| # taz.de -- Grünen-Abgeordneter über den Gaza-Krieg: „Netanjahu schließt d… | |
| > Der Menschenrechtspolitiker Max Lucks kritisiert die israelische | |
| > Kriegsführung und die Reaktion der neuen deutschen Regierung: Es brauche | |
| > mehr Druck. | |
| Bild: Gebäude in Khan Younis, zerstört durch israelische Luftangriffe am 15. … | |
| taz: Herr Lucks, [1][Israel blockiert Hilfslieferungen nach Gaza] und | |
| Benjamin Netanjahu hat eine weitere Offensive angekündigt. Wie viel | |
| schlimmer kann die Lage für die Menschen dort noch werden? | |
| Max Lucks: Die Lage verschlimmert sich mit jedem Tag der humanitären | |
| Blockade. Die neue Offensive bedeutet sehr wahrscheinlich | |
| Menschenrechtsverbrechen, erneute zivile Opfer, Vertreibung und auch den | |
| Tod vieler Geiseln. Netanjahu schließt mit der Offensive die Tür für eine | |
| politische Lösung. Er zeigt, dass er seinen Krieg nur noch führt, um sein | |
| politisches Überleben zu sichern – auf dem Rücken der Menschen in Gaza und | |
| der Sicherheit Israels. | |
| taz: Der Nothilfekoordinator der UN warnte in dieser Woche vor einem | |
| drohenden Völkermord. Schließen Sie sich dieser Bewertung mittlerweile an? | |
| Lucks: Buzzwords stoppen die humanitäre Katastrophe nicht. Aber zweifellos | |
| ist Gaza einer humanitären Katastrophe ausgesetzt, die durch die Blockade | |
| ausgelöst wurde, die Herr Netanjahu zu verantworten hat. Auch aus | |
| Deutschland muss der politische Druck steigen, damit humanitäre Lieferungen | |
| endlich wieder ermöglicht werden und von dieser Offensive Abstand genommen | |
| wird. | |
| taz: Als Bruch des humanitären Völkerrechts würden Sie die Blockade aber | |
| bezeichnen? | |
| Lucks: Diese Blockade ist eine kollektive Bestrafung und damit ein Bruch | |
| des Völkerrechts. | |
| taz: Außenminister Johann Wadephul (CDU) [2][hat bei seinem Antrittsbesuch | |
| in Jerusalem gesagt], man könne der israelischen Regierung kein | |
| völkerrechtswidriges Verhalten vorwerfen. Sie sei schließlich offen dafür, | |
| künftig eine private Stiftung für Hilfslieferungen nach Gaza zu lassen. | |
| Lucks: Es ist völlig inakzeptabel, dass sich Außenminister Wadephul mit | |
| diesen Plänen hat abspeisen lassen. Gerade da hätte ich von ihm eine klare | |
| Haltung erwartet. Wir können nicht auf Netanjahu vertrauen und hoffen, dass | |
| das schon irgendwie gut geht. Es ergibt natürlich Sinn, humanitäre | |
| Lieferungen an der Terrororganisation Hamas vorbeizuführen. Aber angesichts | |
| der humanitären Katastrophe müssen die bestehenden Strukturen der UN | |
| genutzt werden. Es muss Schluss sein mit der Instrumentalisierung | |
| humanitärer Hilfe als Druckmittel. | |
| taz: Als Regierungspartei hatten sich die Grünen mit Kritik an der | |
| israelischen Regierung auch lange zurückgehalten. | |
| Lucks: Wir haben die Kriegsführung Netanjahus schon sehr früh kritisiert | |
| und immer wieder auf die humanitären Zugänge verwiesen. Und wir haben immer | |
| wieder betont, wie unteilbar die zwei zentralen außenpolitischen Lehren aus | |
| der deutschen Geschichte für uns sind: die Sicherung der Existenz der | |
| jüdischen Heimstätte in Israel und die Verteidigung universeller | |
| Menschenrechte für ausnahmslos alle. Wir werden uns nicht auf einen | |
| vergifteten Diskurs einlassen, der diese Dinge gegeneinander ausspielt. | |
| taz: In der Regierung haben die Grünen und Annalena Baerbock mit Blick auf | |
| den Gaza-Krieg also nichts falsch gemacht? | |
| Lucks: Annalena Baerbock hat sich immer für die Verteidigungsfähigkeit | |
| Israels verantwortlich gefühlt. Gleichzeitig hat sie sich als | |
| Außenministerin immer dafür eingesetzt, dass der Gazastreifen keiner | |
| Vertreibung, Verkleinerung und Besatzung ausgesetzt ist. Deswegen haben wir | |
| auf einen restriktiven Kurs für Rüstungsgüter gedrängt und für jede | |
| einzelne Hilfslieferung gekämpft. | |
| Vielleicht hätten wir viel früher deutlich machen müssen, dass Netanjahus | |
| Kriegsführung eng mit dem globalen Rechtsruck, der hinter ihm und seiner | |
| Regierung steht, verknüpft ist, und uns dem noch viel offensiver | |
| entgegenstellen müssen. Netanjahu hat ja nur darauf gewartet, dass Donald | |
| Trump an die Macht kommt und ihn gewähren lässt. Jetzt geht es aber darum, | |
| mit welchen Mitteln die neue Bundesregierung Netanjahu dazu bringen kann, | |
| die Freilassung der Geiseln ernsthaft zur Priorität zu machen, von seiner | |
| Offensive abzulassen und die humanitäre Blockade zu beenden. | |
| taz: Welche Möglichkeiten sehen Sie jenseits von Appellen? | |
| Lucks: Im Koalitionsvertrag hat Schwarz-Rot der israelischen Regierung | |
| einen Blankoscheck für Rüstungslieferungen ausgestellt. Das ist falsch. | |
| Schon ein bloßes Zurück zum restriktiven Kurs der Ampel-Zeit würde jetzt | |
| nicht mehr ausreichen. Es bräuchte einen Exportstopp, von dem nur solche | |
| Güter ausgenommen sind, die für die Sicherheit Israels existenziell sind, | |
| beispielsweise für die Luftabwehr gegen Raketen aus dem Iran. | |
| taz: Ein Exportstopp ohne Ausnahmen würde noch mehr Druck entfalten. | |
| Lucks: Eine konsequente Menschenrechtspolitik sollte Netanjahu unter Druck | |
| setzen, aber nicht muslimische, christliche und jüdische Staatsbürger | |
| Israels den Raketen aus dem Iran aussetzen. | |
| taz: In der EU wird auch diskutiert, Palästina als Staat anzuerkennen oder | |
| das EU-Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen. Was halten Sie davon? | |
| Lucks: Ich kann mir gut vorstellen, Palästina als eigenen Staat | |
| anzuerkennen. Dafür sollten natürlich die politischen Voraussetzungen | |
| geschaffen werden: Die Palästinenserinnen und Palästinenser müssen endlich | |
| einen verlässlichen Weg bekommen, wie sie in Würde, Freiheit, Frieden und | |
| ohne den Terror der Hamas leben können. Das EU-Assoziierungsabkommen | |
| auszusetzen, wäre dagegen ein Schritt, der auch die lebendigen Teile der | |
| israelisch-europäischen Zusammenarbeit, fernab der Regierung, trifft. Wir | |
| sollten das Selbstbewusstsein der israelischen Gesellschaft stärken, um | |
| gegen Netanyahu auf die Straße zu gehen, statt sie zu schwächen. | |
| taz: In Basel findet in dieser Woche der Eurovision Song Contest statt. Es | |
| gibt [3][Forderungen, den israelischen Beitrag auszuschließen]. Wäre das | |
| ein richtiger Schritt? | |
| Lucks: Die Sängerin Yuval Raphael ist ein Gesicht des demokratischen | |
| Israels mit seiner Kunstfreiheit, vor dem Netanjahu und seine in Teilen | |
| rechtsextreme Regierung so viel Angst haben. Und sie ist eine der | |
| Überlebenden des genozidalen Hamas-Terrors vom 7. Oktober, der diese | |
| Katastrophe ausgelöst hat. Deswegen finde ich Forderungen, sie als | |
| Vertreterin Israels beim ESC zu boykottieren, absurd. Auch im Interesse | |
| Israels sollten wir die israelische Regierung kritisieren, aber wir sollten | |
| nicht einen ganzen Staat dämonisieren. | |
| 16 May 2025 | |
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| Tobias Schulze | |
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