| # taz.de -- Konzerte in Berlin: Awareness, Drugs and Rock ’n’ Roll | |
| > Nach Vorwürfen von sexualisierter Gewalt um Rammstein-Konzerte fordern | |
| > die Grünen ein Awareness-Konzept. Das soll generell für kulturelle | |
| > Veranstaltungen gelten. | |
| Bild: Zu oft nutzen Stars das Machtgefälle zwischen den Fans aus | |
| BERLIN taz | Der [1][Fall Rammstein] ist für Bahar Haghanipour nur der | |
| Auslöser. „Das ist kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem“, | |
| sagte die Grünen-Abgeordnete und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses bei | |
| einer Pressekonferenz am Donnerstag. „Der Kulturbetrieb ist mit seinem | |
| Starkult und den oft beträchtlichen Machtgefällen besonders anfällig für | |
| Machtmissbrauch.“ | |
| Die Grünen-Fraktion will daher ein umfangreiches Konzept für Kultur- und | |
| Sportveranstaltungen ins Abgeordnetenhaus einbringen. Damit wollen sie | |
| Besucher*innen bei Konzerten, auf Festivals, in Clubs und bei Kultur- | |
| und Sportveranstaltungen vor sexistischer und sexualisierter Gewalt | |
| schützen. | |
| Demnach soll das Land Betreiber*innen von Veranstaltungen in Zukunft | |
| verpflichten, in ihren Sicherheitskonzepten auch Vorkehrungen gegen Gewalt, | |
| Missbrauch und Nötigung zu etablieren. Für Veranstaltungsstätten mit mehr | |
| als 5.000 Plätzen sollen die Maßnahmen obligatorisch sein – so, wie derzeit | |
| auch schon bestimmte Brandschutzvorkehrungen oder generelle | |
| Sicherheitsbestimmungen ab dieser Veranstaltungsgröße greifen. | |
| „Dazu gehören Awareness-Teams, die für die Besucher*innen erkennbar und | |
| ansprechbar sein müssen, und auch Safer Spaces, also abgeschiedene Räume, | |
| in die sich insbesondere Frauen und Angehörige marginalisierter Gruppen | |
| zurückziehen können, wenn sie sich unsicher fühlen“, sagte Haghanipour. F�… | |
| kleinere Veranstaltungen soll es eine Musterklausel geben, die auch hier | |
| die Veranstalter*innen dazu anhalten soll, Awareness-Konzepte | |
| anzuwenden. | |
| ## Schulungen und Beratungen | |
| Außerdem wollen die Grünen konkrete Handlungsempfehlungen erarbeiten, | |
| Schulungsformate entwickeln, Beratungsangebote ausweiten und sich daran | |
| beteiligen, einen Verhaltenskodex auszuarbeiten. Haghanipour machte dabei | |
| deutlich, dass sie solche Maßnahmen als kleinen Beitrag gegen Frauenhass | |
| und für Gleichberechtigung sieht. „Die Kultur- und Medienbranche braucht | |
| einen Kulturwandel“, sagte sie. | |
| „Frauenfeindliche Strukturen ziehen sich durch alle Bereiche der | |
| Gesellschaft“, erläuterte Rechtsanwältin Asha Hedayati auf der | |
| Pressekonferenz die Hintergründe für ein solches Schutzkonzept. Sie | |
| vertritt vor allem [2][von Partnerschaftsgewalt betroffene Frauen.] „Oft | |
| erlebe ich, dass Frauen Angst davor haben, über ihre Gewalterfahrungen | |
| öffentlich zu sprechen, weil sie Abwertungen oder Angriffe fürchten“, sagt | |
| sie. „Das Umfeld der Täter schweigt, und ermöglicht die Taten dadurch. | |
| Dieses Schweigen stabilisiert sexistische Strukturen.“ Kurzfristig könnten | |
| solche Konzepte und niedrigschwellige Anlaufstellen helfen, auf lange Sicht | |
| brauche es Arbeit mit den Männern an ihren Rollenbildern und Vorstellungen | |
| von Männlichkeit. Hedayati wies darauf hin, dass Deutschland sich mit der | |
| Istanbul-Konvention auch zur vorbeugenden Täterarbeit verpflichtet habe. | |
| „Doch gerade in der Prävention gibt es in Berlin noch beträchtliche | |
| Mängel“, sagte sie. | |
| Die Vorschläge wolle sie auch mit der Zivilgesellschaft diskutieren, sagt | |
| Haghanipour. „Für Berlin gibt es aus der Theaterbranche, vom Musicboard und | |
| von der Clubcommission schon gute Ansätze.“ Darauf wolle sie nun aufbauen. | |
| Die Grünen wollen das Konzept im Herbst ins Parlament einbringen und hoffen | |
| auf Unterstützung auch aus anderen Fraktionen. | |
| ## Awareness „von innen“ | |
| Akteur*innen wie die Clubcommission oder die Initiative Fairstage setzen | |
| ebenfalls auf Awarenessarbeit. Sie gehen allerdings davon aus, dass das | |
| „von innen“ passieren muss, damit sich auch wirklich langfristig und | |
| grundlegend etwas ändert. [3][„Awareness kann nicht durch einen Ruf von | |
| oben kommen, sie muss intern entstehen“], sagte Katharin Ahrend im Juni im | |
| taz-Interview. Sie ist Co-Geschäftsführende der Awarenessakademie, die seit | |
| 2019 Teil der Clubcommission ist und zu Diversität und Antidiskriminierung | |
| arbeitet. | |
| Ahrend fordert: „Die Politik muss sich überlegen, wie vorhandene Strukturen | |
| ausgebaut werden können.“ Für die Politik sei die Awarenessakademie immer | |
| ansprechbar, denn es sei wichtig, dass ein Kodex für Awarenessarbeit aus | |
| der tatsächlichen Arbeit heraus entstehe. | |
| Einen weiteren Impuls setzt Fairstage, ein Projekt, dass sich für den Abbau | |
| von Diskriminierung an Berliner Theatern einsetzt. Die Senatsverwaltung | |
| rief das Modellprojekt 2021 ins Leben, nachdem es gegen die Schaubühne und | |
| das Gorki Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der sexualisierten Gewalt gab. | |
| Haghanipour betonte den Vorbildcharakter des Projekts. Das Konzept der | |
| Grünen solle deshalb daran angelehnt entwickelt werden. Die Initiative | |
| beinhaltete Expert*innen Interviews und ein offener Dialog mit | |
| unterschiedlichen Akteur*innen. | |
| ## Proteste am Olympiastadion | |
| Auch bei den drei Rammstein-Konzerten im Olympiastadion ab Samstag wird ein | |
| Awareness-Team anwesend sein. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte | |
| außerdem Aftershow-Partys in Gebäuden des Landes Berlin untersagt. Auch die | |
| ominöse „Row Zero“, aus der heraus bei vergangenen Konzerten junge Frauen | |
| dem Sänger zugeführt worden sein sollen, wird bei den Berliner Konzerten | |
| wohl leer bleiben. [4][Im Vorfeld hatten zwei Initiativen in Schreiben an | |
| den Senat ein Verbot der Konzerte gefordert.] Verbieten lassen sie sich | |
| nicht, wie der Senat am Donnerstag noch mal betonte, die Verträge seien | |
| gültig. | |
| Doch unkommentiert werden die Konzerte nicht stattfinden. Die Gruppe „Kein | |
| Rammstein Berlin“ hat für Samstag zu einer Demonstration aufgerufen. Um | |
| 14.30 Uhr wollen die Demonstrierenden am Theodor-Heuss-Platz starten, um | |
| dann 16 Uhr vor dem Konzert im Olympiastadion ihre Solidarität mit den | |
| Betroffenen auszudrücken. | |
| 14 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Berliner-Rammstein-Konzerte/!5943360 | |
| [2] /Zunehmende-Gewalt-in-Partnerschaften/!5943214 | |
| [3] /Debatte-um-Rammstein-Konzerte-in-Berlin/!5937340 | |
| [4] /Rammstein-im-Berliner-Olympiastadion/!5940306 | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
| Kajo Roscher | |
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