| # taz.de -- EU und Ampel geben Bauernprotesten nach: Unnötiger Deal auf Kosten… | |
| > Die Politik schwächt wegen Treckerdemos den Umweltschutz, trotz Arten- | |
| > und Klimakrise. Und obwohl die Bauern nur wenige Wählerstimmen haben. | |
| Bild: Landwirte kippen aus Protest eine Ladung Zuckerrüben auf einer Hauptstra… | |
| Nun haben die Wutbauern ihren bisher größten Erfolg erzielt: Das | |
| Europäische Parlament hat als Reaktion auf die [1][Bauernproteste] | |
| zugestimmt, dass die wichtigsten Umweltvorschriften für die | |
| milliardenschweren EU-Agrarsubventionen gestrichen oder stark abgeschwächt | |
| werden. | |
| Wer Direktzahlungen vom Staat erhält, muss jetzt doch nicht mindestens 4 | |
| Prozent seiner Ackerfläche etwa für Brachen und Landschaftselemente wie | |
| Hecken oder Baumreihen reservieren. Die Regeln für die Fruchtfolge – also | |
| dazu, wie oft die Pflanzenart auf einem Acker wechseln muss – werden | |
| aufgeweicht. Das gilt auch für das Verbot, Dauergrünland wie Wiesen und | |
| Weiden umzubrechen. Und auf Höfen mit höchstens 10 Hektar Agrarfläche | |
| sollen die Behörden gar nicht mehr kontrollieren, ob die Umweltvorschriften | |
| eingehalten werden – das sind satte 65 Prozent aller Betriebe, mit einer | |
| Fläche so groß [2][wie das gesamte Agrarland Deutschland]s. | |
| All das ist für die Umwelt katastrophal. Studien zeigen, wie wichtig | |
| Ackerbrachen und Landschaftselemente sind. Sie bieten Rückzugsräume zum | |
| Beispiel für das vom Aussterben bedrohte Rebhuhn oder für Insekten. Eine | |
| Fruchtfolge trägt dazu bei, dass weniger Unkraut und Schädlinge die Ernte | |
| schmälern; dann können die Bauern umweltschädliche Pestizide einsparen. | |
| Grünland muss geschützt werden, weil es erhebliche Mengen Treibhausgase | |
| speichert. | |
| ## Herbe Rückschäge | |
| Zur Erinnerung: Die Landwirtschaft trägt maßgeblich dazu bei, dass immer | |
| mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben. Sie hat ungefähr die Hälfte der | |
| deutschen Landfläche unter Beschlag. Auf dieser hat sie immer mehr Hecken | |
| beseitigt, den Boden umgebrochen und mit zu viel Chemikalien der | |
| Artenvielfalt geschadet. Die Branche verursacht inklusive der Emissionen | |
| aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt [3][13 Prozent der deutschen | |
| Treibhausgase]. | |
| Anders als der Bauernverband suggeriert, ist der ökonomische Preis der | |
| Brachen und Landschaftselemente gering. Es gibt sie schon jetzt auf 2 | |
| Prozent der deutschen Ackerfläche. Die Bauern müssten also nur 2 | |
| Prozentpunkte zusätzlich bereitstellen. Die Ernte dort wäre minimal. Dem | |
| durchschnittlichen Bauern geht es wirtschaftlich auch nicht so schlecht, | |
| wie oft behauptet wird. | |
| Nicht nur wegen der EU-Subventionen erleidet der Umweltschutz in der | |
| Landwirtschaft gerade herbe Rückschläge. Die Ampelkoalition hat auch ihren | |
| Plan zurückgenommen, die Befreiung der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche | |
| Fahrzeuge wie Traktoren zu streichen. Dabei könnte der Staat mit einer am | |
| CO2-Ausstoß orientierten Abgabe Anreize setzen, Maschinen mit weniger | |
| Emissionen zu entwickeln und zu kaufen. | |
| ## Hauptsache, die Bauern geben Ruhe | |
| Die EU-Kommission wollte die Mitgliedstaaten eigentlich verpflichten, den | |
| Pestizideinsatz und die damit verbundenen Risiken bis 2030 grundsätzlich zu | |
| halbieren. Doch der Verordnungsentwurf ist im Parlament krachend | |
| gescheitert. | |
| Die Ampel hat jetzt auch ihr Vorhaben verschoben, das Düngerecht zu | |
| verschärfen. Aber belastet nicht immer noch zu viel Nitrat das Grundwasser | |
| und zum Beispiel Flüsse, was die Artenvielfalt gefährdet? Egal. Hauptsache, | |
| die Bauern geben Ruhe. | |
| Die wenigen Fortschritte sind minimal. Bundesagrarminister Cem Özdemir | |
| (Grüne) hat erreicht, dass der Bund ab 2024 die Pflicht einführt, | |
| unverarbeitetes Schweinefleisch damit zu kennzeichnen, wie das Tier | |
| gehalten wurde. Flankiert wird das mit Subventionen für bessere Ställe. | |
| Aber das betrifft bisher nur einen kleinen Teil des Fleischmarkts. Und: Ob | |
| wirklich viele Tiere wegen der Kennzeichnung besser leben werden, ist | |
| völlig ungewiss. | |
| ## Willkommene Anlässe | |
| Die Politik hätte nicht dermaßen vor den Wutbauern einknicken müssen. Sie | |
| repräsentieren keinesfalls alle Landwirte, von denen es in Deutschland auch | |
| nur noch [4][255.000] gibt. Auf der [5][größten Bauerndemo] Mitte Januar in | |
| Berlin waren 8.500 Menschen. Das ist nicht viel im Vergleich beispielsweise | |
| zu den Kundgebungen gegen Rechtsextremismus, an denen in mehreren Orten | |
| jeweils Hunderttausende teilnahmen. | |
| Die Bauernproteste wären auch ohne den Kniefall vor der Agrarlobby zu Ende | |
| gegangen. Denn im Frühjahr müssen echte Bauern wieder aufs Feld. Sie haben | |
| dann schlichtweg keine Zeit mehr, mit dem Traktor vor dem Brandenburger Tor | |
| zu stehen. | |
| Aber im EU-Parlament gibt es eine rechte Mehrheit, für die die | |
| Bauernproteste einen willkommenen Anlass lieferten, den Umweltschutz | |
| zurückzudrängen. Genauso wie für die FDP in der Bundesregierung. Die gute | |
| Nachricht ist: Das können die Bürger mit ihrer Stimme ändern. Zum Beispiel | |
| schon bei der Europawahl am 9. Juni. | |
| 26 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bauernprotest/!t5985152 | |
| [2] https://slakner.wordpress.com/2024/04/02/bauernproteste-eu-kommission-schre… | |
| [3] https://www.umweltbundesamt.de/themen/landwirtschaft/landwirtschaft-umweltf… | |
| [4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forst… | |
| [5] /Regierung-spricht-mit-Landwirten/!5982920 | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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