
überführen]). Ist das nicht ein viel besserer, kunstimmanenter Anreiz als
lange Erklärungen, die sonst womöglich als ungelesene Wandtexte verhallen?
Die Glasfassade der Rotunde hat die Künstlerin zu einem Panoramabild mit
drei Protagonistinnen und dem Nil, Hausfluss Khartums, verwandelt. Hier der
direkte Rekurs auf die Proteste im Land und deren Niederschlagung, bei der
über Hundert Menschen getötet, unzählige verletzt und vergewaltigt wurden:
Eine Frau scheint sich am Nil zu sonnen, eine andere darin zu ertrinken.
Gewalt und Hoffnung liegen bei Amna Elhassan nah beieinander. Auch in
diesem zeitgenössischen Schlachtengemälde, in dem die Deutungshoheit nicht
mehr, wie historisch üblich, den Mächtigen obliegt.
14 Dec 2022
## LINKS
[1] /Demokratiebewegung-im-Sudan/!5864872
[2] /Sudans-Ex-Diktator-Omar-al-Baschir/!5788399
[3] /Uebergangsregierung-fuer-Sudan/!5896602
## AUTOREN
Katharina J. Cichosch
## TAGS
Bildende Kunst
Ausstellung
Sudan
Politische Kunst
GNS
Kolumne High & Low
Kunstausstellung
Malerei
Bildende Kunst
Sudan
Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kunst und Monster: Sich leibhaftig verschlingen lassen
Akustische Traumreisen und meterhohe Tierskulpturen: Zwei Ausstellungen in
Frankfurt am Main ergänzen sich für eine Reise in die Fantasie.
Ausstellung von Nhu Xuan Hua: Kuss eines Schwans
Nhu Xuan Hua ist bekannt für ihre Mode- und Porträtfotografie. In Frankfurt
zeigt sie nun seltsam surreale Dokumente der Gegenwart.
Ausstellung zu Susanna-Motiv: Oh, Susanna im Bade
Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum beleuchtet sexuelle Gewalt in einem der
ältesten Krimis der Kunstgeschichte: Susanna – Bilder einer Frau.
Kunstkollektiv aus Haiti in Karlsruhe: Zwischen Lebenden und Toten
Im Badischen Kunstverein überwindet The Living and the Dead aus Haiti
Grenzen der bildenden Kunst und schafft Perspektiven auf sein gebeuteltes
Land.
Spielfilmdebüt „Mit 20 wirst du sterben“: Leben im Bannspruch der Derwische
Amjad Abu Alalas Film „Mit 20 wirst du sterben“ spielt in einer archaischen
Religionsgemeinschaft. Zugleich ist es der Neubeginn sudanesischen Kinos.
Biennale Dak’art im Senegal: Am westlichsten Punkt Afrikas
Die Dak’art probt den postkolonialen Spagat zwischen Tradition und Moderne.
Doch auch hier ist der Einfluss Chinas inzwischen unübersehbar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.