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# taz.de -- Krauthausen im Gespräch mit Steinmeier: „Keine logische Argument…
> In der Coronakrise kämpfen Menschen mit Behinderung abermals um
> essentielle Rechte. Raul Krauthausen übt beim Bundespräsidenten Kritik.
Bild: Sucht häufiger den Dialog mit Politiker*innen: Inklusionsaktivist Raul K…
Berlin taz | „Ob wohl das Schloss Bellevue rollstuhlgerecht ist? Was meinen
Sie?“ [1][Raul Krauthausen] grinst in die Kamera und lädt sich auf diese
Weise kurzerhand beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auf einen
Karottensaft ein, um das in einer Pandemie-freieren Zukunft mal zu
überprüfen.
Mit dem „Babo aller Bürger*innen“, wie Krauthausen den Bundespräsidenten
auf seinen Social-Media-Kanälen ankündigte, sprach er am frühen
Dienstagabend in einem kurzen Livetalk auf Instagram über [2][Corona und
die Situation von Menschen mit Behinderung]. Der Talk ist Teil von
Steinmeiers Social-Media-Gesprächsreihe #miteinander. Mit Krauthausen hat
er sich den wohl bekanntesten und auch reichweitenstärksten deutschen
Inklusionsaktivisten als Gast ausgesucht.
## Forderungen nach Antworten
Steinmeier, im lockeren Homeoffice-Look, nahm sich für das Gespräch mit
Krauthausen dann 22 Minuten Zeit. Am Ende lächelte er zufrieden und
glaubte, dass die Aussagen Raul Krauthausens „bei den Menschen, die
zugeschaut haben, angekommen sind.“ Krauthausen macht im anschließenden
Gespräch mit der taz klar: Er und andere Inklusionsaktivist*innen wollen
nicht die knapp 1.400 Instagram-Zuschauer*innen erreichen. Seit 11 Monaten
Coronapandemie fordern sie klarere Antworten von politischen
Entscheidungsträger*innen.
Schon im März 2020 initiierten Krauthausen und seine Mitstreiter*innen die
Kampagne #Risikogruppe, um in den sozialen Medien darauf aufmerksam zu
machen, [3][dass nicht nur alte und todkranke Menschen besonders gefährdet
sind durch die Coronapandemie.] Für Menschen mit Lähmungen, chronischen
Muskelerkrankungen oder für Menschen mit Glasknochen, wie auch Krauthausen,
war die mögliche Infektion mit dem Coronavirus von Beginn an eine besonders
große Gefahr.
Zunächst riefen sie daher zu solidarischem Verhalten durch Abstand halten
auf, dazu, zu Hause zu bleiben und die Hygienemaßnahmen einzuhalten. Im
Juli haben sie beim Bundesverfassungsgericht Karlsruhe
Verfassungsbeschwerde gegen die „Gebrechlichkeitsskala“ im Falle [4][einer
Triage] in Krankenhäusern eingereicht. Was diese für Menschen mit
Behinderung bedeute, hat [5][Richterin Nancy Poser gegenüber der taz
erklärt:] „Wenn man einen Rollstuhl braucht, Assistenzbedarf hat oder am
Rollator geht, wird man im direkten Vergleich zu einer nichtbehinderten
Person schlechter eingestuft.“
Nancy Poser gehört, wie auch Krauthausen, zu den Gründungsmitgliedern von
[6][„Ability Watch“], einem Zusammenschluss von Menschen mit Behinderung,
die politische Entscheidungen im Hinblick auf Inklusion kritisch begleiten
und regelmäßig auf die mangelnde Einhaltung der
UN-Behindertenrechtskonvention hinweisen. Öffentlichkeit kreieren, das kann
man in Coronazeiten am besten über die sozialen Plattformen. Ein Grund,
warum Raul Krauthausen den Live-Talk mit dem Bundespräsidenten auch nutzen
wollte. Steinmeier lobte direkt das Engagement der Aktivist*innen. Doch zur
konkreten Umsetzung von früh geäußerten Forderungen, zum Beispiel, dass die
wichtigen Informationen zum Coronavirus von der Bundesregierung
barrierefrei, etwa mit Übersetzungen von Gebärdendolmetscher*innen, zur
Verfügung stehen, muss er Nachbesserungsbedarf einräumen.
## Es gibt keine Klarheit
Auch der [7][Impfstart] wirft neue Fragen auf. Menschen, die aufgrund ihrer
Behinderung zwar zur vulnerablen Gruppe gehören, aber nicht in
Einrichtungen, sondern autonom wohnen, tauchen nicht in den
[8][priorisierten Gruppen] für die Impfstoffverteilung auf. Dazu gehört
auch Krauthausen, der sich sofort impfen lassen würde. „Es gibt bislang
keine logische Argumentation, warum Menschen mit Behinderung zuhause keine
Impfungen bekommen, aber Menschen in Einrichtungen“, sagt Krauthausen
später der taz.
Dabei wolle er keine Gruppen gegeneinander ausspielen, es störe ihn aber
die Kommunikation: „Es ist allen Menschen vermittelbar, dass es noch nicht
genug Impfstoff gibt. Was aber fehlt, ist Klarheit.“ Viele Menschen seien
unsicher, wer zu welcher Gruppe gehöre und wie sie über einen möglichen
Impftermin informiert werden würden. „Das ist für ein Land, das seine ganze
Existenz auf Bürokratie begründet hat, ein echtes Armutszeugnis“, sagt
Krauthausen. Die Verunsicherung, die durch diese spärliche Kommunikation
entstehe, würde bei Betroffenen ein Gefühl von „die haben uns eh vergessen�…
kreieren, berichtet Krauthausen. Im kurzen Gespräch mit Steinmeier, der dem
Aktivisten lieber persönliche Fragen stellt, prallt die Kritik an den
unklaren Beschlüssen an dessen routinierten und freundlichen
Floskelantworten ab. „Man wird umarmt und dann vergessen“, sagt
Krauthausen.
Digitaler Fortschritt jetzt interessanter
Auch sei es es für ihn wenig verwunderlich, dass in einer Zeit, in der alle
Menschen auf Homeoffice, Fernunterricht, Online-Vorlesungen und
elektronische Behördengänge angewiesen seien, diese schnell möglich gemacht
würden. Vor der Pandemie sei diese digitale Teilhabe, die von Menschen mit
Behinderung schon lange gefordert wird, in vielen Bereichen ignoriert
worden. Doch während die Umstellung auf digitale Angebote teilweise mehr
Inklusion schaffe, wird eine große Gruppe von Menschen mit Behinderung in
dieser Hinsicht wieder vergessen: „Viele Menschen in Einrichtungen haben
keinen Zugang zum Internet oder es gibt teilweise einen Computer für alle
und kein WLAN“, sagt Krauthausen.
In den Online-Kommentaren kam das Gespräch zwischen dem Bundespräsidenten
und Raul Krauthausen gut an. Einige Zuschauer*innen lobten die Initiative
Steinmeiers ein Live-Format mit Bürger*innen zu machen. Um jedoch
tiefergehend Lösungsansätze zu diskutieren sind 22 Minuten schlicht zu
kurz.
13 Jan 2021
## LINKS
[1] /Raul-Krauthausen-ueber-Mediennarrative/!5692940
[2] /Triage-in-Deutschland/!5735717
[3] /Menschen-mit-Behinderung-in-Coronakrise/!5683276
[4] /Risikoethiker-ueber-Triage-in-Pandemie/!5735983
[5] /Richterin-ueber-Triage/!5735415
[6] https://abilitywatch.de/
[7] /Impfstoffverteilung-in-der-EU/!5738105
[8] /Debatte-um-Impf-Reihenfolge/!5736422
## AUTOREN
Linda Gerner
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Schwerpunkt Coronavirus
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