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# taz.de -- Experte zum Verdachtsfall AfD: „Die Reihen werden sich schließen…
> Der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent hält die Einstufung der AfD
> für richtig und problematisch zugleich. Die Partei werde jetzt zur NPD
> 2.0.
Bild: Bemaltes Plakat der AfD bei Ditzingen in Baden-Württemberg
taz: Herr Quent, das Bundesamt für Verfassungsschutz hat [1][die AfD als
rechtsextremen Verdachtsfall] eingestuft. Ein richtiger Schritt?
Matthias Quent: Das ist ein folgerichtiger und überfälliger Schritt. Um
festzustellen, dass die AfD eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei ist,
dazu braucht man keine nachrichtendienstlichen Mittel. Das dokumentieren ja
zivilgesellschaftliche Akteure, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen
schon seit Jahren.
Die Entscheidung ist inhaltlich also völlig richtig. Aber trotzdem ist es
ein demokratiepolitisch problematischer Schritt, gerade wenn dies so kurz
vor Landtagswahlen geschieht.
Warum?
Ich bezweifele, dass ein Geheimdienst das richtige Instrument ist, um
demokratiefeindliche Bestrebungen auf Parteiebene zu benennen. Auch jetzt
bleibt für die Öffentlichkeit intransparent, auf welcher Grundlage das
erfolgt. Das Verfassungsschutzgutachten ist nicht öffentlich, man kann sich
damit nicht kritisch auseinandersetzen und nicht über die eigentlich
zentralen Aspekte wie Rassismus diskutieren.
Aus meiner Sicht bräuchte es vielmehr eine systematische wissenschaftliche
Auseinandersetzung, die öffentlich und pluralistisch Pro- und
Kontra-Argumente abwägt und die Gesellschaft kommunikativ mitnimmt, statt
staatlich zu verordnen. Das wäre ein aufgeklärtes Vorgehen. Eine auf
Geheimwissen basierende Entscheidung eines Nachrichtendienstes ist es
nicht, auch wenn der Verfassungsschutz damit natürlich seinem Auftrag
nachkommt.
Die AfD wiederum kritisiert eine politische Instrumentalisierung des
Verfassungsschutzes. Verfängt das?
Das Argument ist ja nicht ganz von der Hand zu weisen, nur weil es jetzt
auch von rechts außen kommt. Der Verfassungsschutz war in seiner Geschichte
häufig ein politisches Instrument gegen links und eine Art schützende Hand
für die extreme Rechte, jetzt erhebt auch diese Rechte diesen Vorwurf.
Und der Dienst ist ja tatsächlich den Innenministerien nachgeordnet. Er
arbeitet nicht nach objektiven und transparenten Kriterien, sondern hat
eine politische Funktion. Das sah man zuletzt im Fall des früheren
Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen, der einiges blockierte.
Welche Folgen wird die Einstufung für die AfD haben?
Sie wird für Unruhe sorgen, auch im Wahlkampf. Die Partei wird jetzt im
bürgerlichen Spektrum weiter isoliert. Eine Radikalisierung wird das
langfristig aber nicht verhindern, sondern wohl eher bestärken. Vielleicht
wird die AfD noch kurzfristig versuchen, aus der Einstufung irgendwie
rauszukommen. Aber wenn man sowieso im Visier des Verfassungsschutzes ist,
braucht man sich auch nicht mehr um verbale Mäßigung zu bemühen.
Bei Ihnen in Thüringen agieren die AfD-Radikalen um Björn Höcke, die
ohnehin keine Mäßigung wollen.
Ja, die Höcke-Leute werden sich nun bestätigt sehen. Der
Beschwichtigungskurs von Parteichef Meuthen wurde dort ja scharf
kritisiert. Höcke erklärte schon lange, die Feinde der AfD würden erst
ruhen, wenn die ganze Partei und die gesamte, wie es dort heißt,
patriotische Opposition unter Beobachtung stehen. Sie können sich nun als
bestätigt darstellen. Ich sehe daher nicht, dass es noch größere
Widerstände gegen eine weitere Radikalisierung in der AfD gibt.
Parteichef Meuthen hatte, wie Sie sagen, zuletzt noch [2][zu einer Mäßigung
aufgerufen]. Was macht er jetzt?
Auch das Meuthen-Lager hat ja lange alles mitgemacht und fungierte vor
allem als Feigenblatt. Vielleicht wird Meuthen seinen Hut nehmen oder
nehmen müssen, aber massenhafte Austritte oder gar eine relevante
Abspaltung erwarte ich nicht mehr. Eher werden sich mittelfristig die
Reihen schließen.
Die AfD ist damit auf dem Weg zur NPD 2.0?
Die AfD geht in mehrfacher Hinsicht schon lange in den Fußstapfen der NPD.
Im politischen Programm sind Schnittmengen gegeben und bei Wahlen zeigen
sich statistische Zusammenhänge: Wo früher die NPD stark war, ist es jetzt
die AfD – auch in Westdeutschland.
Der Unterschied ist, dass die AfD mit ihren vielen Parlamentssitzen
strukturell viel stärker aufgestellt ist und bisher nicht so tabuisiert wie
die NPD. Deshalb wird es nun spannend zu sehen, ob es nun auch langfristig
zu einer Verzwergung der Wahlergebnisse kommt. Vermutlich wird sich aber
eine rechtsextreme Partei bundesweit bei zwischen 7 und 12 Prozent
stabilisieren – ob nun unter Beobachtung oder nicht.
4 Mar 2021
## LINKS
[1] /Verfassungsschutz-stuft-Partei-ein/!5755634
[2] /AfD-Bundesparteitag-in-Kalkar/!5732001
## AUTOREN
Konrad Litschko
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