# taz.de -- Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Politik in Straßenfurchen | |
> Beate Scheder empfiehlt eingegossene Geschichte von Daniel Knorr, | |
> politische Möbel von Sung Tieu und Kunst im Schwimmbad. | |
Bild: Daniel Knorr, installation view, Dip in the Past, Meyer Riegger, Berlin, … | |
BERLIN taz | So knallig-neonbunt wie die Muster der Leggins, die man in den | |
1980er Jahren trug, sehen sie aus, die Wandobjekte aus eingefärbten | |
Polyurethan, die [1][Daniel Knorr] bei [2][Meyer Riegger] an den Wänden | |
verteilt hat. Schaut man genauer und nimmt den Handzettel hinzu, erschließt | |
sich, worum es sich dabei handelt. Der Künstler, der seine Praxis als die | |
eines zeitgenössischen Archäologen beschreibt, hat Abgüsse von | |
Straßenvertiefungen und Schlaglöchern genommen. | |
Das ist Knorrs Methode, die Geschichte, die sich in den Grund und Boden | |
eingeschrieben hat, zu visualisieren. Seit 2013 arbeitet er an seiner Serie | |
„Depression Elevations“, dieses Mal an Orten auf dem ehemaligen | |
Mauerstreifen Berlins, wo die einstige Trennung noch immer im Pflaster | |
sichtbar ist. Hier treffen die Abgüsse auf die titelgebende Skulpturenserie | |
„Dip in the Past“ – an der unteren Hälfte verrostete Metallleitern, die … | |
Ungewisse führen | |
Auch bei [3][Sung Tieu] trügt der erste Eindruck. So handelt es sich bei | |
den beiden Sitzgruppen, die sie bei [4][Fragile] aufgestellt hat, | |
keineswegs um harmlose Picknickbänke, vielmehr um Möbel, wie sie im | |
Strafvollzug verwendet werden. Deren erstaunliche Ähnlichkeit zu solchen im | |
öffentlichen Raum weckte das Interesse der Künstlerin, denn: Wer schützt | |
hier eigentlich wen wovor? Und welches Menschenbild steckt dahinter? | |
In einem fiktionalen Zeitungsartikel lässt Tieu von einer Prügelei unter | |
Eltern auf einem Spielplatz im Hamburger Reichenviertel Harvestehude | |
berichten, die nur unter massivem Polizeieinsatz hätte geschlichtet werden | |
können. Auch erwähnt werden darin die neuen unverwüstlichen Bänke, deren | |
abgerundete Ecken sich in der Konfliktsituation bewährt hätten. Je länger | |
man sich in der Installation aufhält, die auch eine Sechskanalsoundarbeit | |
und ein Video umfasst, desto bedrückender wirkt sie. Tieu macht die Gewalt, | |
die sich in funktionalen Dingen verbirgt, körperlich spürbar. | |
Auf andere Art aufregend geht es in der diesjährigen Gruppenausstellung des | |
Kunst-Kiosks [5][Tropez] im Sommerbad am Humboldthain zu. „Amour“ eint | |
Arbeiten, die mal direkter mal subtiler das Freibad an sich und die Reize | |
leicht bekleideter oder nackter Körper umschreiben – wie man ihnen eben | |
auch am Pool begegnet. Mit dabei sind Gili Avissar, Natalie Czech, Constand | |
Dullart, Julie Favreau, Bertrand Flanet, Luzie Meyer, Hayal Pozanti, | |
Michael Sports und Kira Bunse, aus deren Fotografien junger Badegäste ein | |
Kalender entstehen soll | |
Dieser Text erschien im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
immer donnerstags in der Printausgabe der taz. | |
12 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] http://www.meyer-riegger.de/en/data/artists/166/daniel-knorr.html | |
[2] http://www.meyer-riegger.de/ | |
[3] https://sungtieu.com/ | |
[4] https://www.fragile.berlin/ | |
[5] http://tropeztropez.de/ | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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