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# taz.de -- Konstruktiver Journalismus: Es geht auch schöner
> Positiver und lösungsorientierter: Eine Gruppe Wissenschaftler will den
> Journalismus besser machen. Das Projekt ist kurz vor dem
> Finanzierungsziel.
Bild: Gutes zeigen: Bongekile Mabuya von den „Clowns Without Borders“ in S�…
Wenn man die Nachrichten der vergangenen Tage zusammenfasst, dann sind da
Terror in Brüssel, Terror in Istanbul, ein fauler EU-Türkei-Deal und
frierende Flüchtlinge in Idomeni. Schlechte Nachrichten überall. Das macht
Leser und Zuschauer krank, glaubt eine kleine Bewegung, die gerade aus den
USA und Skandinavien nach Deutschland schwappt. Mit „konstruktivem
Journalismus“ will sie das ändern.
„Er ist das Gegenteil zum aktuellen problemzentrierten Journalismus“, sagt
Uwe Krüger, Journalistikdozent der Uni Leipzig. „Er lenkt Aufmerksamkeit
nicht nur auf Probleme und Missstände, sondern auf Menschen und Projekte,
die etwas verändern wollen.“
Die prominentesten Verfechter dieser Idee in Deutschland sind die Gründer
von [1][“Perspective Daily“]. Gerade sammeln sie Geld für den Start. Für …
Euro im Jahr versprechen sie eine „tägliche Dosis neuer Perspektiven“.
12.000 Mitglieder will das Team gewinnen. Mehr als 10.000 haben sie schon,
sechs Tage läuft das Crowdfunding noch. „Wir möchten einen Journalismus
machen, der ein realistisches Weltbild vermittelt“, sagt Maren Urner, eine
der Gründerinnen. „So negativ, wie die Medien häufig berichten, lässt es
viele Leser apathisch zurück. Wir hingegen wollen unsere Leser ermutigen,
ihnen zeigen, dass sie etwas tun können.“
Urner ist promovierte Neurowissenschaftlerin, journalistische Erfahrung hat
sie in verschiedenen Redaktionen gesammelt. Ihre Mitstreiter haben ähnliche
Profile – und genau darauf bauen sie: Ihr Journalismus soll auf Fakten und
auf Studien basieren. Schreiben darf nur, wer einen wissenschaftlichen
Hintergrund hat.
Neu ist das Konzept nicht. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte der
Friedensaktivist Robert Jungk in den USA eine Agentur für gute Nachrichten
aufzubauen, scheiterte aber an der Finanzierung. Die Idee allerdings hat
überlebt: Der Nachrichtenchef des öffentlich-rechtlichen dänischen
Rundfunks, Ulrik Haagerup, hat im vergangenen Jahr ein Buch darüber
geschrieben, wie er versucht, in seinen Sendern konstruktiv zu berichten.
Der US-amerikanische Autor David Bornstein kolumniert seit 2012 in der New
York Times über „Fixes“: Verbesserungsvorschläge für die Welt.
## Schlechte Nachrichten führen zu Stress
Wenn Maren Urner und Uwe Krüger über die Ziele des konstruktiven
Journalismus sprechen, argumentieren sie mit der Leserforschung. So haben
[2][Forscher der Uni Southampton] gezeigt, dass zu viele negative
Nachrichten bei Lesern Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit und Stress
auslösen.
„Konstruktiver Journalismus kann außerdem den Medienhäusern helfen, ihre
Reichweite zu steigern – und gesellschaftlichen Fortschritt befeuern“, sagt
Uwe Krüger. Auch dafür gibt es Studien, die zeigen, dass Menschen mehr
Artikel in einer Zeitung lesen, in der Konstruktives steht, als in
Zeitungen, die mehr über Konflikte berichten.
Doch die Welt besteht nun einmal nicht nur aus guten Nachrichten. In Syrien
tobt Krieg. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Pole schmelzen. Ist
es da nicht ein bisschen naiv und wohlfeil, gute Nachrichten zu fordern?
Auch über Syrien könne man konstruktiv berichten, sagen Uwe Krüger und
Maren Urner: mehr Fokus auf die komplexen geopolitischen Zusammenhänge,
weniger Einzelmeldungen über jeden neuen Bombenanschlag, weniger Propaganda
übernehmen, öfter auch mal Friedensinitiativen vorstellen. Das klingt gut,
ist allerdings kein Unikat des konstruktiven Journalismus. Es sind die
Maßstäbe für guten Journalismus.
## „Weltrettung als Ideenwettbewerb“
Es mag sein, dass hoffnungsvolle Beispiele für eine sich verbessernde
Gesellschaft wenig im medialen Mainstream vorkommen, aber sind Journalisten
Entertainer? Ist es ihre Aufgabe, Leser aufzuheitern? Oder besteht ihre
Aufgabe nicht viel mehr darin, über Probleme zu berichten, Skandale
aufzudecken, den Leser zu befähigen, sich ein Bild von der Welt zu machen?
Der Begriff des „lösungsorientierten Journalismus“ klingt, als seien
Journalisten PR-Agenten des gesellschaftlichen Fortschritts. „Weltrettung
als Ideenwettbewerb“ hat das die Journalistin Kathrin Hartmann
[3][verächtlich genannt].
Der konstruktive Journalismus, schreibt sie, tappe in die Falle des
neoliberalen Ideals: Wenn wir alle mit anpackten, würde die Welt eine
besser werden. Soziale Missstände aber haben komplexe, zum Teil
strukturelle Ursachen. Ein Bericht über den netten Kleingartenverein
bekämpft soziale Ungleichheit nicht. Kontinuierliche Berichterstattung über
Fehler im Bildungssystem vielleicht schon eher.
Maren Urner sagt, dass sie weder Schönfärberei noch Kampagnen betreiben
möchte. Auch ihre Artikel suchten nach Problemen, zeigten Haltung, seien
kritisch und undogmatisch. Aber das „Naming and shaming“, was viele Medien
betreiben, also die permanente Suche nach einem Schuldigen, wolle sie
beenden. „Uns ist wichtiger zu diskutieren, wie es weitergehen kann.“
Dieser Idee folgen mittlerweile auch etablierte Medienhäuser: Spiegel
Online veröffentlichte im vergangenen Jahr einen Tag lang „Artikel, die
weitergehen“. Der Spiegel druckt seit Anfang des Jahres die wöchentliche
Kolumne „Früher war alles schlechter“. Urner und ihre Kollegen wollen
dieses Angebot des Konstruktiven nun ausweiten, als Ergänzung, nicht als
Ersatz zur bestehenden Berichterstattung.
23 Mar 2016
## LINKS
[1] http://perspective-daily.de/
[2] http://theconversation.com/shock-horror-behind-the-ethics-and-evolution-of-…
[3] http://www.message-online.com/archiv/message-1-2014/leseproben/erloesungsjo…
## AUTOREN
Anne Fromm
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