| # taz.de -- Machtkämpfe beim BSW: Thüringer Wirsing-Rochade | |
| > Auf dem Thüringer BSW-Landesparteitag treten Anke Wirsing und Matthias | |
| > Bickel gegen den aktuellen Vorstand an. Unterstützung kommt von ganz | |
| > oben. | |
| Bild: Diese beiden wollen den Thüringer Landesverband umkrempeln: Sven Küntze… | |
| Leipzig und Dresden taz | Schon wieder knirscht es laut und öffentlich beim | |
| Bündnis Sahra Wagenknecht: In zwei Wochen steht der Landesparteitag in | |
| Thüringen an. Die bisherigen Thüringer Landesvorsitzenden Katja Wolf und | |
| Steffen Schütz wollen wieder antreten – [1][sehen sich nun aber zwei | |
| Gegenkandidat:innen gegenüber.] Und im Gegensatz zu Schütz und Wolf | |
| haben die beiden die Unterstützung vom Bundesvorstand. | |
| Sie heißen Anke Wirsing und Matthias Bickel und gelten beide als loyal | |
| gegenüber der Parteivorsitzenden Sahra Wagenknecht. Wirsing war früher bei | |
| der Linken und sitzt nun für das BSW im Thüringer Landtag. Für Bickel ist | |
| das BSW die erste Partei. Die beiden seien gut geeignet für den Vorsitz, | |
| findet BSW-Generalsekretär Christian Leye. Er fühle, in Thüringen brauche | |
| es neue Impulse, erklärte er dem Mitteldeutschen Rundfunk. Landtagsmitglied | |
| Sven Küntzel will als stellvertretender Landesvorsitzender kandidieren, | |
| [2][berichtete der MDR]. Auch er signalisierte, Wirsing und Bickel | |
| unterstützen zu wollen. | |
| Die bisherigen Vorsitzenden Wolf und Schütz zeigten sich irritiert von der | |
| Unterstützung aus Berlin für ihre Konkurrenz. Der Konflikt zwischen der | |
| Bundespartei und dem Thüringer Landesverband schwelt schon länger. Vor | |
| allem [3][zwischen Katja Wolf und Sahra Wagenknecht] gab es [4][in den | |
| letzten Monaten mehrere Auseinandersetzungen.] | |
| Zuerst war da die Regierungsbildung in Thüringen, bei der Wagenknecht | |
| öffentlich den von Wolf verhandelten Koalitionsvertrag kritisierte. Dann | |
| nahm Wagenknecht am Landesvorstand vorbei neue Mitglieder in Thüringen auf, | |
| die ihre Position teilten – also den Koalitionsvertrag zunächst | |
| ablehnten.Trotzdem setzte sich Wolf durch und brachte in Thüringen die | |
| Brombeerkoalition mit CDU und SPD auf den Weg. | |
| Monate später, nach dem knappen Bundestagswahlergebnis, schrieb Wagenknecht | |
| dem thüringischen Landesverband eine Mitschuld daran zu, dass die | |
| Ergebnisse für das BSW bei den Bundestagswahlen in den ostdeutschen | |
| Bundesländern hinter den Erwartungen zurückgeblieben waren. Wolf und ihr | |
| Co-Vorsitzender Schütz hielten dagegen. Aus Thüringen hieß es, die | |
| überschaubare Mitgliederzahl sei einer der Gründe, weshalb es bei der | |
| Bundestagswahl im Februar nicht für den Einzug in den Bundestag gereicht | |
| habe. Bislang hat der Landesverband hier nur 126 Mitglieder. | |
| ## Bundesvorstand entscheidet über neue Mitglieder | |
| Ob neue hinzukommen, das entscheidet mehr als ein Jahr nach Gründung der | |
| Partei immer noch der Bundesvorstand. Die Idee dahinter: langsam und | |
| kontrolliert wachsen, um zweifelhafte Interessent:innen aus der Partei | |
| zu halten und „das Projekt nicht zu gefährden“, heißt es auf der Website. | |
| Darum bleibe die Mitgliederaufnahme begrenzt. | |
| Zu den rund 1.350 Mitgliedern, die das BSW derzeit hat, würden allerdings | |
| in den kommenden Wochen mehrere Hundert hinzukommen, erklärte | |
| Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali der taz. Schon vor der Wahl hatte die | |
| Partei ihren Unterstützer:innen versprochen, mehr Mitglieder | |
| aufzunehmen. Denn unter ihnen hatte die restriktive Aufnahmepraxis für | |
| Unmut gesorgt und ihren Elan gebremst. Die letzte Entscheidung über | |
| Aufnahmen soll trotzdem weiterhin beim Bundesvorstand bleiben. | |
| Wolf und Schütz haben vor, das zu ändern. Im Leitantrag, den sie ihrem | |
| Thüringer Landesverband beim Parteitag in Gera am 26. April vorlegen | |
| wollen, fordern die beiden „die Aufnahme von Mitgliedern durch Strukturen | |
| vor Ort“. Also: weniger Kontrolle für den Bundesvorstand und Sahra | |
| Wagenknecht. | |
| ## Die Landesverbände spielen trotzdem eine wichtige Rolle | |
| Im BSW wird also um Macht gekämpft. Am deutlichsten ist das gerade in | |
| Thüringen, aber nicht nur hier wird um die Richtung der Partei gerungen: | |
| Seit das BSW nicht mehr im Bundestag vertreten ist, wankt auch das | |
| Machtzentrum im Bundesverband. | |
| Sahra Wagenknecht hatte vor der Bundestagswahl angekündigt, ihr politisches | |
| Schicksal hänge vom Ergebnis ihrer neuen Partei ab. [5][Am Ende reichte es | |
| nicht für den Einzug in den Bundestag, mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen | |
| verpasste das BSW ihn knapp.] Und Wagenknecht sagte zunächst mehrere | |
| öffentliche Auftritte ab, zog sich merklich zurück. | |
| Immerhin sichert das Ergebnis durch die staatliche Parteienfinanzierung die | |
| Zukunft des BSW teilweise ab. Doch ohne Mandate im Bundestag verliert die | |
| Partei im Bund wichtige Stellen und Personal, Einkünfte und Einfluss. Die | |
| Landesverbände sind auch deshalb im alltäglichen Betrieb kaum wegzudenken: | |
| In Thüringen und Brandenburg sitzt das BSW in der Regierung, in Sachsen | |
| zumindest in Parlamenten. | |
| ## In Sachsen will das BSW über den Haushalt mitbestimmen | |
| Anfang April sitzt etwa der sächsische Co-Landesvorsitzende Jörg Scheibe | |
| zurückgelehnt auf einem Stuhl im Landtagsgebäude. In Sachsen dreht sich die | |
| Politik derzeit um die schwierigen Haushaltsverhandlungen. In den nächsten | |
| zwei Jahren fehlen 4,3 Milliarden Euro, fast überall stehen Kürzungen an. | |
| Da CDU und SPD nur eine Minderheitsregierung führen, brauchen sie 10 | |
| Stimmen der Opposition für ihren Finanzplan. Und so erhofft sich das BSW | |
| mit seinen 15 Fraktionsmitgliedern Einfluss – obwohl es nicht Teil der | |
| Regierung ist. | |
| Nach der Landtagswahl im vergangenen Jahr schien es zunächst, als würde das | |
| BSW mit CDU und SPD eine Koalition eingehen. [6][Doch die Verhandlungen | |
| platzten]. Scheibe bereut nicht, in der Opposition zu sein und nur indirekt | |
| mitzubestimmen: „CDU und SPD haben schon sehr hart um diesen | |
| Haushaltsentwurf gerungen, das wäre mit uns nicht leichter geworden. Jetzt | |
| müssen wir sehen, dass wir trotzdem unsere Marken setzen.“ Das sei eine | |
| große Verantwortung, deswegen sei die Stimmung in der Fraktion „ein wenig | |
| angespannt“. | |
| Der Haushalt ist aber nicht das Einzige, was für Anspannung sorgt: Nach der | |
| Bundestagswahl schrieb Alexander Ulrich, BSW-Landesvorsitzender in | |
| Rheinland-Pfalz und Mitglied des Bundesvorstands, in einer internen Mail an | |
| seine Parteikolleg:innen, der Osten habe „nicht geliefert“. | |
| Bei Jörg Scheibe klingt das anders: In den alten Bundesländern habe nur das | |
| BSW in Saarland mehr als 5 Prozent der Stimmen bekommen. Der sächsische | |
| Landesvorsitzende gibt sich etwas gereizt: „Da können wir uns natürlich | |
| sehr anstrengen hier.“ Aber schon im nächsten Satz schiebt er besänftigend | |
| hinterher, für eine so junge Partei sei das Ergebnis von fast 5 Prozent bei | |
| der Bundestagswahl „trotzdem ein Erfolg“. Das habe es noch nie gegeben. | |
| Nun Blick nach vorne, auf die nächsten Wahlen. In spätestens vier Jahren | |
| gibt es einen neuen Versuch bei der Bundestagswahl. Bis dahin solle vor | |
| allem die Mitgliederzahl in Sachsen steigen – aktuell sind es hier nur 84 | |
| Mitglieder. Scheibe sagt: „Wir nehmen jetzt regelmäßig Mitglieder auf und | |
| wir wollen das beschleunigen.“ Momentan könne der Landesverband monatlich | |
| ein bestimmtes Kontingent an Anwärter:innen melden, der Bundesverband | |
| nehme sie nach einer Prüfung dann auf. „Wir wollen nun, dass das deutlich | |
| mehr werden.“ | |
| Noch besser wäre es, wenn der Bundesvorstand die Entscheidung komplett den | |
| Ländern übertrage, findet Scheibe. Schon aus organisatorischen Gründen. | |
| Wenn aus allen Landesverbänden neue Mitgliedsanträge zur Kontrolle in | |
| Berlin eingehen würden, sei das schwer zu leisten, sagt er. „Letztendlich | |
| sollten wir hier entscheiden. Der Bund kann von mir aus dann auch nochmal | |
| drübergucken.“ Das sei so auch schon beantragt und in Videokonferenzen | |
| besprochen. Scheibe geht bis zur Mitte des Jahres von mehr als 100 | |
| Mitgliedern im Landesverband aus. | |
| ## In Sachsen-Anhalt sucht das BSW einen anderen Weg | |
| Der benachbarte Landesverband in Sachsen-Anhalt hat die | |
| 100-Mitglieder-Marke schon überschritten. Trotzdem warten weiter mehr als | |
| 550 Anwärter:innen darauf, dem Bündnis beizutreten. John Lucas | |
| Dittrich, einer der beiden Landesvorsitzenden, verspricht, die Aufnahme | |
| beschleunige sich nun. Bis zur Jahreshälfte sollen es mehr als 200 | |
| Parteimitglieder in Sachsen-Anhalt sein. Dittrich ist auch Teil des | |
| BSW-Bundesvorstands. | |
| Im Gespräch mit der taz versichert der 20-Jährige, die Stimmung beim BSW in | |
| Sachsen-Anhalt sei gut. Bei der Bundestagswahl schnitt das BSW hier am | |
| besten ab, 11,2 Prozent erreichte die Partei. Dabei trat Parteichefin Sahra | |
| Wagenknecht selbst hier gar nicht im Wahlkampf auf. | |
| 2026 steht die nächste Ostwahl an, die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Dann | |
| sei auch Wagenknecht dabei, versichert Dittrich. Doch zunächst stehe der | |
| weitere Parteiaufbau im Vordergrund. Dittrich sagt, der Landesverband gehe | |
| es „ruhig und strukturiert“ an, damit das Ergebnis zweistellig bleibe. In | |
| den elf Landkreisen und den drei kreisfreien Städten hätten Mitglieder und | |
| Unterstützer:innen schon beim Bundestagswahlkampf geholfen. Das müsse | |
| sich nun professionalisieren. | |
| Dabei wolle Sachsen-Anhalt seinen eigenen Schritt gehen, auch mit Blick auf | |
| andere Landesverbände. „Das Vorgehen des Thüringer Landesverbandes ist | |
| nicht unser Weg.“ Was er damit meine? „Der Weg in die Brombeerkoalition ist | |
| für uns als Partei nicht gut gelaufen. Dort haben wir massiv an Stimmen | |
| eingebüßt. Das ist kein Musterweg.“ Für den Landesverband in Sachsen-Anhalt | |
| seien die Positionen des BSW nicht verhandelbar. „Das werden wir im | |
| Wahlkampf auch sehr deutlich machen.“ | |
| Weil es in Sachsen-Anhalt um die nächste vielversprechende Wahl ginge, | |
| glaubt Dittrich, dass der Landesverband eine wichtige Rolle bekommen werde. | |
| „Wir werden uns bemühen, die auch einzunehmen.“ Aber nicht gegen den | |
| Bundesverband, sondern zusammen, betont Dittrich. (Mitarbeit: Daniel Bax) | |
| 15 Apr 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://thueringen.de/dpa-meldungen/wolf-und-schuetz-wollen-landesparteiche… | |
| [2] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/bsw-vorsitz-wahl-landesparteitag-… | |
| [3] /Katja-Wolf-ueber-die-Brombeer-Koalition/!6055295 | |
| [4] /BSW-in-Thueringen-auf-Koalitionskurs/!6042811 | |
| [5] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!6076978 | |
| [6] /Sondierungsgespraeche-in-Sachsen/!6044281 | |
| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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