# taz.de -- Bezahlung künstlerischer Arbeit: Muss man sich leisten können | |
> In der künstlerischen Arbeit arbeiten viele kostenlos. Unsere Kolumnistin | |
> erfährt derzeit, wie es auch anders sein kann und wünscht sich das für | |
> alle. | |
Bild: Ein Traum: Zeichnen, kreativ sein und davon leben können | |
Ich habe noch nie so glücklich gearbeitet wie an [1][dem Comic], das ich | |
gerade zeichne. Nichts daran ist schmerzhaft, wie es das Schreiben so oft | |
ist. Und wie wir uns so oft erzählen, dass es dies sein müsste. Kein | |
Imposter-Syndrom, keine Selbstzweifel, keine Schnappatmung, einfach nur | |
Freude. Daran, mir Figuren auszudenken, sie miteinander sprechen zu lassen, | |
ihnen eine Backstory zu geben, die nur ihnen gehört. | |
Wie beim Schreiben habe ich Vorbilder, manche für das Erzählerische wie | |
Alison Bechdel, die Königin der Lesbenchronik, manche für den Stil wie | |
Sonny Liew oder Jeff Lemire, die offene Striche benutzen und Skizzenhaftes | |
integrieren statt es wegzuretuschieren. Ich recherchiere die besten | |
Pinselmarker im Netz und freue mich über die Zeichner:innen, die dort | |
zeigen, mit welchen Tools und Methoden sie arbeiten. Ganz ohne Gatekeeping | |
teilen sie das einfach mit anderen. | |
Oft erlauben wir uns nicht, Dinge zu tun, die wir uns immer gewünscht | |
haben. Bis ich mir erlaubt habe, künstlerisch zu arbeiten, hat es bis in | |
meine 30er gedauert. Mit dem Medium Comic, das mich begleitet, seit meine | |
Mutter mich immer in die Kölner Stadtbibliothek mitgenommen hat, wo es ein | |
ganzes Regal voller „Gaston“ und „Marsupilami“ gab, hat es noch mal eine | |
ganze Weile länger gedauert. | |
Dass der Gig gut bezahlt ist und mir jemand mit einer Carte Blanche | |
vertraut hat, ich also auch von Außen [2][eine Art Erlaubnis] bekommen | |
habe, ist dabei nicht unerheblich. | |
Ich muss an Irland denken, wo ein [3][Pilotprojekt 2.000 Künstler:innen | |
zwei Jahre lang wöchentlich 325 Euro zur Verfügung stellt]. Ja, das ist | |
versteuert und ja, je nach Wohnort und Mietpreisen ist das mal mehr und mal | |
weniger. Wie die New York Times diese Woche berichtete, halten sich viele | |
der Teilnehmenden eher bedeckt, da sie wissen, dass 1.000 weitere | |
Künstler:innen in einer Testgruppe die Zuwendung nicht erhalten und sich | |
noch über 5.000 weitere Menschen beworben hatten, auf die das Zufallslos | |
eben nicht gefallen ist. | |
## Gewöhnt, kostenlos zu arbeiten | |
Wie sie sich fühlen, weiß ich nicht, aber vielleicht hilft der Gedanke, | |
dass da etwas ernst genommen wird und auf lange Sicht erprobt und im | |
Idealfall verstetigt werden soll. | |
Ein Comiczeichner erzählte der New York Times dann aber doch, dass er kurz | |
davor war, aufzugeben, bevor die Nachricht zur Aufnahme kam. Wir sind in | |
der Bildenden Kunst alle gewöhnt, kostenlos zu arbeiten, auszustellen, auf | |
Podien zu sitzen. Wie bei Akademiker:innen, die für ihre Publikationen | |
nicht honoriert werden, ist das der ungeschriebene Preis, den man | |
(drauf)zahlt, um dabei zu sein. | |
Dass dadurch das Bürgertum überrepräsentiert bleibt und dass sich das seit | |
der Erfindung der Uni und der Kunstakademie bis heute nicht geändert hat | |
oder sogar schlimmer wird – [4][Stichwort geplantes WissZeitG] – verwundert | |
nicht. Es erinnert uns aber daran, warum die [5][Idee des Grundeinkommens] | |
so viel mehr entgegenwirkt als nur der Ungleichverteilung von finanziellen | |
Ressourcen. Ich geh’ dann mal weiter zeichnen. | |
30 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Noemi Molitor | |
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