# taz.de -- Neuer Kunstraum in Moabit: Eine Grotte im Hansaviertel | |
> Kunst für alle will Kuratorin Leonie Herweg bei Grotto zeigen. Aktuell | |
> stellt die Vietnamesin Tra My Nguyen in dem Kunstraum am Hansaplatz aus. | |
Bild: Das Motorrad wird bei Tra My Nguyen zum Körper | |
„Wir sind direkt gegenüber von der Apotheke“, hat Leonie Herweg in ihrer | |
Mail geschrieben. Der Hinweis ist notwendig, sonst sucht man womöglich | |
lange. Grotto ist ein kleiner Kunstraum im Hansaviertel, Herweg hat diesen | |
in diesem Jahr in einem der Ladenlokale der eingeschossigen Passage rund um | |
den U-Bahnhof Hansaplatz eröffnet. Bartningallee 5, so lautet die Adresse | |
aller Geschäfte, die sich dort befinden. Verlaufen kann man sich daher | |
leicht. | |
Seit Januar gibt es Grotto. Die erste Ausstellung fand noch nicht in der | |
Passage statt, sondern unten im U-Bahnhof, auf den Hintergleisflächen, auf | |
denen normalerweise großformatige Anzeigen für den Kauf diverser Produkte | |
werben. Einen Monat lang hingen dort stattdessen Schriftbilder des | |
[1][Künstlers Stefan Marx]. Schwarz-weiße Typographien, auf denen Marx | |
Gesprächs- und Satzfetzen verewigt hat. „I don't know what's going on but | |
it's a lot“ oder „Midnight Vacation“ beispielsweise. | |
Ein ziemlich guter Einstieg war das, über den sogar das rbb-Fernsehen | |
berichtete und der deutlich machte, worum es der jungen Kuratorin mit ihrem | |
Projekt geht: Sie will Kunst zugänglich machen. Gerade auch für die | |
Anwohner*innen des Hansaplatzes, die sonst vielleicht eher keine | |
Galerien besuchen. | |
Ihren Raum hat Herweg, die hauptberuflich beim Auktionshaus Grisebach | |
arbeitet, vom Bürgerverein Hansaviertel gemietet. Zu günstigen Konditionen | |
unter der Bedingung, dass sie ein kleines Regal mit Postkarten und | |
Broschüren [2][zum Hansaviertel und zur internationalen Bauausstellung | |
Interbau im Jahr 1957] installiert. | |
Lesungen in der Hansabibliothek | |
In deren Rahmen entstanden damals sowohl die Ladenpassage wie auch der | |
U-Bahnhof Hansaplatz und die umliegenden Wohngebäude. Die | |
Auseinandersetzung mit der Architektur spielte bislang noch keine direkte | |
Rolle in den Ausstellungen Grottos, ändern wird sich das aber demnächst. | |
Die Umgebung wird schon jetzt eingebunden. Regelmäßig finden Lesungen in | |
der benachbarten Hansabibliothek statt. | |
Für Anfang September plant Herweg dort eine kleine Buchmesse, ähnlich der | |
Miss Read, wie sie jährlich im Haus der Kulturen der Welt (HKW) | |
stattfindet, nur für noch kleinere Aussteller und ohne Standgebühr. | |
Die Nachbarschaft scheint Herweg gut aufgenommen zu haben. Immer wieder | |
winkt sie durch die Scheibe vorbeilaufenden Menschen zu. Ein älterer Herr, | |
der mit Besorgungen unter dem Arm kurz den Kopf hereinsteckt und Hallo | |
sagt, nennt die Galerie „einen Augenschmauß“. Natürlich gäbe es auch Leu… | |
denen nicht gefällt, was sie tue, erklärt Herweg. Normal sei das ja. | |
„Fallen Angels“ | |
Aktuell und noch bis Ende August läuft bei Grotto eine Ausstellung [3][der | |
Künstlerin Tra My Nguyen]. Nguyen ist 1992 in Hanoi geboren und hat an der | |
Universität der Künste (UdK) in Berlin Modedesign studiert. In ihrer Kunst | |
sind Textilien oft Ausgangspunkt, um über andere Themen nachzudenken. Über | |
Genderrollen, Hautfarben, Mobilität und Geschwindigkeit etwa. | |
„Fallen Angels“ heißt die Schau, wie der Film des [4][Regisseurs Wong | |
Kar-Wai], in dem ein Auftragskiller mit dem Motorrad durch die Hongkonger | |
Nacht düst. Auch im Galerieraum steht ein Motorrad, fast verborgen unter | |
Kleidungsstücken, wie sie Motorradfahrerinnen in Vietnam tragen, um sich | |
und ihre Haut vor Smog und Sonnenlicht zu schützen. Falsches Burberry-Karo, | |
florale Muster überziehen das Fahrzeug, das so selbst zum Körper wird. | |
Auch im Diptychon „Bodies (The Lovers)“ erscheint der abwesende weibliche | |
Köper fragil und stark zugleich. Nguyen hat dafür vietnamesische | |
Motorradkleidung ab- und umgeformt, eingebettet in einer vor den Augen | |
flimmernden textilen Collage und in eine Art Archivierungsbox gesteckt. | |
All das kann man schon durch die Schaufensterscheiben sehen, besser ist es | |
aber natürlich, zu den Öffnungszeiten mittwochs, freitags und samstags | |
vorbeizukommen. | |
29 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Ausstellung-Klasse-Gesellschaft/!5829251 | |
[2] /Berliner-Architektur/!5422380 | |
[3] /Ausstellung-Ghosting-in-Hohenlockstedt/!5941168 | |
[4] /Berlinale-Staralbum-Wong-Kar-Wai/!5073761 | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
## TAGS | |
Kunst | |
Kunst Berlin | |
Hansaviertel | |
Ausstellung | |
Berlin Ausstellung | |
taz Plan | |
Kolumne High & Low | |
Kunst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Kunst der Woche: Schicht für Schicht, Teil für Teil | |
Özlem Altın entwirft in der Berlinischen Galerie Kartografien aus | |
fotografischen Schnipseln. Wolkig geht es in einer Gruppenschau bei Eigen & | |
Art zu. | |
Zwei Kunstausstellungen in Hessen: Wenn Räume in Räume reingrätschen | |
In Frankfurt sind Fotoarbeiten von Andrea Grützner zu sehen. Das | |
Kunstmuseum Marburg zeigt die geknüpfte Welt Julia Krause-Harders. | |
Sommerausstellung des CCA: Hinter den Glasbausteinen | |
Im Neubau der Kaiser-Wilhelm Gedächtniskirche blickt das CCA Berlin auf den | |
„Sommer 24“. Künstlerin Thea Djordjadze hat die Gruppenschau kokuratiert. | |
Berliner Architektur: Die Stadt von morgen | |
Moderner sozialer Wohnungsbau, errichtet von den namhaftesten Architekten | |
ihrer Zeit. Vor 60 Jahren ist das Hansaviertel im Tiergarten entstanden. |