# taz.de -- Israelischer Hacker über Pegasus und NSO: „Sie sind skrupellos“ | |
> Gegen hochentwickelte Cyberwaffen wie Pegasus hat man keine Chance, sagt | |
> Aktivist Yuval Adam. Die Angriffe sind für ihn nicht überraschend. | |
Bild: Wissenschaftler wappnen sich im Raum „Cyber Range“ gegen Angriffe | |
taz: Herr Adam, ist der [1][Missbrauch der Spionagesoftware Pegasus] eine | |
Überraschung? | |
Yuval Adam: Niemand, der über längere Zeit hinweg im Bereich der | |
Cybersicherheit arbeitet, ist überrascht. Für uns ist das wirklich [2][eine | |
alte Leier]. Gerade jetzt wurden eben großflächig Telefonnummern aus einem | |
Datenpool geleakt, deshalb der aktuelle Skandal. Die NSO Group und ähnliche | |
Unternehmen, sowohl israelische als auch internationale, existieren aber | |
nicht erst seit gestern. Man bastelt [3][seit Jahren Spähsoftware wie | |
Pegasus], um sie dann zu missbrauchen. | |
Erst letzte Woche enttarnte die digitale Platform CitizenLab, wie das | |
kleinere israelische Unternehmen Candiru Spyware an Regierungen verkauft | |
und möglicherweise sogar mit der NSO zusammenarbeitet. Beide helfen | |
Staaten, Menschenrechtler, Regimekritiker, Journalisten, Aktivisten und | |
Politiker auszuspähen. Das Besondere an der NSO ist, dass es das größte | |
dieser Unternehmen ist. Sie ist skrupellos und geht am aggressivsten vor. | |
Damit schafft sie es immer wieder in die Öffentlichkeit. | |
Wie schützt man sich vor solchen Angriffen? | |
Das ist bei so einer leistungsfähigen Software wie Pegasus schwierig. Ich | |
selbst habe vor Jahren die CryptoParty in Israel gegründet: Das ist eine | |
globale Bewegung mit dem Ziel, sich gegenseitig auf unkommerzieller | |
Freiwilligenbasis Verschlüsselungs- und Verschleierungstechniken | |
beizubringen. Damit lernt man, sich besser vor Cyberangriffen zu schützen. | |
Wir arbeiten nicht nur mit Individuen, sondern führen auch Workshops für | |
Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen durch, die hier besonders | |
gefährdet sind. Aber die NSO arbeitet mit hochentwickelten Cyberwaffen, die | |
Mobiltelefone infiltrieren, ohne dass man sich davor irgendwie schützen | |
kann. Menschen und Organisationen, die von Cyberangriffen gefährdet sind, | |
können zwar Vorkehrungen treffen, aber Attacken wie die der NSO abzuwenden, | |
ist beinahe unmöglich. Es wäre eigentlich Aufgabe der jeweiligen | |
Regierungen, sicherzustellen, dass die Zivilgesellschaft geschützt wird. So | |
etwas bedarf aber einer strengen Regulierung und Kontrolle. | |
Tun die Regierungen nicht genau das Gegenteil? | |
Genau. Und die NSO hat kein Problem damit. Sie ist bereit, ihre Software an | |
jeden zu verkaufen, der sie haben will – auch wenn das Staaten wie | |
Saudi-Arabien oder Bahrain sind, die Menschenrechte mit Füßen treten. Was | |
interessant ist und am Sonntag auf Twitter intensiv diskutiert wurde: Warum | |
kommt Pegasus in Israel und den USA nicht zum Einsatz? Das mag einfach | |
daran liegen, dass die Spähsoftware hier nicht mehr benötigt wird. Man hat | |
schon genug Ressourcen, um Menschen auszuspionieren. | |
Die israelische Militäreinheit „8200“ ist vergleichbar mit dem | |
[4][US-Geheimdienst NSA] und ist neben Abhörtätigkeiten auch für | |
Cybersicherheit zuständig. Es sieht so aus, als würde NSO Pegasus nur an | |
Länder verkaufen, die diese Ressourcen noch nicht haben. | |
Wie viel ist davon der israelischen Regierung bekannt? | |
In Israel ist die Symbiose zwischen dem Verteidigungsministerium und der | |
NSO ein offenes Geheimnis. Man weiß, dass sich staatliche Abhöraktionen der | |
Regierung und ihre Zusammenarbeit mit Unternehmen wie der NSO stark | |
überschneiden. Die NSO kam bisher mit allen ihren Skandalen ungeschoren | |
davon. Das ist kein Zufall. Aber hoffentlich wird es dieses Mal anders und | |
sie wird einen Schaden davontragen. | |
Meiner Meinung nach ist das Vorgehen der israelischen Behörden in der | |
nächsten Zeit entscheidend. Angeblich werden die Aktivitäten der NSO vom | |
Verteidigungsministerium reguliert. Aber wie effektiv ist das tatsächlich? | |
Welche Beziehungen herrschen zwischen den beiden? Darüber wissen wir zu | |
wenig. | |
20 Jul 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://4983714 | |
[2] /Handys-katalanischer-Politiker-gehackt/!5701276 | |
[3] /Spionage-Software-fuer-Apple-Geraete/!5334091 | |
[4] /NSA-Abhoeraffaere/!5775706 | |
## AUTOREN | |
Marina Klimchuk | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Spähsoftware | |
Israel | |
Palästina | |
Cybersicherheit | |
Demokratie | |
Bundesverfassungsgericht | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Spionage | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Reporter ohne Grenzen | |
EU-Rechnungshof | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spähsoftware gegen NGOs in Palästina: Erst ausspioniert, dann verboten | |
Die Pegasus-Spähsoftware soll gegen palästinensische NGOs mit | |
Terrorverbindungen eingesetzt worden sein. In Europa wartet man aber noch | |
auf Beweise. | |
Kriminaliät im Internet: „Alarmstufe rot“ bei IT-Sicherheit | |
Noch nie war die deutsche Cybersicherheit so gefährdet wie 2021, zeigt der | |
aktuelle BSI-Lagebericht. Viele Cyberkriminelle professionalisieren sich. | |
Israelische Spionagesoftware Pegasus: Eng verwoben mit dem Militär | |
Israels Ex-Premier Netanjahu soll den Pegasus-Trojaner vermarktet haben. In | |
dem Land ist die Exportkontrolle für Spionagesoftware offenbar lax. | |
Verfassungsgericht zu Sicherheitslücken: Staat muss Handynutzer schützen | |
Sicherheitsbehörden nutzen IT-Sicherheitslücken, um Staatstrojaner zu | |
installieren. Die Richter in Karlsruhe fordern jetzt neue Regeln. | |
Reaktion auf Smartphone-Spionage: Von Empörung bis Achselzucken | |
Nach den Enthüllungen über weltweite Spionageangriffe nimmt Frankreich | |
Ermittlungen auf. Ungarns Regierung reagiert wesentlich abgebrühter. | |
Journalist aus Marokko: Ausgespäht von Pegasus | |
Der marrokanische Journalist Omar Radi sitzt seit Juli 2020 in Haft. Auf | |
seinem Handy war die israelische Spyware Pegasus installiert. | |
Spionagesoftware für Unrechtsstaaten: Pegasus ist kein Einzelfall | |
Pegasus ist der Traum aller Geheimdienstler:innen – und ein Alptraum | |
für Oppositionelle. | |
Angriffe gegen Journalist:innen: Schutzlos in Europa | |
Nach den Angriffen auf Journalist:innen der vergangenen Woche stellt | |
sich die Frage: Wie können sie besser geschützt werden? | |
Slapp–Klagen in der EU: Klagen als Schikane | |
Journalist:innen und Aktivist:innen werden durch juristische | |
Manöver eingeschüchtert. Das EU-Parlament und die EU-Kommission wollen | |
handeln. | |
Demo für türkischen Journalisten: „Angriff auf unser Leben im Exil“ | |
Nach dem Überfall auf Erk Acarer versammeln sich 200 Menschen, um ihre | |
Unterstützung zu zeigen. Viele sind wie er Exilant*innen aus der Türkei. |