# taz.de -- Kunstraum „Die Halle“: Als Mainz einmal einen Off-Space hatte | |
> Das Rhein-Main-Gebiet war Ende der 1970er Jahre kulturelles Brachland. | |
> Ein Buch erinnert nun an den avancierten Mainzer Kunstraum „Die Halle“. | |
Bild: Jörg Frank stellte im Dezember 1977 einen „Eisberg“ in die „Halle�… | |
Der Kulturschock sei extrem gewesen, erinnert sich Deborah Monroe. Die | |
Amerikanerin war gerade fertig mit ihrem Kunststudium an der Frankfurter | |
Städelschule. Auf einem Heimatbesuch in Kalifornien entdeckte sie, wie | |
sorgfältig die privaten Toiletten dort gestaltet waren – bis hin zum | |
Farbkonzept, das stets passende Handtücher mit einschloss. | |
Monroe fertigte Fotografien jener Räume an, die ihr plötzlich so fremd | |
erschienen, und übermalte die auf Leinwand gezogenen Prints gleich wieder. | |
Um die Privatsphäre ihrer Besitzer zu wahren, aber auch zwecks eigener | |
Bearbeitung der vorgefundenen Verhältnisse. Die nun partiell den Blick | |
verschließenden, partiell ihn offen legenden Bilder nebst Inventarlisten | |
der jeweiligen WC-Räume stellte die Künstlerin 1980 unter dem Titel „The | |
Toilets“ im Mainzer Ausstellungsraum „Die Halle“ aus. | |
„Die Halle“ war ein von Künstlerinnen und Künstlern getragener Ort und | |
zugleich Kunstverein: Ein in jeglicher Hinsicht unwahrscheinlicher Ort, | |
gerade in der Retrospektive. Dass man heute davon lesen kann, ist dem | |
Verleger Harald Kubiczak zu verdanken. Das von ihm herausgegebene Buch „Die | |
Halle. Eine Kunst-Initiative in Mainz 1976–1982“ erinnert an einen schmalen | |
Zeitraum, in dem Mainz einmal so etwas wie einen frühen Off-Space hatte – | |
und das, [1][während Frankfurt noch als kulturelles Brachland galt], | |
Rhein-Main generell trotz Kunst- und Gestaltungshochschulen eine recht | |
trostlose Angelegenheit gewesen sein muss. | |
Das Buch umfasst Aus- und Rückblicke einiger damals Beteiligter, mit | |
trockenem Humor verfasste Förderanträge (bisweilen vergeblich) sowie | |
Recherchen zu historischen Vorbildern an Ort und Stelle, darunter der | |
Verein für Kunst und Literatur, der sich rasch den Nationalsozialisten | |
angedient hatte. Vor allem aber bietet es einen Überblick aller | |
Ausstellungen, die realisiert worden sind. | |
Die Ausstellungstexte lassen auf eine im besten Sinne radikale Ausrichtung | |
blicken: Es ging in der „Halle“ nämlich mehr oder weniger ausschließlich … | |
Kunst. Das bisher noch Ungeahnte und nicht kommerziell Nutzbare sollte hier | |
einen Ort finden, wie Jochen Nix auf dem Buchrücken zusammenfasst. | |
Zeitaktuelle Themen hielten ebenso Einzug. 1977 zeigte „Die Halle“ auf | |
einer selbsternannten „Baumesse“ Gerätschaften und Fragmente, die von der | |
Bau- und Umgestaltungswut in der benachbarten Mainzer Innenstadt zeugten | |
(der fünf Jahre später schließlich auch der Ausstellungsort weichen | |
musste). In der Gruppenschau „Frauen über Frauen“ konnten sich männliche | |
Besucher beurteilen und Schönheitsfehler korrigieren lassen. | |
Weitere Ausstellungen befassten sich mit prähistorischen, indianischen | |
Felsbildern aus Utah oder mit zeitgenössischer Ölmalerei, die Graffiti und | |
Klo-Kritzeleien nachempfunden war. Der Künstler Jörg Frank stellte im | |
Dezember 1978 einen vier Meter hohen Eisberg in die Halle, Ausstellungsende | |
offen. Im Februar war die temporäre Rauminstallation geschmolzen. | |
„Die Halle“, bei Circuit-Art Publications erschienen, ist in erster Linie | |
Würdigung eines in Vergessenheit geratenen, mutigen Vorhabens. Sicher auch | |
eine Erinnerung, dass dieser Freiraum, hier als regelrechte Abwesenheit von | |
zeitgenössischem Kulturbetrieb, unter Umständen auch gut sein kann für die | |
Kunst. Man solle diesen Beinahe-Roman, schreibt Jochen Nix, im Rückblick | |
eben gerade nicht als Kulturbürokrat wie eine „Mission impossible“ lesen. | |
13 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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