# taz.de -- Zwei Kunstausstellungen in Hessen: Wenn Räume in Räume reingräts… | |
> In Frankfurt sind Fotoarbeiten von Andrea Grützner zu sehen. Das | |
> Kunstmuseum Marburg zeigt die geknüpfte Welt Julia Krause-Harders. | |
Bild: Eine Fotoarbeit von Andrea Grützner in der Frankfurter Galerie Schierke … | |
Ist das architektonische Dissoziation? Es gibt da diesen Kippmoment, der | |
unvermittelt eintreten kann (manchmal lässt er sich aktiv herbeiführen), | |
wenn man sich in einem realen Raum befindet: Plötzlich erscheinen die | |
Wohnung, der öffentliche Platz in einer anderen Zusammensetzung, ohne dass | |
sich objektiv etwas verändert hätte – die messbaren Parameter stimmen, alle | |
Elemente sind vorhanden, doch tut sich ein „Uncanny Valley“ in der | |
Wahrnehmung auf. | |
Eine Art luzider Zustand, womöglich die Reaktivierung eines Traums, der | |
sich in den Wachzustand gerettet hat und dessen Abbilder von Räumen | |
plötzlich wirklicher erscheinen als der reale Raum selbst. Plötzlich | |
fächert sich der Raum in zwei oder mehr Optionen, zwischen denen man | |
theoretisch hin und her switchen könnte. Die Assoziation „Das Magische | |
Auge“ wäre sicher nicht die schlechteste. | |
Eine ganz ähnliche Erfahrung, nicht mit dem dreidimensionalen, aber dem | |
Bildraum vermitteln die Fotoarbeiten von Andrea Grützner, die jetzt in der | |
Frankfurter Galerie Schierke Seinecke zu sehen sind („Haus im Taumel“, bis | |
17. 8.). Es sind auf den ersten Blick so elegante wie anziehende farbige | |
Motive, die die Künstlerin in einem sächsischen Gasthaus mit dem Namen | |
„Erbgericht“ aufgenommen hat, allerdings erkennt man den Raum hier kaum | |
noch. Man könnte an digitale Collagen denken, doch so leicht macht es sich | |
Grützner nicht. | |
Ihre aktuellen Arbeiten lassen sich alle auf jeweils ein einziges Motiv | |
zurückführen. Die Künstlerin hat viel Zeit vor Ort verbracht, ihn immer | |
wieder aufgesucht und jetzt noch einmal abschließend fotografiert. Dabei | |
dreht sie den eigenen Blick um 90 Grad, stellt Motive auf den Kopf oder | |
sucht Ausschnitte, die eine anekdotische Referenz ins Leere laufen lässt. | |
## Die Welt auf 250 Quadratmeter | |
Daneben nutzt Grützner farbige Blitze, die den drei- in einen | |
verführerischen zweidimensionalen Raum von grafischer Anmutung verwandeln. | |
Ein Vorgang, den historisch wie persönlich so stark geprägten Ort zu ent- | |
und im simultanen Schritt neu einzufärben. | |
Eine andere Form der Raumauffächerung lässt sich aktuell eine Zugstunde | |
weiter entdecken. Wobei man eher schon von Raumnahme sprechen muss: Im | |
Kunstmuseum Marburg zeigt Julia Krause-Harder erstmals ihre 250 | |
Quadratmeter große Weltkarte (bis 8. 9.). | |
Drei Jahre lang strickte, knüpfte und knotete die Künstlerin aus dem | |
Frankfurter Atelier Goldstein ihre subjektiv-kartografische Ordnung aus | |
Textilien, Stoff und Garn, Kleidungsstücken, Leder, Werbeplanen, die sich | |
nun über mehrere Kontinente die Wand entlang bis auf den Boden des | |
Ausstellungsraums ausbreiten. Ein wilder Quilt, aber mit konkreter | |
Anbindung an die Welt, die er repräsentiert. | |
Die Maßstäbe und Relationen stimmen. Und trotzdem ist die künstlerische | |
Auswahl eben vor allem radikal subjektiv: Europa ist bei Krause-Harder ein | |
ziemlich bunter Flickenteppich, an Kanada mit seinen blau-weißen Weiten | |
scheint die Künstlerin besonders viel Freude gehabt zu haben. Die | |
applizierten [1][Dinosaurier verweisen auf einen weiteren Schwerpunkt ihrer | |
Arbeit] – man kann die Urtiere auch im realen Raum entdecken, mehrere | |
Skulpturen aus Krause-Harders fantastischem Materialkonvolut ergänzen die | |
Schau. | |
29 Jul 2024 | |
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[1] /Kunst-und-Monster/!5919671 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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