# taz.de -- Reform des Klimaschutzgesetzes: Die besten Jahre sind vorbei | |
> Die Ampelkoalition verwässert mit einer Reform das Klimaschutzgesetz. | |
> Aktivist*innen und die Energiewirtschaft zerreißen die Pläne. | |
Bild: Eine Szene vom Berliner Kaiserdamm Ende Mai 2021 Das angedrohte Fahrverbo… | |
BERLIN taz | Es galt als großes Vermächtnis von Angela Merkels Regierungen | |
in der Klimapolitik, einer [1][der wenigen Erfolge]: das | |
Bundesklimaschutzgesetz, mit dem Deutschland klimaneutral werden will. 2019 | |
beschlossen, hielt es jahresgenaue CO2-Grenzwerte für verschiedene Sektoren | |
fest, für die Energiegewinnung zum Beispiel, für das Verkehrswesen, für die | |
Landwirtschaft. | |
Ein früher Entwurf aus dem Umweltministerium, das damals von der heutigen | |
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) geführt wurde, hatte | |
damals einen besonderen Clou vorgesehen: Wenn ein Mangel an Klimaschutz der | |
Bundesrepublik Kosten verursacht, muss das verantwortliche Ministerium aus | |
seinem Budget dafür aufkommen. | |
Die Regelung schaffte es nicht ins finale Gesetz, eine von zahlreichen | |
Verwässerungen. Am Ende stand aber immer noch das Grundgerüst: Es gab | |
konkrete Ziele für die verschiedenen Sektoren. Und wenn sie in einem Jahr | |
nicht erreicht werden, muss das für den Bereich zuständige Ministerium ein | |
Sofortprogramm vorlegen, das den Missstand für die folgenden Jahre | |
korrigiert. | |
Das reißt die Ampelkoalition jetzt ab: Die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen | |
und FDP haben sich am Montagnachmittag auf die Reform des | |
Klimaschutzgesetzes geeinigt, die die Regierung und besonders die FDP schon | |
lange plant – aber von den Abgeordneten im Bundestag seit Monaten nicht | |
verabschiedet wird. Aus Fraktionskreisen ist der Rahmen der Reform bereits | |
bekannt. Grundlegend bleibt es bei den umstrittenen Plänen der | |
Ampelregierung. Die Sektorziele sollen auf dem Blatt bestehen bleiben – | |
aber ihr Verfehlen führt nicht mehr dazu, dass der*die zuständige | |
Minister*in im Folgejahr ein Sofortprogramm vorlegen muss. | |
## Bundesregierung kann sich mehr zurücklehnen | |
Stattdessen soll es in Zukunft eine mehrjährige Gesamtrechnung geben, hatte | |
das Kabinett im vergangenen Jahr beschlossen. Die Emissionen der Sektoren | |
können demnach untereinander verrechnet werden. Sprengt also beispielsweise | |
der Verkehrssektor seinen CO2-Grenzwert wie im vergangenen Jahr zum | |
wiederholten Male, kann die Bundesregierung sich nach Gesetzeslage | |
zurücklehnen, solange etwa der Energiesektor beim Klimaschutz besser war | |
als vorgeschrieben. | |
Selbst wenn die Gesamtbilanz nicht stimmt, muss nach der geplanten Reform | |
aber nicht direkt nachgesteuert werden. Erst wenn der jährliche | |
Projektionsbericht des Umweltbundesamts zweimal in Folge ergibt, dass die | |
Klimaziele für das gesamte Jahrzehnt in Gefahr sind, muss die Regierung ein | |
Sofortprogramm vorlegen – auch wieder als Ganzes, nicht das konkret | |
zuständige Ministerium. | |
Gegenüber dem Ursprungsentwurf scheinen die Fraktionen in ihrer neuen | |
Einigung nur wenig verändert zu haben. Unter anderem binde das neue | |
Klimaschutzgesetz die Regierung erstmals, konkrete Klimaschutzmaßnahmen für | |
die Zeit von 2030 bis 2040 aufzustellen, hieß es aus Fraktionskreisen. Auch | |
das bisherige Klimaschutzgesetz nennt aber bereits ein Klimaziel für 2040, | |
[2][nämlich die Reduktion der CO2-Emissionen um 88 Prozent gegenüber 1990]. | |
Fünf Jahre später soll Deutschland klimaneutral sein. | |
Der Bundestag muss dem neuen Gesetz weiterhin zustimmen, die Einigung der | |
drei Fraktionen ebnet aber den Weg dafür. Im Gegenzug haben sie auch einem | |
Solarpaket von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) grünes Licht | |
gegeben, das ebenfalls seit Monaten auf Eis lag. | |
Klimaschützer*innen kritisierten die Pläne. „Die Bundesregierung will | |
sich damit selbst einen Freibrief erteilen, in dieser Legislaturperiode | |
keine Klimaschutzmaßnahmen mehr verabschieden zu müssen“, sagte Simon Wolf | |
von Germanwatch. | |
## Verkehrssektor nicht komplett aus dem Schneider | |
„Die Einigung zum neuen Gesetz ist ein Schlag gegen die | |
Klimaschutzarchitektur in Deutschland: Statt Verbindlichkeit und | |
Zuständigkeit gibt es jetzt geteilte Verantwortungslosigkeit“, sagte Olaf | |
Bandt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. | |
Und selbst die Energiewirtschaft ist sauer. „Mit der Aufweichung der | |
Sektorziele im Klimaschutzgesetz ist dem Klima nicht gedient“, sagte | |
Kerstin Andreae, Chefin vom Bundesverband der Energie- und | |
Wasserwirtschaft. „Während der Energiesektor seine Vorgaben seit Jahren | |
erfüllt, hinkt der Verkehrssektor seinen Zielen bereits das dritte Jahr in | |
Folge hinterher. Es darf nicht passieren, dass die Sektoren, die heute | |
schon liefern, die Last der anderen mittragen müssen.“ | |
Nach den Regeln des alten Gesetzes müsste dieses Jahr tatsächlich wieder | |
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein Sofortprogramm vorlegen, | |
gleiches gilt für Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und | |
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die sich die Zuständigkeit | |
für die Klimabilanz der Gebäude teilen. | |
Speziell dem Verkehrsministerium hat der Expertenrat für Klimafragen, der | |
die Sofortprogramme überprüft, [3][immer wieder schlechte Zeugnisse | |
ausgestellt]. Auch wenn Wissing die Pflicht zum Sofortprogramm nun wohl | |
nach deutscher Gesetzeslage erspart bleiben wird, könnte es Deutschland | |
noch teuer zu stehen kommen, wenn der Verkehrssektor weiter zu | |
klimaschädlich bleibt. Auch auf europäischer Ebene gibt es nämlich | |
entsprechende Verpflichtungen. Hält ein Staat sie nicht ein, muss er | |
anderen Ländern Emissionsrechte für viel Geld abkaufen. | |
16 Apr 2024 | |
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[2] /Experte-ueber-EU-Klimaziele/!5987458 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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