| # taz.de -- Katja Wolf über die Brombeer-Koalition: „Ich musste mich nicht g… | |
| > Das BSW in Thüringen hat der Koalition zugestimmt, doch auf Landeschefin | |
| > Wolf warten mehr Aufgaben. Die Wahl eines AfD-Vizepräsidenten fände sie | |
| > okay. | |
| Bild: Die BSW-Vorsitzende in Thüringen Katja Wolf war zwischenzeitlich auf Kon… | |
| taz: Frau Wolf, mögen Sie politische Konflikte? | |
| Katja Wolf: Wer mag Konflikte? Ich zähle mich nicht zu jenen, die Konflikte | |
| suchen. Aber wenn sie anstehen, muss man sie ausfechten. | |
| taz: Sahra Wagenknecht hat [1][auf dem Parteitag am Wochenende gesagt], | |
| dass es jetzt gelte, sich in der Koalition mit der CDU und der SPD | |
| durchzusetzen, das werde nicht immer „konfliktfrei“. Welche | |
| Auseinandersetzungen erwarten Sie? | |
| Wolf: In Koalitionen wird die erste Auseinandersetzung normalerweise immer | |
| über den Haushalt ausgefochten. Das ist Konfliktpunkt Nummer eins: die | |
| Verteilung von zu geringen Ressourcen. | |
| taz: In der Präambel zeigt sich auch ein Konfliktpunkt beim Angriffskrieg | |
| auf die Ukraine. Alle drei Parteien wollen eine diplomatische Lösung, aber | |
| wie sie die herbeiführen, da sind sie uneins. Warum haben Sie das nicht | |
| ausgefochten? | |
| Wolf: Wir sind in Thüringen schon verfassungsmäßig nicht für Außenpolitik | |
| zuständig. Unsere Partner haben darauf hingewiesen, dass sie keine Präambel | |
| schreiben, die verfassungsrechtlich angreifbar ist. Es gibt das klare | |
| Bekenntnis, im Rahmen der Möglichkeiten einer Landesregierung zu | |
| diplomatischen Lösungen beizutragen und das Thema Waffenlieferung und | |
| Raketenstationierung in Bürgerräten zu diskutieren. Ich will uns nicht | |
| kleiner machen, als wir sind. Aber wir haben in Thüringen keine | |
| außenpolitische Verantwortung. Außerdem soll ein Koalitionsvertrag geprägt | |
| sein von Gemeinsamkeiten. | |
| taz: Zeigt das, wie es [2][in der Koalition weitergeht]? Sie versprechen im | |
| Koalitionsvertrag neue Lehrer:innen und Polizist:innen und wollen | |
| die lahmende Wirtschaft in Thüringen ankurbeln. Aber im Haushalt ist kaum | |
| Geld da. Einigen Sie sich dann auch darauf, dass Sie sich nicht einigen | |
| können? | |
| Wolf: Bei Haushaltsverhandlungen muss man sich immer einigen. Am Ende muss | |
| eine Zahl dastehen. | |
| taz: Und das kriegen Sie auch hin? | |
| Wolf: Ich habe keine Zweifel über die Kompromissfähigkeit unserer | |
| Koalition. | |
| taz: Sahra Wagenknecht hat lange Kritik an Ihrem Sondierungspapier | |
| geäußert. Die Formulierungen zum Frieden seien zu vage gewesen, eine | |
| Position gegen Waffenlieferungen und US-Raketen habe gefehlt. Am Ende aber | |
| hat sie auf Ihrem Parteitag für den Koalitionsvertrag geworben. Wie haben | |
| Sie sich gegen sie durchgesetzt? | |
| Wolf: Ich musste mich gar nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen. Wir | |
| haben ihr frühzeitig den Endstand des Koalitionspapiers zur Kenntnis | |
| gegeben. Sie hat festgestellt, dass ihre Kritikpunkte hineinverhandelt | |
| wurden. Es war aus meiner Sicht vernünftig, dass der Bundesvorstand klare | |
| Erwartungen an uns formuliert hat. | |
| taz: Gibt es vom Bundesvorstand auch Vorgaben für die | |
| Haushaltsverhandlungen? | |
| Wolf: Nein. Der Beschluss des Bundesvorstands war eine Erwartungshaltung, | |
| die ich verstanden habe. Insbesondere für eine der ersten Koalitionen, die | |
| das BSW anstrebt. | |
| taz: „Erwartungshaltung“ klingt nach so wenig. Mitglieder des | |
| Bundesvorstands haben Sie öffentlich hart kritisiert. | |
| Wolf: Das muss man aushalten. | |
| taz: Wie fanden Sie es, dass der Bundesvorstand 21 Mitglieder in Ihrem | |
| Landesverband aufgenommen hat, ohne das mit Ihnen abzusprechen? | |
| Wolf: Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. | |
| taz: Und das muss man aushalten? | |
| Wolf: In Anbetracht dessen, dass die Satzung an der Stelle relativ | |
| eindeutig ist, haben wir das intern diskutiert. Wir hatten hinterher die | |
| Chance, als Landesverband Mitglieder aufzunehmen. Damit sind wir einer der | |
| größten Landesverbände, auf Augenhöhe mit Nordrhein-Westfalen. Das ist ja | |
| auch schon mal was. Insgesamt gesehen war das aber keine rühmliche | |
| Geschichte. Haken dran. | |
| taz: Wird sich [3][Wagenknecht aus der Landesregierung] raushalten? | |
| Wolf: Sie wird sich nicht raushalten, weil Sahra Wagenknecht weiterhin von | |
| uns eingebunden wird. Wo es wichtig ist, Punkte mit Berlin abzustimmen, | |
| werden wir das tun. | |
| taz: Was halten Sie vom Personenkult? | |
| Wolf: Das ist eine Suggestivfrage, die ein bisschen billig ist. Werden Sie | |
| jemanden finden, der Ihnen antwortet: „Personenkult finde ich super“? | |
| taz: Das weiß ich nicht. | |
| Wolf: Sie unterstellen, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht Personenkult | |
| betreiben würde. | |
| taz: Das haben Sie jetzt gesagt. | |
| Wolf: Weder ich möchte, dass um meine Person Personenkult passiert, noch | |
| nehme ich bei Sahra Wagenknecht die Liebe zum Personenkult wahr. | |
| taz: Aber gibt es im [4][BSW eine Tendenz zum Personenkult]? Der Parteitag | |
| in Thüringen wurde unterbrochen, als die Vorsitzende ankam, um ihr einen | |
| schönen Empfang zu bereiten. | |
| Wolf: Sahra Wagenknecht ist eine starke Frau mit einer enormen | |
| Ausstrahlung. Dass es viele Menschen gibt, die sie begeistern kann, finde | |
| ich gut. Das ist eine Stärke. | |
| taz: In Ihrer Rede auf dem Parteitag haben Sie Wagenknecht für ihren Mut, | |
| ihre Klugheit und ihre Ratschläge gedankt. Nach allen Konflikten und dem, | |
| was Sie aushalten mussten. | |
| Wolf: Sahra Wagenknecht hat sich in den letzten Wochen intensiv in | |
| Thüringen eingebracht. Ich finde es gut, dass nicht alles wie geschnitten | |
| Brot durchrutscht, sondern wir inhaltlich gestritten haben, obwohl es | |
| zwischendurch anstrengend war. | |
| taz: Diese Woche wählt der Thüringer Landtag den Ministerpräsidenten in | |
| Thüringen. Ihre Koalition hat nur 44 von 88 Stimmen, keine absolute | |
| Mehrheit. Nun könnte Mario Voigt mit Stimmen der AfD gewählt werden. Wie | |
| würden Sie das bewerten? | |
| Wolf: Mario Vogt wird im dritten Wahlgang mit sehr großer | |
| Wahrscheinlichkeit gewählt. Und das ist für mich ein maßgeblicher | |
| Unterschied zur Kemmerich-Wahl von 2020. Der Landtag hat aus dem | |
| Kemmerich-Debakel gelernt. Jetzt ist die Frage: Auf welche Spielchen der | |
| AfD lasse ich mich ein? Die AfD mit ihren etwas mehr als 30 Prozent darf | |
| nicht zum Scharfrichter des Landtags werden. Das Ziel ist, dass Mario Voigt | |
| ohne AfD-Stimmen gewählt wird. Dafür ist auch die Linke mit in der | |
| Verantwortung. | |
| taz: Neben der Wahl des Ministerpräsidenten steht noch die eines weiteren | |
| Vizepräsidenten für den Landtag an. [5][Die AfD möchte Jörg Prophet | |
| aufstellen]. Sie sagten bei einer Pressekonferenz vergangene Woche, einige | |
| Mitglieder Ihrer Fraktion könnten sich vorstellen, ihn zu wählen. | |
| Wolf: Und das finde ich in Ordnung. Die haben das gut begründet. | |
| taz: Herr Prophet hat vor vier Jahren einen Text veröffentlicht, in dem er | |
| schrieb, amerikanische Soldaten, die 1945 das Konzentrationslager Mittelbau | |
| Dora befreit haben, seien moralisch so verkommen wie die SS. Noch | |
| unmoralischer seien nur heutige Sozialist:innen. | |
| Wolf: Die AfD hat ein Vorschlagsrecht. Die Frage ist doch, bis wohin | |
| akzeptiere ich ein Vorschlagsrecht und wo ziehe ich meine Grenze? Herr | |
| Prophet hat sich unserer Fraktion vorgestellt und seine Aussagen erklärt | |
| Ich teile diese Einschätzung nicht. Aber es gibt Mitglieder in der | |
| Fraktion, die sagen, dass sie sich nicht auf das Spiel der AfD einlassen | |
| wollen, sich in die Opferrolle zu begeben, wenn wir sie nicht wählen. | |
| taz: Wo hört Ihr Verständnis auf? | |
| Wolf: Die Fraktion hat sehr eindeutig Wiebke Muhsal von der AfD als | |
| Vizepräsidentin und als Präsidentin des Landtags abgelehnt. | |
| taz: Lutz Liebscher, der Fraktionsvorsitzende ihrer Koalitionspartnerin | |
| SPD, hat gesagt: Wer Jörg Prophet wähle, sei kein Demokrat. | |
| Wolf: Das ist die Einschätzung von Lutz Liebscher. | |
| taz: Haben Sie einen Konflikt mit der SPD, wenn Liebscher Mitglieder ihrer | |
| Fraktion als Nichtdemokraten bezeichnet? | |
| Wolf: Ich halte das für keine glückliche Formulierung, unseren | |
| Fraktionsmitgliedern in diesem Zusammenhang abzusprechen, dass sie | |
| Demokraten sind. Da macht es sich Herr Liebscher ein kleines bisschen zu | |
| leicht. Aber auch das werden wir aushalten. | |
| Anm. d. Red: Dieses Interview wurde am 11.12.2024 um 11.41 aktualisiert. | |
| 10 Dec 2024 | |
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| [5] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/afd-prophet-landtagsvizepraesiden… | |
| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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