| # taz.de -- Umgang mit NS-Erinnerung: Was der Opa von Friedrich Merz mit der Ge… | |
| > Der Kanzler will sich offenbar nicht mit der NS-Geschichte seiner Familie | |
| > befassen. Das sagt viel über sein Verständnis von Erinnerungspolitik. | |
| Bild: Der Bundeskanzler (Dritter rechts) beim Gedenken zum 80. Jahrestag des En… | |
| [1][Letzte Woche haben wir in der taz über den Großvater von Friedrich Merz | |
| berichtet] (jetzt fängt der damit wieder an, werden einige | |
| Leserbriefschreiber und Kollegen jetzt denken). | |
| Wir haben recherchiert, dass der Großvater des Bundeskanzlers, anders als | |
| sein Enkel bisher behauptet hat, nicht in die Abgründe des | |
| Nationalsozialismus „hineingeraten“ ist und auch nicht „ohne eigenes Zutu… | |
| Mitglied der NSDAP wurde. Sondern dass der Großvater, damals Bürgermeister | |
| von Merz’ Heimatstadt Brilon, ein „eifriger“ SA-Mann war und seine | |
| NSDAP-Mitgliedschaft persönlich und früher als bisher bekannt beantragt | |
| hat. So steht es in seiner Personalakte aus dem Landesarchiv | |
| Nordrhein-Westfalen. | |
| Überraschend ist die Geschichte von Merz’ Großvater nicht, er war einer von | |
| Millionen Mitläufern und Profiteuren, die sich mit dem neuen System | |
| arrangierten. Überrascht hat uns auch nicht, dass Friedrich Merz auf eine | |
| taz-Anfrage zu seinem Großvater auch nach seinem Wechsel ins Kanzleramt | |
| nicht antwortete. Merz findet offenbar nicht, dass er in seiner neuen Rolle | |
| als deutscher Kanzler in einer besonderen Verantwortung steht, die | |
| Halbwahrheiten, die er über die NS-Vergangenheit seiner Familie verbreitet | |
| hat, öffentlich zu revidieren. | |
| ## Unwille, sich mit der Täter-Geschichte zu befassen? | |
| Wirklich erstaunlich war nur, wie vielen Leserbriefschreibern nicht mehr | |
| einfiel als: Jetzt lasst den Merz doch damit mal in Ruhe, niemand kann | |
| etwas für seinen Großvater. Viele teilen mit dem Bundeskanzler womöglich | |
| den Unwillen, sich mit den Geschichten der Täter und Mitläufer zu | |
| beschäftigen. | |
| Es stimmt, niemand kann etwas für seinen Großvater. Aber ein deutscher | |
| Bundeskanzler sollte über die Verstrickungen seiner Familie in den | |
| Nationalsozialismus besser Bescheid wissen als Friedrich Merz. Vor allem, | |
| wenn eine stets hilfsbereite Zeitung ihm die Mühe abnimmt, in den Archiven | |
| nachzuschauen. | |
| [2][Spätestens seit 2004, als die taz das erste Mal über seinen Großvater | |
| berichtete,] wusste Merz, dass die Familienlegenden nicht stimmten. Er | |
| hatte 20 Jahre Zeit, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Aber | |
| er hat sich anders entschieden. Und schweigt weiter, auch als | |
| Bundeskanzler, 80 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus. | |
| Friedrich Merz ist damit der passende Kanzler für die neue deutsche | |
| Erinnerungspolitik: Man gedenkt in den immer gleichen Floskeln und spricht | |
| von historischer Verantwortung, sagt aber nicht, was denn diese | |
| Verantwortung konkret für das eigene Handeln in der Gegenwart bedeutet. Das | |
| zeigt sich in diesen Tagen beispielhaft in der Asylpolitik, aber auch in | |
| der Nahost- und der Verteidigungspolitik. | |
| ## Wettstreit bei Aufrüstungsplänen | |
| In der neuen Bundesregierung findet man nichts dabei, die deutsche Armee | |
| wieder zur „stärksten Europas“ machen zu wollen, wie Merz es angekündigt | |
| hat, [3][und überbietet sich in Aufrüstungsplänen.] | |
| Die Bundesregierung steht an der Seite der in Teilen rechtsextremen | |
| Regierung in Israel und hört selbst dann nicht auf, ihr Rüstungsgüter zu | |
| liefern, [4][wenn sie Vertreibung und dauerhafte Besatzung ankündigt und | |
| Kriegsverbrechen begeht]. | |
| Für die Bundesregierung ist es kein Widerspruch, fast auf den Tag genau 80 | |
| Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus das deutsche Asylrecht so zu | |
| verändern, dass nicht mehr jeder politisch Verfolgte an der deutschen | |
| Grenze zumindest einen Antrag stellen darf. | |
| Es ist deshalb nur folgerichtig, dass in der Bundesregierung niemand | |
| schamesrot wird, wenn er betroffen, aber auch ein bisschen stolz, Bilder | |
| von Begegnungen mit [5][der verstorbenen Holocaustüberlebenden Margot | |
| Friedländer] postet. Hauptsache, man ist auf dem Foto auch selbst zu sehen. | |
| 17 May 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kersten Augustin | |
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