# taz.de -- Jamaika-Sondierungen unterbrochen: Powernap gegen die Fantasielosig… | |
> Die Jamaika-Sondierungen sind doch nicht wie geplant beendet worden. Nach | |
> einer Pause wollen Union, FDP und Grüne mittags weiterverhandeln. | |
Bild: Hier gibt es nichts zu verkünden: Mikrofone vor dem Bundestag | |
BERLIN taz | Es gebe „kein Zeitlimit“, sagt Horst Seehofer am sehr frühen | |
Freitagmorgen, „aber wir versuchen natürlich, das in einer überschaubaren | |
Zeit zu machen“. Mit überschaubar meint der CSU-Vorsitzende, dass die | |
Jamaika-Unterhändler am Freitag gegen 4.30 Uhr ihre Gespräche für einen | |
Powernap und eine Dusche unterbrochen haben. Mittags um zwölf Uhr geht es | |
am Freitag weiter. Die Gremiensitzungen von CDU und CSU an diesem | |
Wochenende, bei denen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen beschlossen | |
werden sollte, sind abgesagt. Das klingt nach einer gar nicht so kurzen | |
Verlängerung. | |
Obwohl das am Donnerstag begonnene Treffen als entscheidend für das | |
Zustandekommen einer Regierungskoalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen | |
annonciert war, hat der auf diese Weise aufgebaute Entscheidungsdruck nicht | |
zu einem Ergebnis geführt. Nachmittags war der [1][61 Seiten umfassende | |
Entwurf des Sondierungspapiers] nach außen gedrungen, das der | |
Kanzleramtsminister mit den beteiligten Unterhändlern aufgesetzt hatte. Da | |
wirkte es noch so, als ginge es zügig und lösungsorientiert voran. | |
Doch schon spät am Abend hatte es aus Verhandlungskreisen geheißen, es | |
laufe nicht gut. Kurz vor Mitternacht hatte dann FDP-Generalsekretärin | |
[2][Nicola Beer aus der hell erleuchteten Parlamentarischen Gesellschaft | |
getwittert]: „Verlange nichts von Deinem Gegenüber, was er nicht geben | |
kann. Sonst bekommst Du am Ende gar nichts.“ Das durfte getrost als | |
Aufforderung zur Mäßigung bei Androhung eines Scheiterns verstanden werden. | |
Am heftigsten gestritten wurde – und wird – zwischen CSU und Grünen über | |
die Migrationspolitik. Horst Seehofer sagte nach dem Verlassen des | |
Verhandlungsortes sichtlich verärgert, es würden von interessierter Seite | |
„bewusst Falschbehauptungen“ aufgestellt. Damit meinte er | |
Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner, der gestreut habe, CDU und CSU | |
seien sich in ihren Positionen nicht einig. Die Grünen müssten sich fragen, | |
warum sie „Fake News“ in die Welt setzten, sagte Seehofer. | |
Damit bezog er sich auf den Streit hinsichtlich der Frage des | |
Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Während | |
die Grünen sich für das Recht auf Familiennachzug für alle | |
Flüchtlingsgruppen einsetzen und eine Begrenzung der Aufnahme ablehnen, | |
vertritt die CSU in diesem Punkt die gegenteilige Position. „Deshalb können | |
wir einer Lösung, die die Ausweitung der Zuwanderung zum Ergebnis hat, | |
nicht zustimmen“, sagte Seehofer. | |
## „So lange es gehen muss“ | |
Der CSU-Chef steht in seiner eigenen Partei schwer unter Beschuss. Während | |
er in Berlin verhandelt, wird in München munter an seinem Abgang gebastelt. | |
Den kann er nur noch verhindern, wenn er mit einem glänzenden Ergebnis nach | |
Hause kommt. Aber danach sieht es gerade nicht aus. | |
FDP-Chef Christian Lindner äußerte nach der Unterbrechung die Hoffnung, | |
dass noch eine Einigung gelingt. „Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir | |
die nächsten Tage nutzen wollen, um die noch bestehenden Unterschiede zu | |
überwinden. Wir halten sie auch für überwindbar“, sagte Lindner. „Ein | |
solches historisches Projekt, wie es eine Verbindung von FDP, Union und | |
Grünen wäre, darf nicht an ein paar Stunden scheitern, die fehlen.“ Auch | |
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sagte, er sei „überzeugt, dass wir | |
zusammen kommen können, wenn alle wollen“. CDU-Generalsekretär Peter Tauber | |
bilanzierte: „Wir glauben nach wie vor, dass es sich lohnt.“ | |
Am Freitagmorgen, die Sonne ging gerade wieder über Berlin auf, sagte | |
schließlich FDP-Generalsekretär Wolfgang Kubicki im ARD-Morgenmagazin, man | |
sei in den Positionen noch so weit auseinander, „dass mir die Fantasie | |
fehlt, wie wir zusammenkommen sollen“. Viele Beteiligten hätten das Gefühl, | |
beim kleinsten Zugeständnis über den Tisch gezogen zu werden. Auf die | |
Frage, wie lang die Verlängerung werden könnte, antwortete Kubicki: „Wir | |
haben uns kein Ende gegeben.“ Die FDP sei gesprächsbereit, „solange es denn | |
gehen muss“. | |
17 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Entwurf-fuer-Einigung-auf-eine-Koalition/!5461774 | |
[2] https://twitter.com/nicolabeerfdp/status/931287389292716032 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Jamaika-Koalition | |
Wolfgang Kubicki | |
Horst Seehofer | |
Grüne | |
FDP | |
Union | |
CDU/CSU | |
CDU | |
CSU | |
Jamaika-Koalition | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Landtag Niedersachsen | |
Jamaika-Koalition | |
CDU | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Jamaika-Sondierungen in drei Akten: Drama, Baby, Drama | |
Die Sondierungsverhandlungen laufen nach den Regeln der klassischen | |
Dramaturgie ab. Eine Verzögerung vor der Auflösung gehört dazu. | |
Grüne in der Jamaika-Sondierung: Verhandeln bis es schmerzt | |
Annalena Baerbock will nichts weniger als das Klima retten. Die Grüne ist | |
Teil der Sondierung – und hat eine bewegte Woche hinter sich. | |
Kommentar Jamaika-Sondierungen: Ein Echo altdeutscher Staatsfixierung | |
Die Ungeduld mit den Sondierungen zeigt, wie obrigkeitshörig und | |
konsumistisch deutsche Wähler denken. Doch Jamaika braucht Zeit. | |
Große Koalition in Niedersachsen: Die Grünste unter den Schwarzen | |
CDU und SPD haben ihre Koalition fertig. Auch das Personal steht. Bernd | |
Althusmann (CDU) übernimmt Wirtschaft, Olaf Lies (SPD) Umwelt. | |
Ministerinnen gibt es zu wenige. | |
Entwurf für Einigung auf eine Koalition: 61 Seiten für Jamaika | |
Der taz liegt ein 61-seitiger Entwurf für ein Sondierungspapier vor. | |
Großthemen wie der Klimaschutz sind strittig – und manches wirkt kurios. | |
Kommentar CDU und Fehleranalyse: Nach vorne diskutieren | |
Die Kanzlerin hatte eine vertiefte Debatte zu den Verlusten bei der | |
Bundestagswahl angekündigt. Doch die Klausur zum Thema gerät zur Farce. |