# taz.de -- EU-Parlamentarier über Bauernproteste: „Kein Erbrecht auf Subven… | |
> Das Europaparlament will die zentralen Umweltregeln für Agrarsubventionen | |
> abschaffen. Ganz falsch, findet der Grüne Martin Häusling. | |
Bild: Bei der neuen Umweltvorschrift sind die Bauern nur noch verpflichtet, bes… | |
taz: Herr Häusling, das EU-Parlament wird am Mittwoch wahrscheinlich eine | |
der wichtigsten Umweltvorschriften für den Erhalt [1][der | |
milliardenschweren Agrarsubventionen] streichen: Landwirte sollen nicht | |
mehr 4 Prozent ihrer [2][Ackerfläche für Brachen] reservieren müssen. Sie | |
sollen nur noch verpflichtet sein, bestehende Landschaftselemente wie | |
Hecken oder Baumreihen zu erhalten. Warum wollen die Grünen gegen diesen | |
Vorschlag der EU-Kommission stimmen? | |
Martin Häusling: 4 Prozent hört sich erst mal nicht so viel an, aber in | |
Gesamteuropa sind das ja ein paar 100.000 Hektar, die tatsächlich für viele | |
der bedrohten Tierarten auch als Rückzugsfläche gedacht waren. Da geht es | |
vor allem um Vögel wie die Feldlerche oder das Rebhuhn, [3][aber auch um | |
Insekten]. Wenn das wegfällt, werden wir [4][unsere Biodiversitätsziele] | |
verfehlen. Seit der vorletzten Reform hat die EU die wichtigste | |
Subventionsart, die Direktzahlungen, ein Stück weit mit Umweltauflagen | |
verbunden. Jetzt kommen wir wieder dahin: Du kriegst Geld, weil du den | |
Hektar hast, große Auflagen musst du gar nicht mehr erfüllen. | |
Woran machen Sie das noch fest? | |
Nun soll sogar die Regel fallen, dass die Bauern eine Fruchtfolge einhalten | |
müssen. In vielen Regionen werden Weizen und Mais massenhaft und keine | |
anderen Früchte mehr zwischendurch angebaut. Dabei kann man [5][mit einer | |
Fruchtfolge Pestizide einsparen und ökologischer arbeiten]. Ein Erfolg der | |
letzten beiden Reformen war, dass Grünland geschützt wird. Das wird jetzt | |
massiv aufgeweicht, und das schadet dem Klima. Denn jeder Hektar Wiesen und | |
Weiden, der umgebrochen wird, setzt 6 bis 8 Tonnen CO₂ frei. All das | |
schafft die Kernelemente der EU-Agrarpolitik ab. | |
Die Kommission will die Mitgliedstaaten verpflichten, den Bauern | |
Extrazahlungen anzubieten, wenn sie Brachen beibehalten oder neue | |
Landschaftselemente anlegen. Reicht das? | |
Das werden nicht viele Bauern freiwillig machen. Deshalb ist das eine | |
Ausweichmanöver der EU-Kommission. | |
Die Kommission argumentiert, dass sie die Brachen nicht mehr vorschreiben | |
will, weil diese die Bauern nur Geld kosten, ohne dass sie dafür | |
entschädigt werden. Was halten Sie davon? | |
Es ist ein Teil des gesellschaftlichen Deals, dass die Bauern von den | |
Steuerzahlern dann Geld bekommen, wenn sie etwas für die Umwelt tun. Wo | |
kommen wir denn da hin, wenn Bauern Geld einfach dafür kriegen, dass sie | |
Bauern sind? | |
Aber sie haben das Geld jahrzehntelang ohne diese Auflagen erhalten. Die | |
haben sich jetzt darauf eingerichtet. | |
Es gibt kein Erbrecht auf EU-Subventionen. Die Bauern müssten doch selber | |
ein großes Interesse dran haben, mehr für Umwelt und Klimaschutz zu tun. | |
Der Verlust an Biodiversität ist genauso wie der Klimawandel eine Bedrohung | |
für die Landwirtschaft: [6][Weniger Wildbienen und Bienen, weniger Ertrag]. | |
Die Kommission begründet den Vorschlag auch damit, dass die Landwirte eh | |
schon belastet seien, etwa durch mehr Dürren, Inflation und „ökonomische | |
Unsicherheiten“. Ist Ihnen das egal? | |
Die [7][Bauern sind auf die Straße gegangen wegen der zu geringen | |
Einkommen]. Da müsste die EU initiativ werden und die Stellung der | |
Landwirte in der Kette stärken. Das sind doch die wahren Probleme der | |
Bauern. | |
Der Beschluss soll auch die sehr komplizierten Vorschriften vereinfachen. | |
Stimmt das? | |
Das ist keine Vereinfachung, sondern eine Abschaffung der Kernelemente der | |
Gemeinsamen Agrarpolitik. Man will die Bauern vor den Wahlen von der Straße | |
bekommen. Aber man geht die wahren Probleme – das schlechte Einkommen der | |
Bauern, ihr immer kleinerer Anteil am Lebensmittelpreis – nicht an, weil | |
man sich nicht anlegen will mit der Ernährungsindustrie. | |
Knickt die EU hier [8][vor einer kleinen Minderheit ein, die mit Traktoren | |
Straßen blockiert] und in Brüssel Gülle auf die Straße kippt? | |
Ja. In Deutschland waren die Proteste zwar auch manchmal grenzwertig, aber | |
in Brüssel hatte sie schon fast Bürgerkriegscharakter, mit den brennenden | |
Reifen und Attacken auf die Polizei. Wenn man das jetzt quasi noch | |
legitimiert, ist das eine merkwürdige Geschichte. Wenn sich ein paar | |
Klimaschützer auf die Straße kleben, dann werden sie runtergezerrt und | |
teilweise auch verhaftet. Es gibt ein Ungleichgewicht, dass man das | |
toleriert, was Landwirte machen, und bei Umweltaktivisten hart durchgreift. | |
Ein Ausschuss des Rats der Mitgliedsstaaten hat den Beschluss bereits | |
abgesegnet, der Rat insgesamt muss aber nach dem Parlament offiziell | |
zustimmen. Wie sollte sich Ihr Parteifreund und Bundesagrarminister Cem | |
Özdemir da verhalten? | |
Um Glaubwürdigkeit zu bewahren, sollte er auf keinen Fall zustimmen. | |
Deutschland ist ein wichtiger EU-Staat. Wenn der jetzt dagegen stimmen | |
würde, könnten sich andere Mitgliedsstaaten daran orientieren – und | |
möglicherweise könnte es doch eine Sperrminorität geben, oder? | |
Das sehe ich nicht. Alle Agrarminister haben ein Interesse daran, [9][dass | |
die Bauernproteste so schnell wie möglich aufhören]. Da wird sich jetzt | |
keiner mehr dagegenstellen. Wenn es Spitz auf Knopf stünde und Deutschlands | |
Stimme den Ausschlag gäbe, dann wäre es eine andere Entscheidung. Aber | |
dadurch, dass Deutschland da wirklich allein steht, wird ein grüner | |
Agrarminister allein keinen Frühling machen. | |
23 Apr 2024 | |
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[8] /Agraroekonom-ueber-Proteste-in-Europa/!5989733 | |
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## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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