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# taz.de -- Rekommunalisierung der Fernwärme: Berlin und sein Holz
> Die Stadt kauft die Energieinfrastruktur des Vattenfall-Konzerns zurück.
> Naturschutzorganisationen kritisieren den Deal als nicht klimaneutral.
Bild: Verstolperter Schritt für die Klimawende: Das Kraftwerk in Reuter West s…
Berlin taz | „Wir sind hier, wir sind laut“, erschallt der Schlachtruf
aller Klimabewegten am Donnerstagvormittag vor dem Roten Rathaus.
Allerdings ist der Platz zwischen dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters
und dem Neptunbrunnen weitgehend leer. Nur eine kleine Phalanx von rund 20
AktivistInnen hat sich mit Transparenten und Plakaten hier aufgebaut – eine
„Banneraktion“, wie es die aufrufenden Organisationen nennen. Ihr Motto:
„Kein Wald ins Kraftwerk!“
Die Aktion richtet sich halb gegen den [1][Vattenfall-Konzern], halb an das
Land. Denn schon in der kommenden Woche wird Berlin die gesamte
Energieinfrastruktur der Schweden für 1,6 Milliarden Euro zurückkaufen: ein
knappes Dutzend große und rund 100 kleine Kraftwerke sowie das dazugehörige
Fernwärmenetz. Ein großer Schritt für die Rekommunalisierung, ein
verstolperter für die Klimawende, meinen die Umweltbewegten.
„Berlin hat verschlafen, den Ausstieg aus fossilen Energieträgern anständig
zu steuern“, ruft Eric Häublein vom Nabu ins Megafon. Vattenfall vererbe
dem Land darum nun zwar den Ausstieg aus der Kohle, aber gleichzeitig einen
noch größeren Einstieg ins Erdgas – und die Holzverbrennung. „Wie unkreat…
ist das eigentlich?“, fragt Häublein sarkastisch.
Am Freitag kommender Woche will der Senat den Deal mit Vattenfall gebührend
feiern. Kurz zuvor, so die [2][Kritik von Nabu, BUND, Robin Wood] und
anderen, habe das private Unternehmen noch das Genehmigungsverfahren für
ein neues Holzheizkraftwerk am Spandauer Standort Reuter-West gestartet. Es
ist Teil des von Vattenfall im vergangenen Jahr vorgelegten
„Dekarbonisierungsfahrplans“, der eine massive Ausweitung der
Holzverfeuerung vorsieht.
Auf einen Anteil von 17 Prozent aller eingesetzten Energieträger sollen
laut „Fahrplan“ im Jahr 2030 die verschiedenen Holzsparten klettern – vom
frisch geschlagenen Holz aus Wäldern und kurzlebigen Pappelplantagen bis zu
Altholz und Sägeabfällen. Heute sind es gerade mal 1 Prozent – in absoluten
Zahlen knapp 100.000 Tonnen Holz pro Jahr. Nach Berechnungen des Nabu
müsste diese Menge bis 2030 auf rund 1,6 Millionen Tonnen ansteigen, um den
angestrebten Anteil am Energiemix zu erreichen.
## Alle fünf Wochen ein Tiergarten
Man kann das Rechenexempel aber auch anschaulicher machen: Das neue
Kraftwerk in Reuter-West soll bis zu 37 Tonnen Frischholz pro Stunde
verschlingen. Dafür würde laut den DemonstrantInnen eine Waldfläche in
Größe des Tiergartens gerade mal fünf Wochen reichen. Und bei einem
Hochfahren auf 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr wären die gesamten Berliner
Wälder nach drei Jahren „ratzfatz weg“, wie Häublein sagt. Natürlich wü…
der Wald nicht hier, sondern anderswo abgeholzt, sei es in Brandenburg,
Skandinavien oder Osteuropa – besser macht es das nicht.
Dass Holz immer noch als klimaneutraler Brennstoff gilt, ist dabei ein
Hohn. [3][Denn spätestens wenn nicht nur in Berlin, sondern überall Bäume
für unseren Energiehunger verbrannt werden, kippt die CO2-Bilanz] dieses
Energieträgers komplett.
Wirklich klimaneutral wäre Holzverbrennung nur, wenn in jedem Zeitraum
immer exakt so viel Holz nachwächst, wie unter dem Kraftwerkskessel zu
Asche zerfällt. Das kann nicht klappen. Weshalb Neelke Wagner vom Verein
Powershift fordert: „Die Rekommunalisierung der Fernwärme bietet die
Chance, Vattenfalls Erbe auszuschlagen und die Weichen für eine
demokratische und klimagerechte Wärmeversorgung zu stellen.“
Die Aktion fand übrigens am „Tag des Baumes“ statt, der in Deutschland am
25. April 1952 von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald eingeführt wurde.
Damals waren durch die sogenannten Reparationshiebe der Alliierten 10
Prozent der deutschen Wälder kahl geschlagen worden. Mit einem
„Substitutionshieb“ für Kohle und Gas stünde uns bald wohl Ähnliches ins
Haus.
25 Apr 2024
## LINKS
[1] /Austritt-aus-umstrittenem-Abkommen/!6006641
[2] /Fernwaerme-aus-Biomasse-in-Berlin/!5993119
[3] /Reform-des-Klimaschutzgesetzes/!6004639
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Klimaneutralität
Vattenfall
Nabu
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Fernwärme
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Energie
Fernwärme
Investitionsschutz
Schwerpunkt Klimawandel
Vattenfall
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