| # taz.de -- Akosua Viktoria Adu-Sanyah im MMK: Nässende Kunstwerke | |
| > In Frankfurt am Main stellt Akosua Viktoria Adu-Sanyah ihre Arbeiten rund | |
| > um Analogfotografie aus. Zum Einsatz kommen klassische Elemente der | |
| > Dunkelkammer. | |
| Bild: Klassische Elemente aus der Dunkelkammer kommen in der Ausstellung zum Ei… | |
| Pfützen auf dem Ausstellungsboden ist man schon gewohnt. Sie können | |
| vorkommen im Museum Zollamt MMK, sicher verbrieft zum Beispiel bei Bunny | |
| Rogers, die in ihrer Schau „Pectus Excavatum“ 2019 unter anderem einen | |
| riesigen, schwach floureszierenden, vermeintlich gerade erst gestrandeten | |
| Tiefseekalmar in den Ausstellungsraum verfrachtet hatte. | |
| Wer sich zur richtigen Zeit dort aufhielt, konnte Zeuge werden, wie das | |
| Aufsichtspersonal die Wasserpfützen um das Kunsttier regelmäßig | |
| auffrischte. | |
| Das ehemalige Frankfurter Hauptzollamt, 1927 von Werner Hebebrand erbaut, | |
| scheint gut geeignet für solch ortsspezifische Verwandlung. Was nicht | |
| unbedingt den gängigen Annahmen entspricht: Mit Treppenaufgang, Säulen im | |
| Raum, großen Fenstern und Steinwänden ist dies hier kein neutraler Raum. | |
| Gerade deshalb erweist er sich oft als Glücksgriff – international | |
| erfolgreiche Künstlerinnen wie [1][Helena Uambembe,] Mire Lee oder Precious | |
| Okoyomon haben ihn in den letzten Jahren bespielt. | |
| Noch bis zum 2. Februar lässt sich hier Akosua Viktoria Adu-Sanyahs Arbeit | |
| entdecken, und auch in der finden sich also Pfützen auf dem | |
| Ausstellungsboden. Man kann sich diesmal aber nicht sicher sein, ob man | |
| gerade durch Wasser oder doch Fotochemie watet. Denn die 1990 geborene | |
| Künstlerin agiert in ihrer Installation mit klassischen Elementen aus der | |
| Dunkelkammer: meterlangen Fotopapieren, Apparaturen, Flüssigkeiten. | |
| Ihr Umgang hiermit ist aber betont unorthodox. Adu-Sanyah arbeitet sich mit | |
| ganzer Kraft an ihrer Materie ab: Die belichteten Silbergelatine-Papiere | |
| zerknüllt sie, räumt sie aus dem Weg, stopft sie in Müllsäcke, nimmt sie | |
| für die Frankfurter Ausstellung wieder heraus und tackert sie auf große | |
| Holzrahmen wie zum Bespannen einer Leinwand. | |
| ## Liebe zum Material | |
| Eigentlich wollte sie Malerin sein, dann hat sich Akosua Viktoria | |
| Adu-Sanyah aber der analogen Schwarzweiß- und später der Farbfotografie | |
| zugewandt. Beide nutzt sie experimentell. | |
| Im Künstlerinnengespräch im Begleitbooklet spricht sie über ihre „ganz | |
| unschuldige Liebe zum Material“ der Fotografie und über dessen klassischen | |
| Prozess der Bilderzeugung, die sie als limitierend empfindet. Derweil sie | |
| selbst ausgiebig Zeit in der Dunkelkammer verbringt: Während der | |
| Coronapandemie nahm Adu-Sanyah an zwei Ozeanexpeditionen durch Patagonien | |
| teil und fertigte an Bord zahllose Abzüge an. | |
| Während dieser Zeit verstarb der Vater der deutsch-ghanaischen Künstlerin. | |
| Die prozesshafte Arbeit in der Dunkelkammer ging für die Künstlerin | |
| parallel zur Trauer. Der Ausstellungstitel im MMK Zollamt, „Corner Dry | |
| Lungs“, steht für die leergeweinten Lungen. Die Ausstellung will so auch | |
| eine Versuchsanordnung darüber sein, was offengelegt werden kann und was im | |
| Verborgenen bleibt. Es ist wohl ein gutes Zeichen, wenn die offiziellen | |
| Ausstellungsansichten kaum mehr über das Werk verraten können, als es sich | |
| selbst im Moment erschließen soll. | |
| Nicht zuletzt kann die Ausstellung eine Essenz des Prinzips Dunkelkammer | |
| vermitteln, ihrer technischen, chemischen, räumlichen Begebenheiten. Aber | |
| auch ihrer emotionalen, tief persönlichen Qualitäten, die jene für die | |
| Künstlerin beinhaltet. Eine kritische Hommage an dieses fantastischen | |
| Teufelszeugs namens analoge Fotografie. Einem geradezu körperlichen | |
| Gegenüber. | |
| 29 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina J. Cichosch | |
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