Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Erneuerbare Energie: Cuxhaven verheizt den Wald
> Umweltverbände kritisieren das neue Holzheizkraftwerk in Cuxhaven. Holz
> zu verbrennen sei weder nachhaltig noch notwendig.
Bild: Protest vor der Baustelle des Holzheizkraftwerks in Cuxhaven
Hamburg taz | In Cuxhaven wird für Wärme Holz verfeuert: 100.000 bis
140.000 Tonnen sollen in Zukunft alljährlich im neuen Holzheizkraftwerk
verbrannt werden, das seit 2020 gebaut wird. „Nachhaltige Energielösungen
aus Cuxhaven für Cuxhaven“ verspricht der Betreiber Forte Energie damit:
Die Holzverbrennung sei CO2-neutral und regenerativ. Umweltverbände sehen
das anders. Sie kritisieren das geplante Werk seit Jahren.
Bei einer Informationsveranstaltung Anfang August machten Robin Wood, der
BUND, die Parents4Future und Bio-Fuelwatch einmal mehr deutlich, was sie
von den Plänen eines Holzheizkraftwerks halten: gar nichts. Weltweit geht
der Bestand an Wald zurück. Den wertvollen CO2-Speicher Wald zu verfeuern,
um Wärme zu generieren, sei aus der Zeit gefallen.
Die Betreiber behaupteten in der Planungsphase lange, nur Holz aus
heimischen Wäldern nutzen zu wollen. Eine richtige Entwarnung wäre auch das
für die Umweltverbände nicht: In den letzten vier Jahren seien „alleine in
Deutschland bereits 600.000 Hektar Wald abgestorben“, sagt Jana
Ballenthien, Waldreferentin bei Robin Wood.
Ein [1][großer Anteil des in Cuxhaven verbrannten Holzes] werde Frischholz
sein, für welches extra Wald gerodet wird. Dieses solle lieber für die
Herstellung von Gegenständen verwendet, anstatt verbrannt zu werden,
fordert Tobias Söhl von den Parents4Future.
## Holzimport befürchtet
Die Umweltverbände vermuten außerdem, dass Forte Energie auch Holz
importieren wird. Bei der geplanten Menge von bis zu 140.000 Tonnen Holz
jährlich sei es schwer, alles aus dem näheren Umkreis zu beziehen.
Tatsächlich hat das Unternehmen seit 2021 öffentlich auch über Lieferungen
aus Skandinavien und den baltischen Ländern nachgedacht.
Das Unternehmen wirbt dennoch mit seiner Nachhaltigkeit. Man sei
CO2-neutral, schließlich habe „unser verwendetes Holz in seinem
Lebenszyklus mindestens genauso viel CO2 aufgenommen, wie wir im
Verbrennungsprozess wieder freigeben“. Diese Rechnung funktioniert für
Forte Energie: Aufgrund der [2][Berechnungslogik des Weltklimarats IPCC]
wird die CO2-Freisetzung am Ort der Abholzung berechnet, nicht am Ort der
Verbrennung.
Tatsächlich aber werde bei der Verbrennung viel CO2 freigesetzt,
argumentieren die Umweltverbände. Die Wiederaufforstung, durch die sich die
Emission irgendwann rechnerisch ausgleiche, benötige Zeit – und werde, je
nach Herkunft des Holzes, nicht überall praktiziert. Vor allem die
Pelletproduktion finde häufig in North Carolina in den USA statt, die
Nachhaltigkeitszertifikate wurden von der Pelletindustrie selbst ins Leben
gerufen und seien lasch.
Die Stadt Cuxhaven wägt ab. „Holz ist ein [3][nachwachsender Rohstoff] wie
andere Biomasse auch“, sagt Pressesprecher Marcel Kolbenstetter. „Die Frage
ist jedoch, welche Holzqualitäten in dem Kraftwerk verbrannt werden.
Sicherlich ist fraglich, wenn man dafür wertvolle Holzqualitäten verwendet,
die jederzeit noch einer anderen Nutzung zugeführt werden können.“
Konkrete Pläne zum Bezug der Energie aus dem Kraftwerk für öffentliche
Gebäude gebe es nicht. Jedoch sei das Kraftwerk als genehmigter Bestand im
Rahmen der Wärmeplanung als eine mögliche Energiequelle zu berücksichtigen.
Der Umgang der Stadt mit der Genehmigung ist ein großer Kritikpunkt der
Umweltverbände. Das Kraftwerk hat bei der Antragstellung eine Leistung von
49,9 Megawatt (MW) beantragt. Ab 50 MW wäre eine Bürgerbeteiligung
notwendig gewesen. Die tatsächlich verbauten Kessel hätten jedoch eine
höhere Leistung – das ergaben Nachfragen beim Gewerbeaufsichtsamt.
Forte Energie bekräftigt zwar, dass die Leistung technisch auf die
vereinbarte Leistung reduziert werde; die Umweltverbände befürchten jedoch,
dass das Unternehmen mittelfristig immer mehr Haushalte mit seiner Energie
versorgen wolle, um Gewinne zu steigern.
Das Holzheizkraftwerk soll rentabel sein – dazu trägt auch bei, dass es
[4][durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert] wird. „Absurd“ sei die
Förderung, so die Umweltverbände. Gerade in der Region Cuxhaven mit viel
Wind und der Nähe zum Meer müssten andere Formen der Energiegewinnung
forciert werden: Man könnte mittels Großwärmepumpen und
Power-to-Heat-Systemen Fernwärme erzeugen.
Noch eine Kritik zielt auf Politik und Verwaltung in Cuxhaven: Die wisse
gar nicht, wie viel Energie überhaupt benötigt werde. An einem Wärmeplan
werde noch gearbeitet, erklärt dazu die Stadt Cuxhaven.
Gar nichts sagen will Forte Energie. Auch nach zwei Wochen und mehrmaligen
Nachfragen äußert sich das Unternehmen nicht gegenüber der taz.
22 Aug 2024
## LINKS
[1] /Streit-um-die-Energiewende/!5762933
[2] https://www.science.org/doi/10.1126/science.1178797
[3] /Nachhaltige-Rohstoffe-in-Deutschland/!5939012
[4] /Verguetung-fuer-Bioenergie/!6027919
## AUTOREN
Mika Backhaus
## TAGS
Energie
Erneuerbare Energien
Holz
Kraftwerk
Cuxhaven
Klimaneutralität
Vattenfall
Holz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Rekommunalisierung der Fernwärme: Berlin und sein Holz
Die Stadt kauft die Energieinfrastruktur des Vattenfall-Konzerns zurück.
Naturschutzorganisationen kritisieren den Deal als nicht klimaneutral.
Fernwärme aus Biomasse in Berlin: Das Holz im Wald stehen lassen
Umwelt- und KlimaschützerInnen warnen davor, bei der Erzeugung von
Fernwärme für Berlin künftig massiv auf Biomasse zu setzen.
Geplante Müllverbrennung: Altholz soll nicht ins Feuer
Die BSR will eine Verbrennungsanlage für Altholz und Sperrmüll errichten.
UmweltschützerInnen warnen, das laufe auch Berlins Klimazielen zuwider.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.