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# taz.de -- Kurzfilmtage Oberhausen: Die verdammten Wassermelonen
> Manche Filme kommen wieder: Die Reihe „Übersehene Filme“ in Oberhausen
> zeigt einen Film von 1966 über die Segregation in den USA.
Bild: Szene aus dem Film O Dem Watermelons von 1965
„Oh Dem Watermelons“ – Robert Nelson lässt die vermaledeiten Früchte na…
allen Regeln der Kunst malträtieren: Ritsch, ratsch, wird das flaschengrün
umfasste, saftig pinke Fruchtfleisch mit Schlittschuhkufen zerteilt, von
einer Baumaschine zerquetscht und mit Baseballschläger zertrümmert; später
sollen jene, die das baseballförmige Gewächs vor sich herkicken, von ihm
selbst wieder eingeholt werden. Selbst bergauf rollen die verdammten
Wassermelonen.
Der dada-fiebrige Sog, mit dem Nelsons elfminütiger Film das Lebensmittel
gewordene Stereotyp inszeniert und collagiert, wirkt auch fast 60 Jahre
später nach (die Segregation in den USA war damals gerade zwei Jahre
Geschichte). 1966 hatte das Werk des US-amerikanischen Filmemacher [1][auf
den Kurzfilmtagen Oberhausen] als erster Film überhaupt den „Preis für den
verkannten Film“ erhalten – keinen Jury-Preis also, weshalb er jetzt
nochmals in der Reihe „Übersehene Filme“ läuft.
Manche Filme kommen wieder. Das ist ein schwacher Trost, aber immerhin,
denn im Gegensatz zu anderen Festivals werden die einzelnen Beiträge aus
den verschiedenen Sektionen in Oberhausen nur einmal gezeigt, keine
Wiederholung. Man kann also bestenfalls darauf setzen, dass manche von
ihnen nochmals zu einem anderen Zeitpunkt auftauchen. Mit einer
Auszeichnung im Wettbewerb wäre das wahrscheinlicher.
## Unverhoffter sozialer Kontakt
Am zweiten Festivaltag fiel zum Beispiel „Spring 23“ auf: Eine lakonisch
erzählte Geschichte über einen jungen Mann, seine verzweifelte Suche nach
Feuerwerkskörpern, Corona und wohl auch Einsamkeit. Man habe ein
ambivalentes Verhältnis zu Autoritäten, sagt Wang Zhiyi, der alle Filme
gemeinsam mit einem Freund entwickelt und produziert: Einerseits
bevormundend, böten sie andererseits auch eine seltsame Art von elterlicher
Fürsorge und Sicherheit.
In der Tat: Stellen die herbeieilenden Gesetzeshüter, die am Schluss ein
wenig ratlos dem Protagonisten beim illegalen Abfeuern der Knallkörper
zusehen, nicht auf bittere Weise tatsächlich eine Art von unverhofftem
sozialen Kontakt zum Protagonisten her? Ganz lassen sich die kulturellen
Feinheiten und sprachlichen Spezifika nicht übersetzen. Aber Zhiyi schafft,
was sich unter der Formel „the more local, the more universal“
zusammenfassen lässt.
## Rabiate Bildaneignung
Sprachkenntnisse wären sicherlich für Maya Zacks Film „Decryption“
hilfreich, in dem die Künstlerin unter anderem das hebräische Alphabet
heranzieht, um sich ein wörtliches Bild von ihrer Mutter zu machen. Die
tiefgreifende, einsame Erfahrung einer Annäherung an einen womöglich
ultimativ fremd gebliebenen Elternteil vermittelt Zack aber gerade in den
Lücken, die zwischen Bild, Text, Gesprächen und rabiater Bildaneignung mit
dem Cuttermesser aufreißen.
Auf der Suche nach einer universellen (Film-)Sprache kommt man dann
vielleicht auch wieder auf den Hund (wie zuvor bei einer Rebhuhnjagd), oder
im Falle von Dzhovani Gospodinov aufs Wildschwein. Der luxemburgische
Filmemacher hat Kameras im Wald aufgestellt und daraus eine gut
siebenminütige Sequenz gesetzt, die größtenteils in der Nacht spielt: Zum
Gedicht aus dem Off eilen Mäuse unter den schützenden Baumstamm, kratzen
sich Wildschweine die Borsten am Baum und geht ein Uhu auf die Jagd. Die
„Ahhs“ und „Ohhs“ im Saal bezeugen und legen nahe, dass man ihnen wohl …
länger hätte zuschauen können.
7 May 2024
## LINKS
[1] /Start-der-70-Kurzfilmtage-Oberhausen/!6004952
## AUTOREN
Katharina J. Cichosch
## TAGS
Oberhausen
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