# taz.de -- Friedrich Merz und sein Naziopa: Kann Merz als Bundeskanzler dazu w… | |
> taz-Recherchen zeigen: Der Großvater von Friedrich Merz bemühte sich | |
> selbst um die Aufnahme in die NSDAP – und wurde früher Mitglied als | |
> bisher bekannt. | |
Bild: Friedrich Merz, der neue Kanzler der Bundesrepublik | |
[1][Josef Paul Sauvigny], der Großvater von Bundeskanzler Friedrich Merz, | |
hat sich persönlich um die Mitgliedschaft in der NSDAP bemüht. Zudem | |
beantragte er seine Mitgliedschaft in der Nazipartei früher als bisher | |
bekannt. Dokumente, die der taz vorliegen, widerlegen die frühere Aussage | |
von Friedrich Merz, sein Großvater sei „ohne eigenes Zutun“ Mitglied der | |
NSDAP geworden. | |
Der taz liegen die Personalakte von Josef Paul Sauvigny aus dem | |
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen sowie der Auszug aus der | |
NSDAP-Mitgliederkartei aus dem Bundesarchiv vor. Die Dokumente belegen, | |
dass Sauvigny bereits am 1. Mai 1937 Mitglied der NSDAP wurde (siehe Foto), | |
und damit früher als bisher bekannt. Seinen Mitgliedsantrag hat Sauvigny | |
der Personalakte zufolge zwischen Mai 1933 und Februar 1936 gestellt. | |
Weiter heißt es in der Akte, er habe sich als SA-Mann „eifrig betätigt“ u… | |
unterstützte die NSDAP „nach Möglichkeit“. | |
Josef Paul Sauvigny war von 1917 bis 1937 Bürgermeister von Brilon. 2004 | |
hatte sein Enkel Friedrich Merz, damals Fraktionsvize der Union, vor | |
Parteifreunden zum „Sturm aufs rote Rathaus“ von Brilon aufgerufen und sich | |
dabei auf seinen Großvater berufen. Die taz hatte daraufhin recherchiert, | |
dass Sauvigny Mitglied von NSDAP und SA war. Bis 1933 war er Mitglied der | |
katholischen Zentrumspartei. Während eine Reihe von Mitgliedern dieser | |
Partei in der Nazi-Zeit in den Widerstand gingen und verfolgt wurden, | |
schloss sich Sauvigny den braunen Machthabern an. | |
Merz hatte seinerzeit in einer Stellungnahme zur taz-Berichterstattung | |
behauptet, sein Großvater sei „ohne eigenes Zutun“ in die NSDAP | |
eingetreten. Dies widersprach schon 2004 dem Stand der historischen | |
Forschung, [2][wie die taz nachzeichnete]. Das Bundesarchiv schreibt zu der | |
Frage der NSDAP-Mitgliedschaft [3][auf seiner Homepage], ein | |
„unterschriebener Aufnahmeantrag“ sei Bedingung für die Aufnahme in die | |
Partei gewesen. Durch eine Vielzahl von Einzelfällen „sei belegt, dass zur | |
Durchführung des Aufnahmeverfahrens ein Aufnahmeantrag mit eigenhändiger | |
Unterschrift vorgelegen haben muss“. | |
## Was weiß Merz über seine Familiengeschichte? | |
Merz hat sich seit den taz-Recherchen im Jahr 2004 kaum öffentlich zur | |
Nazi-Vergangenheit seines Großvaters geäußert. [4][In einem Podcast der | |
Zeit im Bundestagswahlkampf 2025] hatte Merz im Januar gesagt, sein | |
Großvater sei „in diese Abgründe des Nationalsozialismus hineingeraten“. | |
Auf die Bemerkung eines Interviewers, die Geschichte des Großvaters müsse | |
„ja in der Familie bekannt gewesen sein“, antwortete Merz: „Ja, klar.“ | |
Diese Aussage von Merz ist bemerkenswert. 2004 hatte Merz noch gesagt, sein | |
Großvater sei „kein Nationalsozialist“ gewesen. Das Interview aus dem | |
Wahlkampf legt nun nahe, dass Merz schon vor den Recherchen der taz wusste, | |
welche Rolle sein Großvater im NS-Staat hatte, und sich trotzdem positiv | |
auf ihn bezog. | |
Auf eine taz-Anfrage zur NS-Vergangenheit seines Großvaters und seiner | |
Aufarbeitung der Familiengeschichte antwortete Merz nicht. Eine der Fragen | |
an die Parteipressestelle des CDU-Chefs von Ende April lautete: „Gibt es | |
aus Sicht von Herrn Merz seit 2004 neue Erkenntnisse über die | |
NS-Verstrickung seines Großvaters?“ | |
2004 hatte Merz in einem mehrseitigen Dokument zur taz-Berichterstattung | |
Stellung genommen und darin den journalistischen Stil der taz als | |
„widerlich“ bezeichnet. Merz schrieb außerdem, sein Großvater habe sich | |
„geweigert“, der NSDAP beizutreten, und sei nur, weil er als Amtsträger | |
gemusst habe, in die SA eingetreten. Später sei sein Großvater „ohne Zutun�… | |
von der SA in die NSDAP „überführt“ worden, und zwar 1938, nach seinem | |
Ausscheiden aus dem Amt. | |
Auffällig ist, dass sich diese Aussagen von Merz fast wörtlich in der | |
Erklärung seines Großvaters finden, mit der dieser sich 1946 vor dem | |
Entnazifizierungsausschuss selbst entlastete. Auch Sauvigny hatte damals | |
erklärt, er sei 1938 in die Partei „überführt worden“. Es liegt nahe, da… | |
Merz diese Schutzbehauptung seines Großvaters ungeprüft übernommen hat. | |
## Als SA-Mann „eifrig betätigt“ | |
Wann genau Sauvigny den Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP gestellt | |
hat, wird aus den der taz vorliegenden Dokumenten nicht klar. Der | |
Aufnahmeantrag Sauvignys ist nicht überliefert. In der Personalakte finden | |
sich allerdings Stellungnahmen, die deutlich machen, dass Sauvigny sich | |
aktiv um die Mitgliedschaft in der Partei bemühte. In einem Vermerk des | |
Landrats vom März 1936 heißt es, Sauvigny habe sich „von Anfang an als | |
SA-Mann eifrig betätigt“. Es sei nichts bekannt, was seiner Aufnahme in die | |
Partei entgegenstehe“. | |
In einer weiteren Stellungnahme von Februar 1936 erklärt der | |
Ortsgruppenleiter des NSDAP, Sauvignys Beitrittsgesuch sei nach dem 1. Mai | |
1933 erfolgt und deshalb bisher nicht bearbeitet worden. Die NSDAP hatte zu | |
diesem Zeitpunkt einen Aufnahmestopp erlassen, da nach der | |
Regierungsübernahme der Nationalsozialisten Millionen Deutsche in die | |
Partei eintreten wollten. Dieser Aufnahmestopp wurde 1937 schrittweise | |
wieder aufgehoben. | |
Der NSDAP-Ortsgruppenleiter erklärte über Sauvigny, „sein Verhältnis zur | |
Partei ist kein schlechtes und er unterstützt sie nach Möglichkeit“. Man | |
sei unter Parteimitgliedern aber der Ansicht, „dass eine jüngere und | |
energischere Persönlichkeit für die Leitung der städtischen Geschäfte | |
notwendig wäre“. Aus der Personalakte geht also tatsächlich hervor, dass es | |
in der NSDAP und auch in der Verwaltung Stimmen gab, die einen anderen | |
Bürgermeister in Brilon wollten. | |
Deutlich wird aber auch, dass Merz’ Behauptung über seine | |
Familiengeschichte, sein Großvater sei „ohne Zutun“ Mitglied der NSDAP | |
geworden, nicht zu halten ist. Am 1. Juli 1937 trat Sauvigny in den | |
Ruhestand ein. „Nach der Machtübernahme habe er sich trotz seines | |
vorgerückten Alters, entsprechend seiner nationalen Gesinnung sofort | |
eingeschaltet und sein Amt stets im nationalsozialistischen Geiste | |
verwaltet“, bescheinigte ihm zu seiner Verabschiedung der Landrat laut der | |
Sauerländer Zeitung vom 2. Juli 1937. | |
## Bricht Merz als Bundeskanzler sein Schweigen? | |
Bisher war Friedrich Merz nicht bereit, sich öffentlich mit der | |
Vergangenheit seiner Familie auseinanderzusetzen. Darauf deutet auch ein | |
Pressegespräch des CDU-Chefs mit ausländischen Korrespondenten im Jahr 2023 | |
hin. Die Fragen der Reporter drehten sich schon damals um den Umgang der | |
Union mit der AfD und um Lehren aus der deutschen Geschichte. [5][Als ein | |
Journalist der Nachrichtenagentur AP ihn auf den Nazi-Großvater ansprach,] | |
reagierte Merz beleidigt: „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie entsprechende | |
Vergleiche aus meiner Familie auch nicht heranziehen.“ | |
Auf Dauer dürfte Merz als deutscher Bundeskanzler nicht daran festhalten | |
können, dass er seinen Umgang mit der NS-Vergangenheit seines Großvaters | |
zum Tabuthema erklärt – gerade auf internationalem Parkett bei | |
Medienanfragen. Oder wenn er als deutscher Bundeskanzler am 80. Jahrestag | |
des Kriegsendes über die deutsche Geschichte und die Lehren für heute | |
spricht. | |
Die taz hat den frisch gewählten Bundeskanzler Friedrich Merz mit den neuen | |
Erkenntnissen zu seinem Großvater aus dessen Personalakte und der | |
NSDAP-Mitgliedskartei erneut konfrontiert. Eine Anfrage beim | |
Bundespresseamt blieb am Mittwoch unbeantwortet. | |
8 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Bundeskanzler-in-spe/!6081570 | |
[2] /Falsches-Verstaendnis/!802596/ | |
[3] https://www.bundesarchiv.de/das-bundesarchiv/aus-unserer-archivarbeit/infor… | |
[4] https://www.zeit.de/politik/2025-01/friedrich-merz-interviewpodcast-alles-g… | |
[5] https://apnews.com/article/germany-conservatives-cdu-merz-migrants-b049e245… | |
## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
Martin Teigeler | |
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Friedrich Merz | |
NSDAP | |
8. Mai 1945 | |
Geschichtsaufarbeitung | |
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Friedrich Merz | |
8. Mai 1945 | |
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