# taz.de -- Gesetz zur Kennzeichnung der Tierhaltung: Özdemirs Fleischsiegel k… | |
> Der Bundestag beschließt am Freitag, dass auf frischem Schweinefleisch | |
> stehen muss, wie das Tier gehalten wurde. Tierschützer sind unzufrieden. | |
Bild: Ihr Fleisch muss nach Haltungsform gekennzeichnet werden: Mastschweine in… | |
BERLIN taz | Die Ampelkoalition will am Freitag im Bundestag ihr | |
wichtigstes Projekt in der Agrarpolitik endgültig beschließen: Ab 2024 | |
führt der Bund dem [1][Gesetzentwurf] zufolge die Pflicht ein, auf | |
unverarbeitetem Schweinefleisch zu kennzeichnen, wie das Tier gehalten | |
worden ist. Zunächst ist das Label freiwillig, ab 2026 verbindlich. Zudem | |
sollen Schweinehalter ohne ausreichend Land für den Futteranbau leichter | |
Baugenehmigungen bekommen, wenn sie ihre Ställe für eine artgerechtere | |
Haltung umbauen wollen. | |
Später soll die Kennzeichnung zum Beispiel auf Wurst, die Gastronomie, | |
Milch und Geflügelfleisch ausgeweitet werden. Ziel ist, dass die | |
VerbraucherInnen leichter tierfreundlichere Produkte auswählen können, | |
dieses [2][Fleisch] deshalb öfter gekauft wird und am Ende mehr Tiere | |
artgerechter gehalten werden. | |
Die von den Koalitionsfraktionen leicht geänderte [3][Vorlage von | |
Agrarminister Cem Özdemir] (Grüne) sieht vor, dass auf den Schildern etwa | |
von Schweineschnitzel oder Schweinehackfleisch künftig stehen muss, in | |
welchem Haltungssystem die Tiere gemästet wurden. | |
Vorgesehen sind fünf Kategorien: „Stall“ entspricht dem gesetzlichen | |
Standard. „Stall+Platz“ bietet 12,5 Prozent mehr Fläche pro Tier. Özdemir | |
hatte hier 20 Prozent vorgesehen. Die Schweine müssen auch Raufutter wie | |
Stroh bekommen, damit sie sich besser beschäftigen können. Die Buchten | |
werden zum Beispiel durch Trennwände, unterschiedliche Ebenen sowie | |
verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche strukturiert. „Dies kann | |
arteigenes Verhalten erleichtern“, heißt es im Entwurf. | |
## Keine Zustimmung des Bundesrats nötig | |
Im „Frischluftstall“ haben die Tiere auch Kontakt zum Außenklima, weil die | |
Bucht mindestens an einer Seite zum überwiegenden Teil geöffnet ist. Die | |
Stufe „Auslauf/Weide“ bedeutet Zugang ins Freie. „Bio“ ist eine Haltung | |
nach den Ökovorschriften – also mit Biofutter, Auslauf und mehr Platz als | |
in den anderen Stufen. | |
Es gibt zwar schon ähnliche private Siegel. Aber sie sind freiwillig. | |
Deshalb dürften gerade Bauern, die ihre Schweine nur nach dem gesetzlichen | |
Mindeststandard halten, auf solche Siegel eher verzichten. | |
Damit mehr Bauern ihre Ställe „tierwohlgerecht“ umbauen, senkt der | |
Bundestag mit einem weiteren Gesetz die Anforderungen für die nötigen | |
Baugenehmigungen. Auch Betriebe mit nur wenig Land sollen die Erlaubnis | |
bekommen, wenn sie durch den Neu- oder Umbau auf die Haltungsstufen | |
Frischluftstall, Auslauf/Weide oder Bio umstellen wollen. Der neue Stall | |
darf dann sogar mehr Bodenfläche beanspruchen, solange die maximale | |
Tierzahl gleich bleibt. Der Bund hat für den Umbau und Betrieb von | |
„Tierwohlställen“ von 2023 bis 2026 Zuschüsse in Höhe von insgesamt [4][1 | |
Milliarde Euro] versprochen. | |
Sowohl das Gesetz über die Haltungskennzeichnung als auch das über die | |
Baugenehmigungen könnten ohne Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten, | |
sagte die zuständige Unterhändlerin der Grünen-Fraktion, Renate Künast. | |
Die CDU/CSU-Fraktion lehnt das von Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) | |
vorgeschlagene Tierhaltungskennzeichen ab. Schließlich gebe es schon ein | |
vierstufiges privates Kennzeichen, argumentierten die Konservativen im | |
Agrarausschuss, ähnlich wie der Bauernverband. Trotzdem würden nur wenige | |
VerbraucherInnen Fleisch aus den höheren Haltungsstufen kaufen. Das vom | |
Bund versprochene Geld reiche nur für jeden 40. Landwirt. | |
Die Linke lobte zwar, dass mit dem Gesetzentwurf in Sachen Tierwohl mehr | |
vorgelegt würde als jemals zuvor. Aber sie stimmte dennoch gegen ihn, zum | |
Beispiel weil sich die Kennzeichnung nur auf die Mast, nicht aber etwa auf | |
die Ferkelaufzucht bezieht. Auch eine eigene Stufe für Bio sieht die Linke | |
kritisch, denn manche konventionelle Betriebe würden ihre Tiere besser | |
halten. | |
Auch der Deutsche Tierschutzbund ist wie andere Verbände von Tierschützern | |
gegen den Entwurf. „Das Gesetz wird keinem einzigen Tier ein besseres Leben | |
bringen. Im Gegenteil, die tierschutzwidrige Schweinehaltung in den Stufen | |
‚Stall‘ und ‚Stall+Platz‘ würde staatlich gesiegelt und damit vermutli… | |
für weitere Jahrzehnte legitimiert“, sagte Verbandschef Thomas Schröder. | |
16 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://dserver.bundestag.de/btd/20/064/2006498.pdf | |
[2] /Fleisch/!t5016412 | |
[3] https://dserver.bundestag.de/btd/20/048/2004822.pdf | |
[4] /Regeln-fuer-Stallumbau-Subventionen/!5900926 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Cem Özdemir | |
Landwirtschaft | |
Tierschutz | |
CDU | |
Schweine | |
Fleisch | |
Tierhaltung | |
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft | |
Deutscher Tierschutzbund | |
Fleischproduktion | |
Initiative Tierwohl | |
Schwerpunkt Gentechnik | |
Landwirtschaft | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
SOKO Tierschutz | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rückgang der Fleischproduktion: Es wird weniger geschlachtet | |
In Deutschland ist die Fleischproduktion weiter gesunken. Ein Grund: Immer | |
weniger Betriebe halten Schweine. Das liegt nicht nur an der Schweinepest. | |
Grün geführtes Ministerium tut nichts: Agrarressort will es nicht wissen | |
30 ForscherInnen haben im Auftrag der Regierung ein Konzept erarbeitet, um | |
das „Tierwohl“ zu messen. Bislang folgenlos. | |
Vorschlag der EU-Kommission: „Genpflanzen“ ins Essen schmuggeln | |
Ein Entwurf der EU-Kommission sieht weitgehende Lockerungen für neue | |
Gentechnikmethoden vor. Biobauern und Umweltschützer sind empört. | |
Neues Label für Schweinefleisch: Mehr, als Merkel geschafft hat | |
Das Pflichtsiegel für Schweinefleisch kommt. Die Reform hat Lücken, aber | |
mehr Tierschutz auf einmal ist in dieser Koalition nicht möglich. | |
Extreme Trockenheit in Deutschland: Der nächste Dürresommer kommt | |
Obwohl es im Frühjahr ordentlich geregnet hat, sind viele Regionen in | |
Deutschland zu trocken. Expert*innen mahnen zur Tat – mit | |
Lösungsvorschlägen. | |
Datenbank zu Tierschutzfällen: Tierquälerei ist Alltag | |
Vier Tierrechtsorganisationen haben eine Datenbank mit landwirtschaftlichen | |
Tierschutzfällen veröffentlicht. Wer sie aufruft, braucht starke Nerven. | |
Podien-Einladungen für die AfD: Eine Bühne für Rechtsextreme | |
Wie soll man mit der AfD umgehen? Der Deutsche Bauernverband und mehrere | |
Industrie- und Handelskammern bieten AfD-Politikern immer wieder ein | |
Podium. |