# taz.de -- Katharina J. Cichosch High & Low: Carte blanche für die Kunst in F… | |
Frankfurt ist die Stadt der kurzen Wege, auch institutionell. Freilich kam | |
das früher gefühlt öfter vor: Dass ein Kunstwerk relativ direkt von der | |
Städelschule in eine der Museumssammlungen oder gleich ins Ausstellungshaus | |
Portikus zog, wie 2013 Anne Imhof, ist heute eher eine Anekdote. Was | |
vielleicht damit zu tun hat, wer in der Stadt geblieben ist und noch davon | |
erzählen kann und wer wegzieht. Zum generational shift gehört nicht nur | |
hier, dass kaum noch jemand in eine mittelgroße Stadt zum Kunststudium | |
kommt, um für immer dort zu bleiben. Lingua franca in vielen Klassen ist, | |
wie fast überall, inzwischen Englisch. | |
Der Frankfurter Kunstverein (FKV) hat ein Format gefunden, das in | |
Erinnerung ruft, was lokale Beziehungen und Bezüge leisten können – auch | |
wenn einige, die hier jetzt ausstellen, schon mit einem halben Bein in | |
Berlin oder anderswo auf der Welt stehen. Zuvor aber haben sie eine Schau | |
zusammengestellt, die sich durchs gesamte Steinerne Haus am Römerberg | |
zieht. Und dabei unter anderem Geheimwege im Gebäude offenlegt (wie Simon | |
Gilmer in seiner kongenial „Im 2. OG rechts hinter der Wand“ betitelten | |
Installation), Stadträume performativ durchzieht (wie Nelly Habelt, die | |
sich unter anderem von roten Ampeln herabhängen und die Ergebnisse | |
dokumentarisch festhalten lässt) oder, in Form des Duos La Caoba alias | |
Larry Bonchaka und Sopo Kashakashvili, gleich eine ganze Sozial- und | |
Öko-Utopie zur Realisierung ausschreibt. Ihre Installation ist zugleich | |
Einladung zum Zusammenkommen wie ganz pragmatisch Spendengenerierung zum | |
Erhalt eines Stücks bedrohter Natur in Ghana. „Unsere Arbeit beginnt immer | |
mit dem Persönlichen“, schreiben beide in ihrem Text zur Arbeit, und dass | |
Widerstand für sie „keine große Geste, sondern ein intimer Akt“ sei. | |
Die dystopischen Zustände des iranischen Regimes sind Ausgangspunkt für | |
Nazanin Hafez: Aus Found-Footage-Bildern öffentlicher Hinrichtungen schält | |
sie Fragmente heraus und collagiert sie zu schauderhaften | |
Stadtarchitekturen zusammen. Im selben Raum zeigt die in Shiraz geborene | |
Künstlerin Gegenentwürfe: Vor den Toren der Stadt stehen junge Frauen mit | |
unbedecktem Haar vor malerischer Kulisse. Eine leise Geste des Widerstands, | |
die viel riskiert. | |
Es scheint eine neue Dringlichkeit eingezogen zu sein in diese Räume. Alle | |
zwei Jahre präsentiert „And This Is Us“ junge Künstlerinnen und Künstler, | |
die für den Kunstverein eine eigene Arbeit anfertigen. Dreizehn sind es in | |
diesem Jahr. Sie haben an der Städelschule, der Offenbacher Hochschule für | |
Gestaltung oder der Kunsthochschule in Mainz studiert, einige studieren | |
noch. Bewerben kann man sich nicht auf diese Schau – Direktorin Franziska | |
Nori, die viele Rundgänge in der Region besucht, begleitet die | |
NachwuchskünstlerInnen meist über Jahre und trifft dann ihre Auswahl. Für | |
ihre oft erste institutionelle Arbeit erhalten sie eine Carte blanche. Man | |
sieht es an der thematischen wie formalen Bandbreite dieser Ausstellung, in | |
der Franziska Krumbachners atmosphärisch dichte Miniaturen in Öl ihren Raum | |
finden wie Sargon Khnus hyperdefinierte Körperskulpturen, die sich auf | |
schwule Online-Datingpraktiken beziehen. Und, was leider keineswegs | |
selbstverständlich ist: Der Kunstverein zahlt ein Produktions- wie | |
Ausstellungshonorar, das zumindest für den Zeitraum der Vorbereitung eine | |
konzentrierte Arbeit ermöglichen soll. | |
14 Jun 2025 | |
## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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