| # taz.de -- Hausdurchsuchung wegen eines Tweets: Andy Grote will kein Pimmel se… | |
| > Am Mittwochmorgen stürmten Polizist*innen die Wohnung von Mara K. Es | |
| > ging um einen Tweet – offenbar fühlte sich Hamburgs Innensenator | |
| > beleidigt. | |
| Bild: Es gibt im Internet härtere Beleidigungen als „Du Gurke“ oder „Du … | |
| Hamburg taz | Es war nicht sein erfolgreichster Tweet – eher ein Eigentor. | |
| „In der #Schanze feiert die Ignoranz!“, empörte sich Hamburgs Innensenator | |
| Andy Grote (SPD) am 30. Mai bei Twitter, und weiter: „Manch einer kann es | |
| wohl nicht abwarten, dass wir alle wieder in den Lockdown müssen … Was für | |
| eine dämliche Aktion! Danke @PolizeiHamburg, die wieder einmal den Kopf | |
| hinhalten muss, damit die Pandemie nicht aus dem Ruder läuft.“ | |
| Unter dem Tweet sammelten sich wütende Kommentare, die meisten mit den | |
| Tenor: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Grote selbst | |
| hatte nach seiner Wiederernennung zum Senator im Juni 2020 [1][eine Party | |
| mit 30 Leuten in der Hafencity veranstaltet] und damit gegen die | |
| Coronaverordnung verstoßen. | |
| Dass er sich ein knappes Jahr später über feiernde Jugendliche im | |
| Schanzenviertel aufregte, kam daher nicht so gut an. Ein User kommentierte | |
| Grotes Empörungstweet mit den Worten: „Du bist so 1 Pimmel.“ Das ist | |
| mittlerweile mehr als drei Monate her. Am Mittwoch früh um sechs Uhr | |
| stürmten nun sechs Polizist*innen eine Privatwohnung und durchsuchten | |
| sie. Das Vergehen, das die Durchsuchung rechtfertigen sollte: Beleidigung | |
| durch den Pimmeltweet. | |
| „Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln | |
| führen wird, insbesondere von Speichermedien, mittels derer die in Rede | |
| stehende Nachricht versandt wurde“, so steht es im Durchsuchungsbeschluss. | |
| Außerdem: Der Strafantrag sei form- und fristgerecht gestellt worden. Bei | |
| dem im Beschluss genannten Strafparagrafen handelt es sich um [2][ein | |
| Antragsdelikt]. Das heißt: Strafverfolgungsbehörden werden nicht von sich | |
| aus aktiv, sondern nur, wenn der Betroffene einen Strafantrag stellt. Der | |
| Senator hat den Tweet also wahrscheinlich selbst zur Anzeige gebracht. | |
| Allerdings waren die Polizist*innen am frühen Morgen in der falschen | |
| Wohnung. Zwar an der richtigen Meldeadresse, aber da wohnt der Verfasser | |
| des Tweets nicht mehr. Seine Exfreundin Mara K. habe verschlafen die Tür | |
| geöffnet. „Eine Polizistin rammte sofort einen Fuß in den Spalt und fragte, | |
| wie viele Personen sich in der Wohnung aufhielten“, schildert K. die | |
| Situation. Im nächsten Moment seien die Beamt*innen auch schon drinnen | |
| gewesen und hätten alle Räume durchsucht. | |
| ## „Haben die nichts Besseres zu tun?“ | |
| „Was fällt denen ein, wegen so einem Scheiß hier reinzukommen?“, fragt K. | |
| wütend. „Haben die nichts Besseres zu tun?“ Die Polizei solle sich lieber | |
| um Frauen wie die Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl oder die | |
| Comedy-Autorin Jasmina Kuhnke kümmern, die im Internet regelmäßig | |
| Morddrohungen erhalten. | |
| Auch P. sagt, mit einer Hausdurchsuchung habe er nicht gerechnet – | |
| eigentlich sei das mit der Beleidigung längst geklärt gewesen. Vor drei | |
| Wochen habe er wegen des Tweets eine Vorladung der Polizei bekommen, der er | |
| auch folgte. Er gab zu, dass er den Account betreibt, von dem der Tweet | |
| abgesetzt wurde – „Zoo St. Pauli“ ist der Account der gleichnamigen | |
| Fan-Kneipe direkt am FC-St.-Pauli-Stadion. Marlon P. und Mara K. sind deren | |
| Inhaber*innen. | |
| P. habe damals auf der Polizeiwache keine weiteren Angaben gemacht, die | |
| Beamtin habe ihm aber signalisiert, dass die Anzeige wahrscheinlich wegen | |
| Geringfügigkeit eingestellt werden würde. | |
| ## „Beißreflexe der Justiz“ und ein Twitter-Trend | |
| Dass es dann zur Hausdurchsuchung kam, findet P. „einfach nur absurd“. Vor | |
| allem, wenn man sich das Maß an Beleidigungen und Drohungen vor Augen | |
| halte, das in der Öffentlichkeit stehende Frauen im Internet aushalten | |
| müssten, kritisiert auch Mara K. Kaum einer bekäme dafür Konsequenzen zu | |
| spüren, „aber wenn man Andy Grote einen Pimmel nennt, geht alles ganz | |
| schnell“, stellt P. fest. Überrascht sei er davon allerdings leider nicht – | |
| „Ich kenne diesen Beißreflex der Justiz, wenn es um linke Strukturen geht“, | |
| sagt er. Der Zoo ist als Treffpunkt für die [3][antifaschistische Fanszene] | |
| bekannt. | |
| Die Polizeisprecherin Evi Theodoridou bestätigte die Durchsuchung. Man habe | |
| Beweismittel sichern und feststellen wollen, wer Zugriff auf den | |
| Twitter-Account habe. Auf die Frage, ob eine Durchsuchung dafür | |
| verhältnismäßig sei, sagte sie: „Da viele Taten strafbarer Beleidigungen im | |
| Internet mittels internetfähigen Geräten begangen werden, werden in diesem | |
| Deliktsbereich regelhaft Durchsuchungen vorgenommen.“ Auf Twitter trendete | |
| derweil das Hashtag #Pimmelgrote. | |
| 8 Sep 2021 | |
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| [2] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__194.html | |
| [3] /Rebellenclub-von-frueher-bis-heute/!5462221 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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