| # taz.de -- Verpflichtende KZ-Besuche in der Schule: Erinnern geht nur inklusiv | |
| > Karin Priens Vorstoß für mehr NS-Bildung an Schulen ist ein richtiger | |
| > Impuls. Einen wichtigen Aspekt lässt sie dabei allerdings völlig außer | |
| > Acht. | |
| Bild: Jugendliche zu Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen | |
| CDU-Bildungsministerin Karin Prien will den [1][Besuch von KZ-Gedenkstätten | |
| in der Schule verpflichtend machen]. Mal ganz abgesehen davon, dass am Ende | |
| ohnehin die Länder und nicht der Bund darüber entscheiden, ist das ein | |
| guter Vorschlag. Selbstverständlich muss die massenhafte Vernichtung von | |
| Jüd*innen, Sinti*zze und Rom*nja, Kommunist*innen, Homosexuellen in | |
| den NS-Lagern integraler Bestandteil der Geschichtslehrpläne aller | |
| Bundesländer sein. Besuche von KZ-Gedenkstätten können diese, unsere | |
| genozidale Geschichte lebensnäher vermitteln als Lehrbücher und | |
| Frontalunterricht im Klassenraum. | |
| Ebenso Priens Anstoß, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen | |
| Familiengeschichte mehr im Mittelpunkt stehen sollte, ist sinnvoll. Denn | |
| trotz all der Jahre institutionalisierter Erinnerungskultur glaubt ein | |
| Drittel der Deutschen, ihre Vorfahren hätten Widerstand gegen die Nazis | |
| geleistet. In [2][Wirklichkeit trifft das laut Schätzungen nur auf etwa 0,3 | |
| Prozent der damals lebenden Deutschen] zu. Dem ein oder anderen Deutschen | |
| fiele es nach der Auseinandersetzung mit dem eigenen Nazihintergrund | |
| vielleicht schwerer, Antisemitismus zu allererst bei Muslim*innen und | |
| Migrant*innen zu suchen. Priens Parteikollege und Kanzler Friedrich Merz | |
| könnte gleich mit gutem Beispiel vorangehen und sich mal öffentlich mit der | |
| jahrelang von ihm [3][verharmloste Nazi-Geschichte seines Großvaters] | |
| befassen. | |
| Was in Priens Vorschlägen allerdings überhaupt keine Erwähnung findet: Ein | |
| immer größerer Anteil der Schüler*innen hat keine Familiengeschichte, | |
| die direkt mit der NS-Geschichte verwoben ist. Migrantischen Kindern | |
| einfach [4][deutsch-zentrische Erinnerungserzählungen überzustülpen, ist | |
| der falsche Ansatz]. Stattdessen braucht es Bildungskonzepte, die es | |
| Schüler*innen ohne Nazihintergrund ermöglichen, einen eigenen Zugang zum | |
| Thema zu finden. Dazu müsste man die NS-Geschichte – vom Aufstieg der Nazis | |
| bis zur Massenvernichtung von Minderheiten – in einen Kontext mit globalen | |
| Erfahrungen von Vernichtung und Genozid setzen. Das geht auch, ohne den | |
| Holocaust zu verharmlosen oder seine Alleinstellungsmerkmale zu | |
| vernachlässigen. | |
| 22 May 2025 | |
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| [1] https://www.deutschlandfunkkultur.de/bildungsministerin-prien-fordert-pflic… | |
| [2] https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/der-zweite-… | |
| [3] /Friedrich-Merz-und-sein-Naziopa/!6086702 | |
| [4] /Deutschland-braucht-neue-Erzaehlungen-des-Holocausts-sagt-Viola-B-Georgi/!… | |
| ## AUTOREN | |
| Pauline Jäckels | |
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