| # taz.de -- Frankfurter Buchmesse und die Ukraine: Hoffen auf den Sturz Putins | |
| > Wie geht Literatur in Zeiten des Krieges? Russische Dissidenten und | |
| > ukrainische Schriftsteller sprechen auf der Frankfurter Buchmesse. | |
| Bild: Sprach in Frankfurt zur Situation der russischen Opposition: die Historik… | |
| Frankfurt am Main taz | Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist | |
| eines der beherrschenden Themen dieser Frankfurter Buchmesse. | |
| Osteuropäische und ukrainische Aussteller stehen im Fokus. Ukrainische | |
| Schriftsteller:innen wie Tanja Maljartschuk oder [1][Andrej Kurkow] | |
| sind auf den Podien präsent. Sie verteidigen die schwer bedrängte Ukraine | |
| kulturell. | |
| Und am Sonntag wird dann auch [2][dem 1974 in der Ostukraine geborenen | |
| Autor Serhij Zhadan der Friedenspreis des deutschen Buchhandels] in | |
| Frankfurt am Main überreicht. Zhadan und viele der in Frankfurt | |
| auftretenden Autor:innen möchten allerdings so schnell wie möglich in | |
| die Ukraine zurück. Sie wollen nicht abseits der Ereignisse stehen. | |
| Ukrainische Autoren wie Kurkow oder Zhadan haben Tagebücher und | |
| fragmentarische Textsammlungen zum Geschehen in ihrer Heimat | |
| veröffentlicht. Es sind wie im Falle Kurkows herausragende literarische | |
| Zeugnisse einer so brutal in den ukrainischen Alltag eingebrochenen | |
| Aggression. An die Fortsetzung rein schriftstellerischer Projekte können | |
| derzeit die meisten von ihnen nicht denken. | |
| ## Zunächst tausende mutige Menschen auf den Straßen | |
| Seit Ausbruch des Kriegs rätselt der demokratische Teil der Welt, wie stark | |
| Putins Regime in der Bevölkerung der Russischen Föderation tatsächlich | |
| verankert ist. Leonid Wolkow betont im Frankfurt Pavilion der Messe, dass | |
| in vielen russischen Städten zunächst tausende mutige Menschen gegen | |
| Russlands Angriffskrieg auf die Straßen gingen. Derzeit sei öffentlicher | |
| Protest aber sehr riskant. Wolkow (geboren 1980) ist ein enger Vertrauter | |
| des inhaftierten russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny und Autor der | |
| aktuellen Neuerscheinung „Putinland“. | |
| Zusammen mit der [3][Historikerin Irina Scherbakowa (NGO Memorial)] sowie | |
| dem russischen Schriftsteller Michail Schischkin sprach Wolkow unter dem | |
| Titel „Wie viele sind wir? Zur Situation der russischen Opposition“. Auch | |
| so prominente Menschenrechtsaktivistinnen wie die 1949 geborene Scherbakowa | |
| haben Russland inzwischen verlassen müssen. | |
| Scherbakowa spricht in Frankfurt von der starken Repression durch den | |
| russischen Machtapparat. Und in der Folge von einer Atomisierung der | |
| oppositionellen Bewegung. In einer solchen Situation sei jeder Russe, der | |
| sich seiner Einberufung durch den Gang ins Ausland entzieht, positiv zu | |
| bewerten: ein Kämpfer weniger für das Regime. | |
| Die Aufnahme russischer Männer, die sich nach Putins angeordneter | |
| Teilmobilmachung ins Ausland absetzen, ist in westlichen Staaten durchaus | |
| umstritten. Man wirft ihnen oft vor, sich nicht schon früher abgesetzt zu | |
| haben. Oder sich gegen den Krieg nicht vehement und öffentlich genug | |
| eingesetzt zu haben. | |
| ## Für die komplette „Entputinisierung“ Russlands | |
| Michail Schischkin, geboren 1961, lebt in der Schweiz. Seine Bücher sind in | |
| Russland Bestseller. Er spricht von einem mittlerweile offen | |
| „faschistischen Staat“ mit Massenbasis. „Es tut weh“, so Schischkin, he… | |
| „Russe zu sein“. Doch jeder einzelne Russe und jede einzelne Russin, die | |
| gegen das Regime protestieren, seien auch ein Grund, nicht einfach „die“ | |
| Russen zu hassen. | |
| Angesichts der russischen Staatsverbrechen dürfe man dennoch nicht blind | |
| verallgemeinern. Schischkin tritt für die komplette „Entputinisierung“ | |
| Russlands ein. Und fragt sich: [4][Ist Zar Putin noch echt und stark, oder | |
| schwankt er schon?] Und hofft auf den Sturz Putins mit einer Niederlage in | |
| der Ukraine. | |
| „Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen“, sagt auch Irina Scherbakowa, | |
| „sonst kann sich in Russland nichts ändern.“ Und danach müsse geschehen, | |
| was nach dem Zusammenbruch der Sowjet-Diktatur versäumt wurde: die | |
| Verantwortlichen der Terrorherrschaft juristisch und individuell zur | |
| Rechenschaft zu ziehen. Nach dem Vorbild der Nürnberger NS-Prozesse brauche | |
| es ein internationales Tribunal, um die Verbrechen zu sühnen. „Der Preis | |
| für Russland wird am Ende sehr hoch sein,“ ist sich Scherbakowa sicher. | |
| „Die Ukraine soll diesen Krieg gewinnen,“ pflichtet auch Wolkow bei. Als | |
| Nawalnys inoffizieller Außenminister residiert er seit 2019 im litauischen | |
| Exil. Ohne die militärische Niederlage Putins in der Ukraine sei keine | |
| positive Veränderung denkbar. Als Politiker des Widerstands bleibt er zudem | |
| verhalten optimistisch, was die Haltung der russischen Bevölkerung | |
| anbetrifft. Die schweigende Mehrheit sei gerade dabei, aufzuwachen. | |
| 22 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
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