| # taz.de -- Verfassungsgericht zu Sicherheitslücken: Staat muss Handynutzer sc… | |
| > Sicherheitsbehörden nutzen IT-Sicherheitslücken, um Staatstrojaner zu | |
| > installieren. Die Richter in Karlsruhe fordern jetzt neue Regeln. | |
| Bild: Spionage ja, aber nur staatlich geregelt | |
| Karlsruhe taz | Der Staat muss regeln, wann Behörden IT-Sicherheitslücken | |
| nutzen dürfen, um Staatstrojaner zu installieren – und wann sie stattdessen | |
| besser den Hersteller informieren. Das entschied jetzt das | |
| Bundesverfassungsgericht. Eine Klage der Gesellschaft für Freiheitsrechte | |
| gegen das baden-württembergische Polizeigesetz lehnte das Gericht jedoch | |
| als unzulässig ab. | |
| Anlass für die Entscheidung: Das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg | |
| hatte im Oktober 2020 der Landespolizei erlaubt, zur Gefahrenabwehr | |
| Staatstrojaner einzusetzen. [1][Andere Bundesländer haben solche | |
| Regelungen] schon länger. Zur Strafverfolgung ist dies bereits seit 2017 | |
| möglich. | |
| Der Staatstrojaner ist eine Spähsoftware, die installiert wird, um | |
| Kommunikation (Telefonate, Email, Messenger) vor der Verschlüsselung an die | |
| Polizei auszuleiten. Dies nennt man Quellen-Telekommunikationsüberwachung | |
| (Quellen-TKÜ). Eine der Möglichkeiten, den Trojaner auf einem Smartphone | |
| oder Computer zu installieren, ist die Ausnutzung von IT-Schwachstellen. | |
| Behörden können diese selbst finden oder (in der Regel) von Hacker:innen | |
| ankaufen. | |
| Gegen die Änderung des Stuttgarter Polizeigesetzes klagte die Gesellschaft | |
| für Freiheitsrechte (GFF) beim Bundesverfassungsgericht. Das Land habe die | |
| Grundrechte verletzt, indem es den Behörden nicht verboten hat, unbekannte | |
| IT-Sicherheitslücken zu nutzen. Die Behörden sollten stattdessen | |
| verpflichtet werden, die IT-Hersteller sofort über die Schwachstellen zu | |
| informieren, damit diese nicht von Kriminellen genutzt werden können. Es | |
| fehle jedenfalls an einem „Schwachstellen-Management“ für | |
| Sicherheitslücken. | |
| ## Klage unzulässig, aber … | |
| Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts lehnte die GFF-Klage nun als | |
| „unzulässig“ ab. Die Bürgerrechtler:innen hätten zunächst bei den | |
| Fachgerichten klagen müssen, bevor sie nach Karlsruhe gehen. | |
| Das Bundesverfassungsgericht nutzte den Fall jedoch, um erste Maßstäbe zu | |
| setzen. Danach entstehe eine „Schutzpflicht“ des Staates, wenn Behörden von | |
| bisher unbekannten IT-Sicherheitslücken erfahren. Die Bürger könnten sich | |
| schließlich nicht schützen, während die Sicherheitslücke auch von | |
| Verbrecher:innen missbraucht werden könnte, zum Beispiel um die Daten | |
| von Unternehmen und Kommunen zu verschlüsseln und nur gegen Zahlung eines | |
| Lösegelds wieder freizugeben. | |
| Die Richter:innen haben diese Schutzpflicht aber relativ schwach | |
| ausgestaltet. Sie verpflichten die Behörden nicht, die IT-Hersteller über | |
| unbekannte Sicherheitslücken zu informieren. Die Behörden müssen zum Schutz | |
| der Nutzer vor Angriffen nur „beitragen“. Der Gesetzgeber habe hierbei | |
| einen „Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum“. | |
| Jetzt müssen die Verwaltungsgerichte entscheiden, ob es ausreicht, wenn zum | |
| Beispiel im baden-württembergischen Polizeigesetz vorgegeben ist, dass die | |
| eingesetzten Mittel (also auch die ausgenutzten IT-Sicherheitslücken) | |
| „gegen unbefugte Nutzung“ zu schützen sind. | |
| Die Karlsruher Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, nachdem ein | |
| internationales Medienkonsortium jüngst enthüllte, wie autoritäre Regime | |
| [2][die Trojaner-Software Pegasus missbrauchen], um Oppositionelle zu | |
| überwachen. Ein Weg, Pegasus auf einem Smartphone zu installieren, ist die | |
| Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken. | |
| 21 Jul 2021 | |
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| [2] /Pegasus-Software-und-Emmanuel-Macron/!5788607 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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