# taz.de -- Entwurf für Einigung auf eine Koalition: 61 Seiten für Jamaika | |
> Der taz liegt ein 61-seitiger Entwurf für ein Sondierungspapier vor. | |
> Großthemen wie der Klimaschutz sind strittig – und manches wirkt kurios. | |
Bild: Schneller Ausstieg aus der Kohle: Viele fordern ihn, aber die Jamaika-Ver… | |
BERLIN taz | CDU, CSU, FDP und Grüne haben in einem 61-seitigen Entwurf für | |
ein Sondierungspapier skizziert, was eine künftige Regierung leisten soll. | |
Dem Papier, das der taz vorliegt, haben die Verhandler eine Präambel | |
vorangestellt. „Uns eint die Verantwortung für die Menschen und die Zukunft | |
unseres Landes“, heißt es darin. „Die Menschen erwarten von uns, gemeinsam | |
zentrale Herausforderungen unserer Zeit anzugehen.“ | |
Der Entwurf des Sondierungspapiers wurde kurz vor der mit Spannung | |
erwarteten Nacht der Entscheidungen bekannt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) | |
will bis zum frühen Freitagmorgen in einer großen Runde mit Vertretern der | |
vier Parteien offene Konflikte abräumen und die Sondierungen für eine | |
mögliche Koalition abschließen. Wichtige Punkte des Entwurfs sind deshalb | |
noch strittig. An den betreffenden Stellen sind in eckigen Klammern die | |
jeweils abweichenden Positionen vom Konsens aufgeführt. | |
Die Verhandler listen in der Präambel 12 Themenblöcke auf. Sie beschreiben | |
Ziele für das Regierungshandeln. So wollen die potenziellen | |
Jamaika-Koalitionäre zum Beispiel die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, | |
einen funktionierenden Sozialstaat und solide Finanzen stärken. „Dies alles | |
bedingt einander.“ | |
Schon als zweiter Punkt wird der Kampf gegen den Klimawandel aufgeführt. | |
Die Verhandler verpflichten sich auf einen Beitrag zum weltweiten | |
Klimaschutz. Der Klimawandel bedrohe die natürlichen Lebensgrundlagen der | |
Menschen. „Ökologie und Ökonomie gehören zusammen.“ | |
Zur Flüchtlingspolitik heißt es in der Präambel des Entwurfs: „Wir wollen | |
Integration fördern sowie Migration steuern [und begrenzen]. Erst dadurch | |
wird es möglich, dass wir sowohl der Verantwortung gegenüber unserem Land | |
als auch unserer humanitären Verantwortung gerecht werden.“ Hier zeigt sich | |
bereits ein Dissens: Das in Klammern gesetzte [und begrenzen] ist CDU, CSU | |
und FDP wichtig, während die Grünen lieber darauf verzichtet hätten. | |
## Grüne beziehen sich auf Kanzlerin Merkel | |
Die entscheidenden Knackpunkte sind in den 61 Seiten nicht zu übersehen. So | |
streiten sich die möglichen Partner zum Beispiel heftig über den | |
Kohleausstieg. CDU, CSU und FDP auf der einen und die Grünen auf der | |
anderen Seite gehen dabei von unterschiedlichen Fakten aus. Union und FDP | |
behaupten, dass der CO2-Ausstoß um 32 bis 66 Millionen Tonnen verringert | |
werden müsse, um das Klimaschutzziel 2020 zu erreichen. | |
Die Grünen sehen eine Handlungslücke von 90 bis 120 Millionen Tonnen. | |
Entsprechend müssten weniger oder mehr Kohlekraftwerke stillgelegt werden. | |
Auch in der Flüchtlingspolitik sind die Gräben tief. CDU und CSU möchten | |
die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen auf eine Zahl von | |
200.000 pro Jahr beschränken. Dieser Richtwert würde mit abgeschobenen oder | |
freiwillig ausgereisten Flüchtlingen verrechnet. Die FDP wünscht sich hier | |
einen „Korridor zwischen 150.000 und 250.000 Menschen pro Jahr.“ Die Grünen | |
sind gegen eine solche Begrenzung. | |
Sie wollen den Familiennachzug für Geflüchtete mit subsidiärem Schutz | |
wieder gewähren. Jener wurde von der Großen Koalition bis März 2018 | |
ausgesetzt. „Wir sind dem besonderen Schutz der Familie verpflichtet, wie | |
er im Grundgesetz und seinem Artikel 6 steht“, betont die Ökopartei in dem | |
Entwurf. CDU und CSU sind vehement dagegen. Sie fordern in dem Entwurf | |
einen Stopp des Familiennachzugs über März 2018 hinaus. Die | |
Integrationsfähigkeit und -bereitschaft der Gesellschaft schließe einen | |
unbeschränkten Familiennachzug aus, schreiben sie in dem Entwurf. | |
Die Differenzen wirken mitunter kurios. Während die Grünen sich | |
ausdrücklich auf einen Satz Angela Merkels beziehen, wonach das Grundrecht | |
auf Asyl keine Obergrenze kenne, erwähnen CDU und CSU Merkel an dieser | |
Stelle mit keinem Wort. Das wäre zu viel des Lobes für die eigene | |
Kanzlerin. | |
16 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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