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# taz.de -- Julia Klöckner über Tiere als Essen: „Fleisch nicht nur für Be…
> Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner lehnt höhere Steuern auf
> Fleisch ab. Tierquälerei in Ställen will sie in erster Linie durch ein
> neues Siegel bekämpfen.
Bild: Kälberdämmerung? Tötet unser Schnitzel Menschen, Frau Klöckner?
taz: Frau Klöckner, Klima- und Ernährungsexperten sagen: Wir [1][müssen
weniger Fleisch und Milchprodukte essen]. Sind Sie dafür, die
Mehrwertsteuer für tierische Lebensmittel von den reduzierten 7 auf die
regulären 19 Prozent zu erhöhen?
Julia Klöckner: Die Bundesregierung denkt nicht über Steuererhöhungen nach.
Das haben wir den Bürgern versprochen. Zum anderen sollte Fleisch auch
nicht etwas nur für Besserverdiener sein.
Wenn die Regierung die Mehrwertsteuer erhöht, könnte sie im Gegenzug
Hartz-IV-Empfängern mehr für Lebensmittel zahlen. Dann sieht selbst der
wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik Ihres eigenen Ministeriums kein
Problem.
Wenn Sie die höhere Steuer ausgleichen wollen, haben Sie ja gar keinen
Effekt, so wie Sie ihn eben noch wollten. Ich halte das aber grundsätzlich
für den falschen Ansatz. Pauschal gegen Fleisch zu sein ist genauso
verkehrt wie pauschal gegen Tierhalter zu sein. Gar kein Fleisch zu essen,
bedeutet ja nicht, dass dann alles besser ist. Sondern es kommt immer auf
das Maß an. Deswegen ist das Thema Ernährungsbildung wichtig.
Derzeit essen Männer in Deutschland pro Woche fast doppelt so viel Fleisch
wie die von Ernährungswissenschaftlern empfohlenen maximal 600 Gramm.
Geht es wirklich darum, [2][dass die Leute gar kein Fleisch mehr essen]
sollen – oder nur weniger?
Wir leben in einem freien Land. Und der Verbraucher entscheidet
selbstständig. Deshalb setze ich auf Information für eine ausgewogene
Ernährung, zu der nicht jeden Tag Fleisch gehört.
Wir mit unserem Fleischkonsum tragen dazu bei, dass Menschen in anderen
Erdteilen geschädigt oder sogar getötet werden durch Naturkatastrophen, die
durch den Klimawandel wahrscheinlicher werden. Ist das nicht genügend
Legitimation, um zu hohen Fleischkonsum etwas zu erschweren?
Also Sie sagen: Das Schnitzel bei Ihnen auf dem Teller tötet andere
Menschen.
Man könnte da zumindest Zusammenhänge herstellen.
Das ist mir zu platt. Warum kommt die taz denn immer in diesen Schubladen
daher? Wollen Sie dann auch das Autofahren oder Kreuzfahrtschiffe
verbieten, die sind auch nicht gut fürs Klima.
Weder die taz noch die Berater Ihres Ministeriums haben Fleischverbote
vorgeschlagen. Könnte der Staat Anreize schaffen für ein Verhalten, das gut
für die Gesundheit und das Klima ist?
Da sind wir ja alle gefordert. Vielen ist gar nicht bewusst, welche Rolle
zum Beispiel Lebensmittelverschwendung spielt. Wir werfen zu Hause im
Schnitt etwa 55 Kilogramm pro Jahr und Person weg an Lebensmitteln, die man
noch essen könnte. Mit der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung
könnten Treibhausgase eingespart werden. Deshalb engagiere ich mich mit
unserem Ministerium hierfür. Ich möchte auch ein staatliches
Tierwohlkennzeichen einführen für Fleisch, bei dessen Erzeugung höhere als
die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten wurden. Das wird dazu führen,
dass Fleisch, das unter höheren Standards produziert worden ist, etwas
teurer ist.
Aber das wird bei Weitem nicht reichen, um den Konsum auf die
gesundheitlich empfohlene Höchstmenge zu senken. Dabei würde Deutschland so
22 Millionen Tonnen Treibhausgas pro Jahr einsparen. Also doch höhere
Steuern?
Die Energiewirtschaft emittiert 750 Millionen Tonnen. Im Verkehr sind wir
bei 170 Millionen Tonnen. Diese Relation müssen wir uns anschauen. Wir
sitzen mit anderen in einem Boot. Und sagen Sie mal einem Argentinier, er
soll seinen Fleischverbrauch um zwei Drittel reduzieren. Das werden Sie
nicht schaffen, auch aus kulturellen Gründen nicht.
Wenn alle sagen, die anderen sollten ihren Ausstoß reduzieren, handelt am
Ende niemand, und wir können den Klimawandel nicht stoppen.
Ich zeige nicht auf andere. Aber natürlich beschäftigt sich die
Landwirtschaft auch mit dem Problem des Methanausstoßes von Rindern. Wir
können Tiere zum Glück nicht einfach abends ab- und morgens wieder
anschalten. Deshalb wird geforscht, zum Beispiel welches Futter die
Emissionen senken kann.
Warum werben Sie nicht einfach stärker in Kampagnen für weniger Fleisch?
Es geht nicht darum zu sagen, was ich verbiete oder nicht gut finde,
sondern dass wir positiv darüber reden, was ausgewogen und gesund ist. Ich
werbe zum Beispiel in Schulen oder in der Altenpflege für eine ausgewogene
Ernährung. Da steht nicht jeden Tag Fleisch auf der Tagesordnung, sondern
Gemüse und vieles andere. Es geht um Positivbeispiele, um Anreize,
Vorbilder, damit die gesunde Wahl zur leichten Wahl wird.
Viele meinen, wir sollten nicht nur aus Klima-, sondern [3][auch aus
Tierschutzgründen] weniger Fleisch essen. Fast allen Ferkeln in Deutschland
werden Zähne abgeschliffen und ein Teil des Schwanzes amputiert, den
meisten männlichen Ferkeln in Deutschland werden ohne Betäubung die Hoden
herausgeschnitten, Sauen werden wochenlang in Einzelkäfige gesperrt. Wie
lässt sich diese Art von Schweinehaltung überhaupt ethisch rechtfertigen?
Wir müssen die Tierschutzstandards weiterentwickeln. Deshalb ist mir
wichtig, dass wir artgerechte Tierhaltung noch stärker sichtbar machen mit
einem Tierwohlkennzeichen. Dann kann der Verbraucher mit seinem Geldschein
entscheiden, wie Tiere gehalten werden oder nicht.
So ein Siegel wird selbst nach optimistischen Schätzungen maximal 20
Prozent des Markts abdecken. Sind Ihnen die anderen 80 Prozent der Tiere
egal?
Ich bin optimistisch, was so ein Kennzeichen abdeckt. Man muss erst mal
anfangen. Wir sehen ja, dass das in Dänemark oder in den Niederlanden sehr
gut vorangekommen ist. Wir müssen europaweit und nicht nur in einzelnen
Ländern vorankommen.
Das Tierschutzgesetz verlangt ab kommenden Januar, Ferkel vor der
Kastration zu betäuben. Ihre Parteifreunde in Niedersachsen schlagen nun
vor, den Start zu verschieben, bis ein Narkosemittel seit 3 Monaten im
Handel verfügbar ist, längstens aber bis Ende 2020. Was halten Sie davon?
Das werden wir sehen. Wir sind da jetzt in Gesprächen. Der Bundesrat wird
sich damit auch beschäftigen am Freitag.
Die Europäische Union hat das systematische Schwänzekürzen, das sogenannte
Kupieren, schon vor Jahrzehnten verboten. Warum lassen Sie diese
permanenten Gesetzesverstöße in Deutschland immer noch zu?
Ganz klar: Dass wir vom routinemäßigen Schwänzekupieren wegkommen müssen,
ist unstrittig. Das ist eigentlich auch verboten, es gibt aber
Konstellationen, wo das Kupieren genehmigt wird. Die Kontrolle übernehmen
die Länder.
Aber diese Genehmigungen sind ja laut EU-Kommission keine Ausnahmen,
sondern die Regel, oder?
Wie ich schon sagte: Dass Handlungsbedarf besteht, ist unstrittig. Wir
müssen aber so vorgehen, dass wir nicht durch Schwanzbeißen ein noch viel
größeres Tierschutzproblem provozieren. Mehr Beschäftigungsmöglichkeiten
und Platz für die Tiere können Maßnahmen sein, damit die Tiere sich nicht
gegenseitig die Schwänze abbeißen. Das ist ja der Grund, warum die Schwänze
kupiert werden.
Die Kastenstände genannten Einzelkäfige für Sauen verstoßen schon seit
Jahren gegen das deutsche Recht, weil sie zu eng sind. Müssen Sie als
Bundesministerin nicht auch dafür sorgen, dass das Gesetz eingehalten wird?
Für die Kontrollen sind die Länder zuständig. Ich bin aber dran, die
Kastenstandhaltung neu zu regeln mit dem Ziel, dass die Sauen nach einer
Übergangszeit deutlich kürzer fixiert werden.
Ab wann wird das gelten?
Seit sechs Monaten bin ich nun im Amt. Und wir sind jetzt mittendrin in den
Gesprächen, wie wir das regeln, also mit mehr Platz und
Beschäftigungsmöglichkeiten für die Tiere.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im November 2016 die Behörden
ermahnt, dass diese Praxis illegal ist. Lassen Sie da nicht ein bisschen
viel Zeit vergehen?
Nun, bei allem Wohlwollen, aber 2016 war ich noch nicht Ministerin. Jetzt
bin ich es und arbeite an den Themen.
20 Sep 2018
## LINKS
[1] /CO2-Emissionen-hoeher-als-bei-Oelmultis/!5522650
[2] /Fleischkonsum-vs-Veganismus/!5458201
[3] /Kommentar-Christen-und-Fleischkonsum/!5412441
## AUTOREN
Jost Maurin
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